Status Quo: Maschine mit oder ohne Datenzugriff?
Mit der Definition, dass Smart Services über Plattformen organisierte, datenbasierte, individuell konfigurierbare Angebote aus Dienstleistungen, digitalen Diensten und Produkten sind, hebt Prof. Dr. Büchler eingangs die essentielle Bedeutung von Daten und deren Austausch hervor. Im Rahmen des explorativen Forschungsprojekts "Smart Service Engineering" interviewte er mit seinem Forschungsteam unterschiedliche Unternehmen, um eine ganzheitliche Perspektive der Wertschöpfungsstufen für Smart Services zu entwickeln. Dabei konnte grundlegend festgestellt werden, dass bei Smart Services, über den kundenzentrierten Ansatz hinaus, zu einem mit dem Kunden gemeinsamen Wertschöpfungsansatz gedacht werden muss, mit dem neue Geschäftsmodelle, innovative Pricingstrategien und alternative Gewinnaufteilung einhergehen.
Anforderungen: Wie smart darf mein Service sein?
In den Experteninterviews des Forschungsprojekts haben sich auf Unternehmensseite sowohl funktionale Anforderungen wie Prozessstabilität und Ressourceneffizienz, als auch emotionale Anforderungen wie Sicherheit und Nachhaltigkeit herauskristallisiert. Hierbei werden Smart Services als Option für verbesserte Ressourceneffizienz und Klimaneutralität bei gleichzeitiger Qualitäts- und Prozessstabilität genannt und erweitern die Vertriebsargumentation zu Smart Selling Propositions. In diesem Kontext bilden Kreislaufwirtschaftsansätze für Maschinenparks durch Retro-Fit-Kits lediglich eine Basis für Smart Services, da sie als Enabler ältere Bestandsmaschinen überhaupt erst in die Lage versetzen „embedded systems“ ermöglichen und gleichzeitig die Maschinenlebensdauer verlängern. Diese Entwicklung verdeutlicht die steigende Bedeutung von Smart Services als wichtiger zukünftiger Erlösbringer.
Voraussetzungen für Smart Services
Die eigens entwickelten Smart Service Tools erlauben einerseits anhand des Smart Service Audits eine Bewertung des Smart Service Status eines Unternehmens und anderseits mithilfe des InnoMonitor ein Innovationsprofil im Vergleich mit erfolgreichen Innovatoren zu erstellen. Aus den Ergebnissen lässt sich das jeweilige Unternehmen hinsichtlich seiner Service- und Innovationskompetenz einordnen und entsprechend klare Smart Service Innovation Strategien für das Unternehmen ableiten (vgl. Abbildung).
So zeichnen sich „Smart Innovators“ durch sowohl ausgeprägte Kompetenzen in der Produktlogik als Innovator, als auch in der Servicelogik als ganzheitlicher, digitaler Dienstleister aus. Hierbei erlauben die vorgestellten Tools eine besondere Berücksichtigung der Unternehmensorganisation, -kultur, -führung und des situativen Kontexts sowie die Ableitung entsprechender Handlungsempfehlungen.
Grenzen von Smart Services: Dein Server – Mein Server
Als Grenzen von Smart Services zählt Prof. Dr. Büchler zum einen die Verwaltung von Datenrechten (Freigabe, Verfügbarkeit und Kombination, Preise) bei digitaler Kollaboration und zum anderen den enormen Datenumfang mit kontinuierlichem Datentransfer auf. Für die Organisation dieser Daten ist eine ausgebaute Infrastruktur Voraussetzung. Daneben sei weiter der Aufbau und die Konfiguration eines Datenökosystems notwendig, um diverse Datenquellen aus privatem und öffentlich zugänglichem Bereich anhand von Beispielen aus der Agrarwirtschaft zu kombinieren, um so auch einen Mehrwert aus den Daten gewinnen zu können. Mit dem Datenumfang geht die Notwendigkeit einer klar definieren Datenstrategie und einer datenbasierten Geschäftsfeldstrategien einher, um beispielsweise den Datenumgang mit Kunden und Partnern festzuhalten. Als Lösung der kulturellen Barriere sieht Prof. Dr. Büchler, die Verankerung des Service in den Unternehmenswerten. Verbunden damit existieren organisationale Barrieren wie eine fehlende Klärung von Verantwortlichkeiten und verbesserter Messbarkeit des Servicewerts. Daher empfiehlt es sich, Service als gleichberechtigte oder eigenständige Einheit im Unternehmen zu integrieren und nicht nur im sog. „Nachmarkt“ zu verorten, da sich hierdurch in vielen Unternehmen eine (untergeordnete) Wertigkeit ausdrückt.
Zukunftsperspektive: Cyber-physische Kundenbeziehung
Als Zukunftsmodell skizziert Prof. Dr. Büchler eine wachsende gemeinsame Wertschöpfung aus Daten, Diensten und Produkten, die sog. Co-Creation, von Anbieter und Kunden im Bereich der Smart Services. Es entwickelt sich so ein zunehmend symmetrischer Informationsaustausch mit dem Kunden. Dadurch ergibt sich das Erfordernis von neuen Preismodellen, die der Wertschöpfung von Kunden und Anbieter gerecht werden. Weiter sollen im Rahmen der X-Reality (extended Reality) Kundenbeziehungen digital, hybrid und physisch verknüpft werden. Aus dieser Ausdehnung der Kundenbeziehung transformieren sich gängige Customer Touchpoints zu friktionslosen Touchlines. Durch diese wachsenden Herausforderungen werden neue funktionale Rollen und Berufsbilder in Unternehmen notwendig, wie die eines Service Plattform Engineer.
Fazit: Nach Smart Products erhält nun die Digitalisierung mit Smart Services auch umfassend Einzug in den Servicebereich. Smart Services bieten hohes Potenzial für verbesserte Ressourceneffizienz und damit das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen. Die wesentliche Voraussetzung sind Daten, Netzwerkwerke und Plattformen zur systematischen Gewinnung, Verarbeitung und werthaltigen Nutzung der Daten in einem kollaborativen Ansatz. Dabei muss jedes Unternehmen eine spezifische Datenstrategie erarbeiten. Dabei sollten nicht nur Datenherkunft und -verwaltung festgehalten werden, sondern auch der Datenumgang und –verwertung inklusive der Monetarisierung. Dadurch können Smart Services für entsprechend aufgestellte Unternehmen, sog. Smart Innovators, ein wesentlicher Ertragsbringer werden, der das Geschäft mit physischen Produkten und Dienstleistungen ersetzt.
Prof. Dr. Büchler stellte Smart Services als eine sehr attraktive und nachhaltige Thematik dar. Insbesondere, da es eine noch engere Beziehung zum Kunden und vor allem gemeinsame Wertschöpfung ermöglicht.
Mehr zu dem Forschungsprojekt: www.innovationexcellence.eu