"Der War of Talents macht sich im Finanzbereich deutlich bemerkbar."
Wie schätzen Sie aktuell den Arbeitsmarkt für CFOs und Finanzfachkräfte ein?
Bernardin Generalao: Wir beobachten, dass viele mitten in ihrer Karriere den Job verlassen haben. Man spricht hier auch von "The Great Resignation". Viele Fachkräfte haben also plötzlich eine Erleuchtung bekommen und hinterfragen: Was möchte ich aus meinem Berufsleben machen? Kann ich mich mit dem Unternehmen identifizieren? Ist die Vision des Unternehmens für die Zukunft auch mit meinen Werten kompatibel?
Doch diese Jobausstiege befeuern auch erheblich den sog. "War of Talents". Unternehmen kämpfen um die besten Talente. Der War of Talents macht sich bereits im Finanzbereich deutlich bemerkbar. Wir analysieren regelmäßig den Arbeitsmarkt. Allein bei LinkedIn werden tausende Stellen ausgeschrieben. Fachkräfte sind also extrem gefragt, sowohl CFOs als auch andere Finanzfachkräfte. Besonders die Controller stechen hier hervor. Und aus meiner Beobachtung heraus steigt die Nachfrage immer mehr.
Nach welchen Fähigkeiten suchen Unternehmen in Stellenausschreibungen besonders häufig?
Mit Zahlen umgehen zu können ist ein Muss. CFOs und Controller müssen immer mehr analytische und strategische Fähigkeiten mitbringen. Sie werden als Unterstützer für Entscheidungen in Unternehmen gesucht. Sie benötigen deshalb Kenntnisse über das gesamte Unternehmen, also beispielsweise Strategie, Produkte/Dienstleistungen und das Wettbewerbsumfeld.
Finanzexpertise wird natürlich weiterhin benötigt. Die meisten Unternehmen heute sind datengetrieben.
Die Stärke eines CFOs liegt immer noch in den Daten. CFOs müssen die benötigten Informationen destillieren können."
Auch Controller werden zu höheren Aufgaben berufen. Der Finanzexperte von gestern wird zum Business Partner von heute und ist eine wichtige Stütze im Unternehmen in diesen Krisenzeiten.
Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich deutlich, dass mehr Stellenanzeigen ausgeschrieben werden für Controller und Management Accountants. Interessant ist dabei auch, dass Spezialisierungen sehr gerne gesehen werden. Wer also eine bestimmte Kompetenz in einer Sparte bereits mitbringt, hat hier erhebliche Vorteile. Ein MBA oder Master ist meist bereits vorgegeben. Unternehmen suchen also entweder nach Finanzfachkräften, die bereits exakt den Mehrwert mitbringen, die gewünscht wird, oder sie bilden die eigenen Mitarbeiter in diese Richtung aus.
Wie entwickelt sich der "War of Talents" bei Finanzfachkräften im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen? Wie können Unternehmen überzeugen?
Wie überzeugt man generell? Die Arbeitsbedingungen spielen natürlich eine große Rolle. In den vergangenen Monaten wurde das Thema "Employee experience" immer wichtiger.
Die Arbeitsbedingungen haben sich – allein pandemiebedingt - generell verändert."
Aber auch die Anforderungen an den Arbeitgeber haben sich gewandelt. Die Arbeit im Homeoffice war teilweise vorgeschrieben. Doch wie sieht das in Zukunft aus?
Hybridmodelle werden wohl zunehmen, denn eine ausschließlich virtuelle Arbeit wird es wohl auf Dauer in Unternehmen nicht geben. Es ist aber wohl auch keine Rückkehr zur reinen Präsenzarbeit denkbar. Daraus folgt, dass Unternehmen sich im Klaren darüber sein müssen, dass sich die Kultur zu den Arbeitsbedingungen ändern wird. Für Fachkräfte wird das ein wesentlicher Aspekt bei der Jobsuche.
Und die Gehaltsaussichten?
Generell werden sich die Gehaltsaussichten für Finanzfachkräfte wohl inflationsbedingt nicht enorm verändern. Aber beim "War of Talents" wird man natürlich auch, wenn eine Topfachkraft überzeugt werden soll, eine attraktive Vergütung bieten.
Das Interview führte Sylvia Meier, Diplom-Finanzwirtin (FH), freie Autorin und Redakteurin.
Über Bernardin Generalao:
Bernardin Generalao, seit 2018 bei IMA, verantwortet in seiner Funktion als Director, Regional Partner Relations die Aktivitäten des Institute of Management Accountants im deutschsprachigen Raum in Europa. Herr Generalao ist zuständig für die Entwicklung und Pflege von Geschäftsbeziehungen und Partnerschaften zu einem umfangreichen Netzwerk von Unternehmen, Universitäten, Kursanbietern, Fach- und Ortsverbänden in Zentraleuropa. Darüber hinaus ist er für die Förderung von Geschäftsmöglichkeiten und den kontinuierlichen Zuwachs der IMA-Mitgliedschaften und CMA-Kandidaten in Europa verantwortlich.
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