Kurzbeschreibung des Unternehmens
Die flaschenpost SE mit Hauptsitz in Münster ist einer der führenden Getränke- und Lebensmittelsofortlieferdienste in Deutschland, der seit der Gründung im Jahr 2016 die Letzte-Meile-Logistik perfektioniert. Das Unternehmen ist seit Ende 2020 Teil der Oetker-Gruppe. In nahezu allen Metropolregionen Deutschlands vertreten, bietet die flaschenpost SE mit der Lieferung von Getränken und Lebensmitteln innerhalb von 120 Minuten oder auf Vorbestellung ein komfortables und effizientes Einkaufserlebnis. Das Angebot wird kontinuierlich weiterentwickelt und ergänzt. So wurde der Rollout des Lebensmittelsortiments, das auch Obst und Gemüse sowie Tiefkühlprodukte umfasst, zum Jahreswechsel abgeschlossen.
Das Interview führten Nils Gimpl und Dr. Laura Schlecht, Center for Performance Management und Controlling an der Frankfurt School of Finance and Management.
Das Interview ist ein Vorabdruck aus Gleich (Hrsg.), "Data Driven Controlling - Data Analytics und KI kennen und nutzen", das Ende November 2023 erscheint.
Teil D: Daten als Grundlage für strategische Entscheidungen
Wie nutzen Sie Daten, um strategische Entscheidungen innerhalb des Unternehmens zu treffen?
Diebecker: Um die Bedeutung von Datenanalyse in strategischen Entscheidungen zu erläutern, möchte ich einige Beispiele anführen. Ein Beispiel dafür ist unsere Anpassung der Liefermodalitäten im Spätsommer 2022. Wir haben die Mindestbestellwerte und Liefergebühr-Zuschläge für kleine Bestellungen angepasst. Aufgrund unseres skalierbaren Geschäftsmodells können wir Teststandorte definieren, um dort A/B-Tests durchzuführen. Wir haben z.B. einen Teststandort in Münster definiert, wo wir bestimmte Postleitzahlgebiete ausgewählt haben, um zu testen, wie die Kunden auf die angepassten Liefermodalitäten reagieren. Nach einer Testphase von einigen Wochen können wir dann auswerten, welche Liefermodalitäten am besten funktionieren und diese auf alle Postleitzahlgebiete und Hubs übertragen.
Dieses Prinzip des A/B-Testings kann auch für andere Entscheidungen wie Produktportfolio- oder Sortimentsentscheidungen, Kommissionier- und Auslieferungsprozesse sowie die Darstellung in der App oder im Webshop angewandt werden. Durch die Verwendung von Testumgebungen können wir strategische Entscheidungen basierend auf der Datenauswertung treffen, um langfristig erfolgreich zu sein. Auch hier möchte ich nochmals erwähnen, dass wir dabei immer den Datenschutz unserer Kunden beachten. Insgesamt ist die Sensibilität für die Sicherheit von sensiblen Daten im Controlling sehr ausgeprägt und wird in der Kultur unserer Abteilung reflektiert.
Beim Thema A/B Testing ist die flaschenpost schon fast wissenschaftlich aufgestellt. War der Eintritt in den Lebensmittelmarkt datengetrieben?
Diebecker: Unser Eintritt in den Lebensmittelmarkt ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Getränkelieferant das Produktportfolio stark ausgebaut hat und z.B. auch andere Produkte wie Lebensmittel, Hygieneartikel und Snacks in das Sortiment aufgenommen hat. Wenn schwere Wasserkisten oder Bierkisten ausgeliefert werden können, dann sollten viele andere Produkte auch ausgeliefert werden können. Dabei spielen natürlich Marktbeobachtungen und Erfahrung eine Rolle, um zu entscheiden, welche Produkte sich lohnen zu betreiben. Wir haben Tests durchgeführt, um herauszufinden, ob Lebensmittel gut bei den KundInnen ankommen. Auf Basis dieser Datenerhebung haben wir das Sortiment an einem Standort erweitert, indem wir Kühl- und Tiefkühlprodukte sowie Obst und Gemüse hinzugefügt haben. Schnell konnten wir feststellen, dass diese Produkte sehr gut bei den Kunden ankommen, und entsprechend wurde der Rollout des Sortiments konsequent umgesetzt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie aus Intuition und Erfahrung sowie dem Einsatz einer fundierten Datenanalyse ein Sortiment deutlich ausgebaut werden kann.
Auf welche Metriken oder KPIs stützen Sie sich normalerweise, um strategische Entscheidungen zu treffen?
Diebecker: Beispielsweise definieren wir für jedes Line-Item in der Wertschöpfungskette spezifische KPIs. Für Kunden nutzen wir Kennzahlen wie die Wiederkaufrate, Kohorten-Analysen, Customer Acquisition Costs und den Net Promoter Score, um die Kundenzufriedenheit zu messen. Im operativen Bereich haben wir KPIs für unsere Kommissionierkräfte und Fahrer. Hierbei geht es um Produktivität, Lohnfortzahlungsquoten, Krankheitsquoten und ähnliches. Ein weiterer wichtiger Bereich ist der Fuhrpark, wo wir die Auslastung und Produktivität in Bezug auf die Anzahl der Ladeeinheiten und die Ausfallquoten messen. Wir verknüpfen diese operativen KPIs oft mit der Finanzperspektive. Ein Beispiel aus dem Fuhrparkbereich wären hier die Kosten pro Order für Strom oder Diesel.
Wie schaffen Sie ein Gleichgewicht zwischen dem Bedarf an datengestützten Erkenntnissen und der Bedeutung qualitativer Faktoren, wie Intuition und Erfahrung, für strategische Entscheidungen herzustellen?
Diebecker: Bezüglich der Datenanalyse haben wir z.B. beim Thema Elektrifizierung des Fuhrparks zunächst aus Erfahrung und Intuition heraus entschieden, dass es Sinn machen kann, den Fuhrpark zu elektrifizieren. Wir haben dann entsprechend auch eine kleine Charge an elektrifizierten Fahrzeugen getestet und die Vorteile, wie z.B. geringere Kosten durch Strom statt Diesel, analysiert. So konnten wir datengetrieben entscheiden, ob die Elektrifizierung des Fuhrparks eine gute Option ist Im Ergebnis sind wir zum Schluss gekommen in der nahen Zukunft – wie man der Presse entnehmen kann – unseren gesamten Fuhrpark sukzessive zu elektrifizieren.
Können Sie ein Beispiel nennen, bei welchem die Datenanalyse eine entscheidende Rolle bei einer wichtigen Entscheidung oder Initiative innerhalb des Unternehmens gespielt hat. Welche Lehren haben Sie aus dieser Erfahrung gezogen?
Diebecker: Sicher gibt es Beispiele aus der Praxis, die anders verlaufen sind als geplant, wie wir es uns erhofft oder prognostiziert haben. Zum Beispiel gibt es Unterschiede in der Akzeptanz des Supermarktrollouts bei den Kunden. An jüngeren Standorten oder in Großstädten gibt es eine sehr starke Akzeptanz, während andere Standorte tendenziell konservativer sind. Es gibt Standorte, an welchen es tendenziell herausfordernder ist, die Kunden zu überzeugen. Die Datenanalyse hilft jedoch enorm bei der Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen.
Teil E: Ausblick
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle der Daten im Controlling allgemein entwickeln und welche neuen Herausforderungen und Chancen erwarten Sie für Ihre Abteilung in den nächsten Jahren?
Diebecker: Die Rolle von Daten im Controlling war schon immer wichtig und wird in Zukunft noch wichtiger werden. Die Herausforderungen und Chancen einer Controlling-Abteilung liegen darin, nicht mehr nur Daten zu erfassen und zu analysieren, sondern auch die geeigneten Maßnahmen aus der Analyse abzuleiten. Ein Controller sollte ein Business Partner für andere Fachabteilungen und den Vorstand sein. Er sollte nicht nur Berichte vorlegen oder kommentieren, sondern tatsächlich mit vorgeschlagenen Maßnahmen das Vorstandsbüro betreten und diese Maßnahmen mit dem Vorstand besprechen. Die Entscheidung darüber trifft der Vorstand, aber der Controller sollte als Business Partner an der Entwicklung beteiligt sein. Für das Controlling besteht die Herausforderung darin, dass sich die Controller ständig an die sich ändernde Datenlandschaft anpassen müssen und kontinuierlich dazulernen sollten.
Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!
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Teil 1 der Serie: "Bei flaschenpost werden Entscheidungen immer auf Basis von Daten getroffen."
Teil 2 der Serie: "Die gesamte Systemlandschaft bei uns ist nie endgültig – es ist immer ein Work in progress."