Corporate Transformation – Die Königsdisziplin der CEOs
Das Prinzip von Carlyle als Inspiration
Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte Francis Carlyle zu den bekanntesten amerikanischen Magiern. Ihm verdanken wir das außerhalb Magierkreisen zwar wenig bekannte, für modernes Management im allgemeinem und Transformationsprozessen im konkreten aber durchaus interessante „Prinzip von Carlyle“. Es besagt, dass ein (magischer) Effekt nur dann ein guter Effekt ist, wenn Zuschauer diesen nach einer Vorführung in einfachen und prägnanten Worten selber beschreiben können. Diesem Prinzip folgen erfolgreiche Zauberer noch heute.
Es lässt sich aber auch auf die Rolle von CEOs in einer Transformation übertragen: Erst wenn es gelingt, dass Mitarbeiter und Führungskräfte die Kernidee einer transformatorischen Neuausrichtung verstehen und somit selbst in einfachen Worten erklären können, ist die transformatorische Idee gut und schlüssig. Eine solche „Storyline“ zu finden und überzeugend zu kommunizieren und zu verankern, ist oberste Verantwortung des CEOs im Transformationsprozess.
Die „transformatorische Idee“
Ausgangspunkt der Transformation sollte entsprechend immer eine „transformatorische Idee“ sein, welche auf den Punkt bringt, wo das Unternehmen heute steht und in welche Richtung es sich entwickeln soll. Eine transformatorische Idee folgt dem Gedanken „wir entwickeln uns von … zu ….“. Dabei liegt die Herausforderung nicht nur darin zu beschreiben, wo man das Unternehmen hin entwickeln will (wie bei einer klassischen Vision), sondern auch offenzulegen, wo der Ausgangspunkt ist. So, wie es beispielsweise Herbert Diess, CEO Volkswagen, im November 2020 getan hat:
Volkswagen muss sich wandeln: von einer Sammlung wertvoller Marken, einem Hersteller faszinierender verbrennungs-motorisch angetriebener Produkte, die mit höchster Ingenieurkunst Kunden begeistern, hin zu einem Digitalunternehmen, das Millionen Mobilitätsdevices weltweit zuverlässig betreibt, mit Kunden immer in Kontakt bleibt und Dienste, Komfort und Sicherheit ständig verbessert.
Gerade diese „von – zu“ Logik verdichtet den Kern der transformatorischen Idee auf einen Kompass, an dem sich Mitarbeiter und Führungskräfte, aber auch Eigentümer, Investoren, die Öffentlichkeit usw. in Bezug auf das Unternehmen ausrichten können. Daher sollte die transformatorische Idee wohl durchdacht sein und eine starke Botschaft besitzen. Inhalt, Worte, Tonalität und Merkbarkeit gehen hier Hand in Hand. Die letztendliche Verantwortung dafür trägt der oder die CEO.
Im Wirbelsturm: Treiber der Transformation
Doch wie kommt es dazu, eine Transformation anzustoßen? Natürlich gibt es eine Vielfalt von treibenden Faktoren. Zwar wird „Transformation“ heutzutage sehr häufig in einem Atemzug mit „Digitaler Transformation“ gleichgesetzt - allerdings ist die fortschreitende Digitalisierung nur eine Facette der Transformation. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere entscheidende Themen wie veränderte Kundenwünsche oder neue regulatorische Rahmenbedingungen. Grundsätzlich ist eine Transformation aber immer dann notwendig, wenn kleine inkrementelle Anpassungen nicht mehr ausreichen, um das Unternehmen erfolgreich weiterentwickeln zu lassen.
Die Mär der permanenten Transformation
Nicht selten wird behauptet, ein Unternehmen befinde sich im dauerhaften Wandel, da sich ja auch das Umfeld dauerhaft wandle. Dem ist entgegen zu halten, dass jede Transformation auch erstmal umgesetzt und ihre Früchte geerntet werden müssen. Entsprechend gibt es Phasen der grundlegenden Veränderungen und Phasen der Stabilität. Natürlich bleibt das Unternehmen auch in diesen Stabilitätsphasen nicht stehen, es finden immer eine Unmenge an größeren und kleineren Anpassungen im Unternehmen statt. Doch die dominante Geschäftslogik bleibt in diesen Phasen bestehen. Wir nennen diese Phase die Phase der strategischen Weiterentwicklung. In ihr werden einzelne Bausteine innerhalb eines bewährten Gefüges angepasst, das Unternehmen wird dabei besser, aber nicht grundlegend anders. Gesucht werden insbesondere Ideen zur Verbesserung.
Im Rahmen einer strategischen Transformation erhält das Unternehmen aber ein neue „Idee“ und Richtung. Auf der Grundlage des bewährten Gefüges erfolgt mit klarer Zielrichtung eine Metamorphose zu einem neuen Unternehmen. Das Unternehmen wird schrittweise „anders“. Gesucht werden Ideen zur Veränderung.
Natürlich gibt es Fälle, in denen der Markt dem Unternehmen keine Zeit für eine strategische Transformation lässt. In Phasen der „strategischen Disruption“ muss ein Unternehmen das bewährte Gefüge möglichst schnell hinter sich lassen und etwas ganz Neues machen. Gesucht werden Ideen zur Revolution.
Allerdings: Je größer die Unternehmung, umso mehr Zeit ist nötig, sich auf Marktentwicklungen einzustellen. Große Unternehmen, die auf Marktveränderungen nicht rechtzeitig mit einer mutigen strategischen Transformation reagieren (z.B. in dem sie sich selbst kannibalisieren) haben bei strategischen Disruptionen schlechte Karten. Daher sollte es der Anspruch des CEOs etablierter Unternehmen sein, eine strategische Transformation in Zeiten einzuleiten, in denen das Unternehmen noch aus einer Position der Stärke agieren kann.
Bausteine der Transformation als Antwort auf grundlegende Marktveränderungen
Um Transformationsprozessen einen Rahmen zu geben, analysiert Horváth regelmäßig Unternehmen, die in einem transformatorischen Feld unterwegs sind. Von besonderem Interesse sind dabei die Schwerpunkte, die ein CEO in seiner Agenda wählt, um eine entsprechende Veränderung anzustoßen. Dabei ist uns aufgefallen, dass es drei wesentliche Elemente gibt, die eine Corporate Transformation beschreiben.
Der erste wichtige Punkt ist das Thema „Shape“. Unter „Shape“ versteht man, einer Organisation eine Gestalt zu geben mit der sie die ganzen transformatorischen Einflüsse bzw. Treiber der Veränderung aufnehmen kann. Es geht dabei also darum in Struktur und Prozessen Formen anzunehmen, die es ermöglichen, möglichst effizient mit den Veränderungen des Umfeldes umzugehen. Restrukturierungen oder breit angelegte Effizienzprogramme können in diesem Sinne das Unternehmen strukturell grundsätzlich transformieren.
Transformationsvorhaben haben allerdings nicht immer die Effizienzebene im Fokus, sondern sind darauf ausgerichtet, das Unternehmen auf einen neuen Wachstumspfad zu bringen. Es geht in diesen Fällen darum, für das Unternehmen grundlegend neue Geschäftsfelder, Marktzugänge, Geschäftsmodelle usw. aufzubauen. In diesen Fällen wird das Unternehmen nicht nur besser („Shape“), sondern auch von seiner Geschäftslogik her anders („Create“) wie beispielsweise im Rahmen der fundamentalen Neuausrichtung des eigenen Geschäftsmodells.
Die dritte Art der Transformation nennen wir „Empower“. Der Fokus der tiefgreifenden Veränderung liegt dabei auf den treibenden Kräften innerhalb des Unternehmens. Dies kann z.B. die Art und Weise betreffen, wie innerhalb des Unternehmens gearbeitet und geführt wird oder welche (z.B. digitale) Fähigkeiten aufgebaut werden.
In der Regel hat jedes Transformationsprojekt Bestandteile dieser drei Transformationsformen, allerdings in unterschiedlicher Intensität, je nachdem, welches der initiale Einstiegspunkt ist (Effizienz, Wachstum oder interne Stärkung). Zusammenfassend bilden die drei sich überschneidenden und parallel zu berücksichtigen Bausteine: Shape, Create, Empower das Gerüst für die Corporate Transformation.
Transformatorisches Beispiel: Volkswagen
Die deutliche Steigerung des Unternehmenswertes von Volkswagen seit Anfang des Jahrzehntes ist getrieben durch den transformatorischen Willen bzw. den Glauben, dass der VW Konzern eine Transformation schaffen wird und damit das Unternehmen wertvoller machen wird. Den transformatorischen Willen erkennt man dabei wie oben genannt an einer klaren Idee zur grundlegenden Veränderung vom Status „wer wir heute sind“ hin zu „wer wir in Zukunft sein wollen“. Auf der Grundlage dieser klaren transformatorische Idee wird die Transformation sehr holistisch getrieben. Der Wandel zur Elektromobilität ist dabei nicht nur im Sinne der neuen Technologien, also der Ebene „Create“, zu verstehen, sondern auch im Sinne der Organisation. Es muss sichergestellt werden, dass die Effizienz („Shape“) vorhanden ist, um die Transformation zu finanzieren. Letztlich muss aber auch die „Empower“ Transformation stattfinden, z.B. in Bezug auf die Ausstattung der Werke, die Umstellung der IT, der Kompetenzen der Mitarbeiter bis hin zu einem entsprechenden Kulturwandel innerhalb des Konzerns. Keine Frage: die aktuelle Veränderung des Volkwagen-Konzerns ist keine gemütliche Weiterentwicklung des vergangenen Erfolgsmodells, sondern eine grundlegende Veränderung der Geschäftslogik. Also eine strategische Transformation auf der Grundlage einer starken transformatorischen Idee.
Dieser Bericht ist ein Nachbericht des gleichnamigen Vortrags von Dr. Oliver Greiner im Rahmen der 21. Jahreskonferenz Strategie und Transformation.
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