Kennzahlen zur internen Steuerung von Start-ups

Start-ups müssen sich frühzeitig mit relevanten Kennzahlen beschäftigen. Andreas Kunze, CEO eines Münchner Start-ups, erläutert im zweiten Teil dieser Interviewserie, wie das Kennzahlenreporting bei KONUX aussieht und welche Kriterien zur Kennzahlenauswahl ausschlaggebend sind.

Interwiewpartner und Unternehmen

Andreas Kunze ist CEO und Mitgründer des Start-ups KONUX in München.

KONUX ist ein Münchener IoT-Unternehmen, das durch smarte Sensoren in Verbindung mit künstlicher Intelligenz vorausschauende Instandhaltung ermöglicht. Mit der Lösung von KONUX überwachen Kunden durchgängig ihre Anlagen, erkennen frühzeitig Wartungsbedarf und optimieren ihre Betriebsabläufe. KONUX hat aktuell rund 40 Mitarbeiter, davon arbeiten derzeit ca. 35 Mitarbeiter im Engineering. Seit der Firmengründung im Jahr 2014 hat KONUX insgesamt 38 Mio. US-Dollar von Investoren erhalten.

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Gibt es bei KONUX ein Kennzahlenreporting und inwieweit fließt es in das klassische Reporting, sofern vorhanden, mit ein?

Andreas Kunze: Ja, das gibt es selbstverständlich. Wir berichten wöchentlich, monatlich und quartalsweise. Der Quartalsbericht umfasst alle relevanten Größen der GuV und der Bilanz und stellt ein ganz klassisches Kennzahlensystem dar. Entschließt man sich dazu, ein Unternehmen aufzubauen, das man vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt für Investoren öffnen oder sogar an die Börse bringen will, rate ich dazu, sich frühzeitig mit relevanten Kennzahlen zu beschäftigen, die als Basis zur anschließenden Evaluation herangezogen werden können. Denn dafür sind das Kennzahlensystem und alle Daten, die dort einfließen, entscheidend.

Nutzen Sie ein bestimmtes Kennzahlensystem, wie beispielsweise die Balanced Scorecard?

Andreas Kunze: Nein. Ich glaube, dass man durch Anwendung einzelner Kennzahlen schon viel erreichen kann.

Warum nutzen Sie kein Kennzahlensystem?

Andreas Kunze: Ein Kennzahlensystem muss so aufgebaut sein, dass es möglichst gut funktioniert und motiviert, aber nicht blockiert. Außerdem sollen möglichst viele Mitarbeiter möglichst einfach damit arbeiten können. Zudem dauert die Entwicklung und Etablierung eines Kennzahlensystems einfach eine gewisse Zeit. Wenn Sie mich in 2 Jahren noch einmal dazu fragen, dann gebe ich Ihnen vielleicht eine andere Antwort.

Wie viele Kennzahlen ermitteln Sie im Unternehmen ungefähr?

Andreas Kunze: Wir ermitteln rund 50 Kennzahlen, d. h. in jedem unserer Bereiche gibt es somit ca. 10 KPIs. Aus meiner Perspektive als CEO sind aber nur 2 bis 3 KPIs pro Bereich wirklich relevant. Allerdings liegt darunter jeweils auch wieder eine Ebene mit weiteren Kennzahlen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel zur Kennzahl "Verfügbarkeit des Systems": Was bedeutet Verfügbarkeit? Verfügbarkeit ist eigentlich das, was unserem Kunden gewährleistet wird. Dabei gibt es Verfügbarkeitslevel auf jedem einzelnen Technologie-Stack-Level. Auf der Hardware-Seite gibt es bspw. wieder Sub-Verfügbarkeitslevel. Also kann ich das Ganze nach oben zusammenführen oder nach unten herunterbrechen.

Sind Sie mit der Anzahl zufrieden? Sind es zu viele oder zu wenige?

Andreas Kunze: Die Anzahl der für mich wichtigsten Kennzahlen ist überschaubar, daher bin ich zufrieden. Wenn ich in unserem Team nicht Personen hätte, die ihre jeweiligen Kennzahlen im Detail besser verstehen als ich, dann hätte ich allerdings die falschen Mitarbeiter eingestellt.

Ihr Unternehmen ist noch relativ jung. Welche Kriterien zur Kennzahlenauswahl sind für Sie ausschlaggebend?

Andreas Kunze: Wir sind uns grundsätzlich bewusst, dass die Entwicklung eines Controllings verschiedene Phasen umfasst. Wie ich bereits beschrieben habe beginnt das Ganze sehr qualitativ: Am Anfang geht es eher darum, sein Produkt-Profil zu stärken, sein Team aufzustellen und die ersten Kunden zu gewinnen. Irgendwann steht jedoch das Geldverdienen im Vordergrund. Zu jedem Zeitpunkt gilt es jedoch, das wichtigste Ziel für den jeweiligen Betrachtungszeitraum zu definieren: Zu Beginn ist das die Liquidität, dann schwenkt der Fokus auf den Umsatz und zuletzt geht es um Profitabilität. Natürlich gibt es auch bei uns bereits einen 5-Jahres-Plan, aber de facto ist es entscheidend, Kernannahmen festzulegen, auf denen das Geschäft aufbaut. Aber wie viel davon weiß man bzw. glaubt man zu wissen? Es ist viel wert, diesen Glauben in Wissen zu transformieren. Und genau das spielt beim gesamten Zielsystem eine Rolle.

Wie messen Sie Digitalisierungsgrad und Innovation bei sich im Unternehmen, bzw. haben Sie hierfür geeignete Kennzahlen etabliert?

Andreas Kunze: Digitalisierung ist in diesem Sinne nicht messbar. Wenn wir den Anspruch haben, der Digital Player zu sein, dann muss alles, was wir tun von Grund auf digitalisiert oder digital sein. Innovationen messen wir aktuell u. a. anhand der Zahl unserer Patentanmeldungen.

Nutzen Sie eine Software im Rahmen der strategischen Unternehmenssteuerung, um Erfolge langfristig zu planen bzw. zu kontrollieren?

Andreas Kunze: Zur Messung der Zielerreichung unserer OKRs nutzen wir die Software von 7Geese. Damit können die abgeleiteten Kennzahlen bis zu jedem einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen werden. So kennt jeder Mitarbeiter seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Es gibt sicherlich noch andere Lösungen mit ähnlichem oder größerem Leistungsumfang, die sich für verschiedene Unternehmensgrößen eignen.

Findet ein Austausch mit anderen Start-ups oder etablierten Unternehmen über die Erfahrung mit einzelnen Kennzahlen statt?

Andreas Kunze: Selbstverständlich tauschen wir uns mit anderen Unternehmen aus. Allerdings übertreiben wir es nicht. Schließlich kann man heute vieles nachlesen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es ist transparent, wie Google seine KPIs bzw. sein Kennzahlensystem verändert hat. Heute ist ein Großteil dessen, was andere Unternehmen machen oder gemacht haben, öffentlich.

Das Interview führten:

Laura Schlecht, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Forschungsbereich Digitale Transformation am Strascheg Institute for Transformation, Innovation & Entrepreneurship (SITE) der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel.

Dr. Jan Christoph Munck, Forschungsdirektor Controlling & Innovation am SITE der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel.

Der Text ist ein Auszug aus dem aktuellen Controlling-Fachbuch "Die richtigen Kennzahlen optimal nutzen".


Schlagworte zum Thema:  Kennzahl, Startup, Digitalisierung