Digitalisierung mit einer einfachen Vision beginnen

Wie können Unternehmen die Potenziale der Digitalisierung am besten nutzen? Wie können Controller dabei am besten unterstützen? Florian Theimer, CFO eines IT-Dienstleisters für Workflow-Management, antwortet dazu in einer neuen Interview-Serie. In Teil 1 gibt er Empfehlungen für einen gelingenden Einstieg.

Interviewpartner:

Florian Theimer, Geschäftsführer bei der MaibornWolff GmbH, ein Dienstleistungsunternehmen das mit 500 Mitarbeitern individuelle Softwarelösungen entwickelt. Als Informatiker mit einer Leidenschaft für neue Technologien ist er seit 2 Jahren auch für Finanzen & Controlling verantwortlich und glaubt an das große Digitalisierungspotenzial auch in diesem Umfeld.

MaibornWolff baut Individualsoftware in den Kernwertschöpfungsprozessen seiner Kunden. Ein Beispiel ist eine Plattform für einen Car-Sharing-Anbieter, mit der sich jederzeit Ort und Zustand aller Flottenfahrzeuge überwachen, Prognosen über Fahrzeug-Auslastungen berechnen oder Routen für Servicetechniker generieren lassen. Oder die Vernetzung von Miele Geräten in der Cloud, um sie mit dem Smartphone oder Amazon Alexa zu steuern, Rezepte oder Softwareupdates in die Geräte zu laden oder sie aus der Ferne zu warten.

Das Interview führten:

Prof. Dr. Andreas Klein, Professor für Controlling an der SRH Hochschule Heidelberg und Herausgeber des Controlling-Beraters

Günther Lehmann, Chefredakteur Controlling und Compliance bei Haufe-Lexware

Anforderungen an Technologie, Geschäftsmodelle und erfolgreiche Einstiegsprojekte

Gesetzt den Fall eines bisher noch nicht mit der Digitalisierung beschäftigten Unternehmens. Wie und wo fangen wir am besten an?

Theimer: Wenn ich herausfinden will, an welchen Stellen Digitalisierung hilft, erarbeite ich mit Experten eine sehr leichtgewichtige „Digitalisierungs-Vision“. Diese verfeinere ich dann iterativ durch leichtgewichtiges, praxisorientiertes Ausprobieren der „Digitalisierungsideen“.

Welche Probleme und Aufgabenstellungen kann die Digitalisierung lösen?

Theimer: Diese Frage richtet sich nicht an „die Digitalisierung“, sondern an die Methoden und Technologien, die darin zusammengefasst werden. Hier 3 Beispiele:

  • Mit Methoden der künstlichen Intelligenz kann man sehr gut Dinge sortieren und z. B. Auffälligkeiten in Daten finden.
  • Mit der Blockchain-Technologie kann man gut Daten zwischen Parteien austauschen, die sich nicht vertrauen.
  • In der Cloud kann man Anwendungen günstiger betreiben, hochverfügbar machen und die Performance um Faktoren erhöhen.

Und was sind die 3 Digitalisierungs-Technologien, die Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren Unternehmen am stärksten verändern werden?

Theimer: In Deutschland die „Cloudifizierung“ von Unternehmens-IT, da haben wir einen riesigen Nachholbedarf. Anwendungen an den Unternehmen werden in die Cloud migriert und nach und nach von echten „Cloud-Services“ abgelöst. Dann Methoden der künstlichen Intelligenz und Robotik, die eine Vielzahl von strukturierten Aufgaben vereinfachen oder ersetzen werden. Und als 3. Trend glaube ich, dass die Vernetzung von Dingen – wie Industrieanlagen, Autos oder Glühbirnen – langsam eine kritische Masse erreicht, sodass langsam sehr sinnvolle neue Geschäftsmodelle entstehen.

Inwieweit gehen damit nachhaltige Veränderungen des gesamten Geschäftsmodells Ihrer Kunden einher?

Theimer: Das ist unterschiedlich. Automobilhersteller sehen sich immer mehr als Mobilitätsanbieter oder Waschmaschinenhersteller versuchen sich an Pay-per-Use-Geschäftsmodellen. Dann gibt es die Fälle, in denen „nur“ das Produkt unserer Kunden digitaler wird, wenn bspw. Software ein essenzieller Bestandteil von Fahrzeugen wird.

Mit welchen Methoden und Prozessen lassen sich „Quick Wins“ erzielen?

Theimer: Bringen Sie die potenziellen Nutzer der Quick Wins – also Ihre Fachexperten – mit Technologieexperten zusammen! Dazu gibt es eine Reihe von Workshop-Formaten, bspw. „Design Thinking“ oder „Partizipatives Produkt-Design“, mit denen sich schnell nutzerzentrierte Quick Wins erarbeiten lassen. Die 3 vielversprechendsten Ideen setzen Sie dann als „Minimum Viable Product (MVP)“ – ein möglichst minimal ausgestaltetes, aber überlebensfähiges Produkt – um. Das verhindert die beiden häufigsten Fehler, die uns immer wieder begegnen. Eine Lösung, die technologisch brillant ist, dem Anwender aber nichts nützt. Und eine Lösung mit vielen goldenen Henkeln, die aber nie fertig wird.

Was ist zu tun, um die Mitarbeiter für die großen Veränderungen im Rahmen der Digitalisierung zu motivieren?

Theimer: Veränderung ist immer schwierig. Niemand will verändert werden. Das wirksamste Mittel ist es, die Mitarbeiter früh mit an Bord zu nehmen und sie von Veränderten zu Gestaltern zu machen. Ein anderer Aspekt, den ich für sehr wichtig halte, ist es die Menschen wieder ins Lernen zu bringen. Damit meine ich nicht 4-tägige Frontalveranstaltungen, sondern neue, praxisorientierte Lernformate, wie z. B. Working Out Loud. Oft geht so mit der „technologischen“ Digitalisierung auch eine Veränderung des Zusammenarbeitsmodells einher und hierarchische Strukturen werden durch partizipative abgelöst. Hier müssen die Menschen wieder lernen mit Freiheit und Verantwortung umzugehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Bevor man einen Pilotprozess startet, sollte die Roadmap für das Gesamtunternehmen stehen.“

Entnommen aus: Servitization als Wettbewerbsfaktor - Chancen für Geschäftsmodelle und interne Prozesse


Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung