„Deutsche“ Kostenrechnung steht unter erheblichem Veränderungsdruck


Deutsche Kostenrechnung unter erheblichem Veränderungsdruck

Deutschland hat die komplizierteste Kostenrechnung der Welt. Ihr Vorgehen ist fest in die weltweit erfolgreiche SAP-Software eingebaut. Dennoch ist sie nicht zu einem Exportschlager geworden. Prof. Jürgen Weber macht die Gründe für die Sonderstellung der Kostenrechnung im deutschsprachigen Raum deutlich und zeigt auf, warum sich „unsere“ Kostenrechnung ändern muss, um weiter vorbildlich zu sein.

Die „deutsche“ Kostenrechnung ist einzigartig

Nirgendwo auf der Welt wird im Bereich der Kostenrechnung bzw. des Management Accountings so genau und so detailliert gerechnet wie im deutschsprachigen Raum. Dies beginnt bei eigenen Wertansätzen (kalkulatorischen Kosten) und zeigt sich insbesondere im Bereich der Leistungserstellung: Eine ausgeprägte Kostenstellenrechnung findet sich in den Unternehmen im anglophonen Bereich zumeist nicht. Dass im deutschsprachigen Raum so genau und detailliert gerechnet wird, liegt an der traditionell starken industriellen Prägung unserer Wirtschaft ebenso wie an kulturellen Aspekten wie Risikoscheu und Perfektionsstreben. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass die „deutsche“ Kostenrechnung kein Exportschlager geworden ist.

Change Management für Kostenrechnung erforderlich

Etwas anders zu machen als alle anderen, kann in der Wirtschaft ein Wettbewerbsvorteil sein, genauso aber auch ein Indiz dafür, dass man die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Prof. Weber fordert deshalb, die „deutsche“ Kostenrechnung einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, ob sie immer noch zeitgemäß ist oder verändert werden sollte. Ein solches Change Management für die Kostenrechnung wurde in der Wissenschaft schon vor dreißig Jahren angeregt. Jetzt ist die Erkenntnis – wie ein von ihm durchgeführtes empirisches Forschungsprojekt deutlich gemacht hat – auch in der Praxis angekommen. Das Bewusstsein für Veränderung ist generell groß. Es zeigt sich aber auch, dass es keine pauschalen Lösungen gibt. Die spezifischen Bedingungen sind in jedem Unternehmen unterschiedlich.

Acht Handlungsempfehlungen für einen Check der Kostenrechnung

Wovon soll man sich bei der Überprüfung seiner Kostenrechnung leiten lassen? Prof. Weber gibt hierzu insgesamt acht Handlungsempfehlungen ab. Sie richten sich sowohl auf die konzeptionelle Ausrichtung des Systems als auch auf die Nutzung der Kostenrechnung durch die Manager und die Controller. Dabei kommt der richtigen Komplexität der Kostenrechnung für beide Aspekte eine zentrale Bedeutung zu.

  1. Die Kostenrechnung ist – anders als ihr traditionelles Pendant, das externe Rechnungswesen – ein fakultatives Instrument. Damit muss die Frage nach dem „ob“ und dem „wie“ für sie immer wieder neu beantwortet werden.
  2. Die Kostenrechnung ist strikt an den von diesem Instrument zu erfüllenden Rechnungszwecken auszurichten.
  3. Jeder bisher – explizit oder implizit – mit der Kostenrechnung verfolgte Rechnungszweck ist dahingehend zu hinterfragen, ob er noch (in dieser Weise) gebraucht wird und – als jeweils wesentlicher zweiter Schritt – wie er ggf. anders erfüllt werden kann.
  4. Bei jeder Veränderung des Geschäftsmodells des Unternehmens sollte die Ausgestaltung der Kostenrechnung grundlegend hinterfragt werden.
  5. Die Kostenrechnung sollte regelmäßig einer systematischen Qualitätsprüfung unterzogen werden.
  6. Das Instrument Kostenrechnung ist explizit auf die Nutzer seiner Informationen auszurichten.
  7. Die Komplexität der Kostenrechnung ist so weit wie möglich zu begrenzen.
  8. Eine systematische fachliche Begleitung der Manager hilft, eine hinreichende Verständlichkeit der Kostenrechnung trotz ihrer Komplexität zu erzielen.

Entwicklung der operativen Planung als Referenz

Als ein Ergebnis seiner Überlegungen hält er es für wahrscheinlich, dass die „deutsche“ Kostenrechnung einen ähnlichen Weg gehen wird wie die operative Planung: Sie muss nicht mehr – als „eierlegende Wollmilchsau“ – alle bisherigen Rechnungszwecke gleichzeitig erfüllen, sondern wird sich diese Aufgabe mit anderen Instrumenten teilen; es wird ein „unbundling“ stattfinden. Nicht für jedes Unternehmen wird das aber der richtige Weg sein. Es wird nicht mehr „die“ Kostenrechnung geben, kein „one size fits all“, sondern sehr individuelle Ausprägungen davon. Das macht die Beschäftigung mit der Kostenrechnung wieder zu einem hochaktuellen Thema.

WHU