Wie Erfolg notwendige Veränderungen ausbremst
Die Media-Saturn Unternehmensgruppe, Europas größte Elektrohandelskette, durchlebte herausfordernde Zeiten. Lange Zeit war die Branche wenig Veränderung ausgesetzt. Auch als die ersten Online-Konkurrenten das bestehende Geschäftsmodell der stationären Händler unter Druck setzten, hielt man an der bewährten Strategie fest. Mehr Läden, größere Verkaufsflächen und ein größeres Produktangebot in den Regalen lautete die Devise. Spätestens im Jahr 2013 wurde jedoch deutlich, dass durch das Festhalten an der bisherigen Strategie der rechte Zeitpunkt für einen notwendigen Wandel verpasst wurde. So verlor das Unternehmen im Zeitraum 2010 bis 2013 rund 10 % des Umsatzes auf unveränderter Fläche während sich das Ergebnis (EBIT) sogar halbierte. Oliver Seidl, CFO und CIO der Media-Saturn Holding, erklärte, dass man wegen des andauernden Erfolges nicht bemerkt habe, dass sich Kundenanforderungen grundlegend verändert hatten. Auf die neue Welt und die neuen Kundenanforderungen war die Unternehmensgruppe nicht ausreichend vorbereitet.
Das Ruder umwerfen - Strategische Maßnahmen der Media-Saturn
Der notwendige strategische Wandel folgte in Form einer digitalen Multichannel-Offensive. Im Zuge dieser eröffneten Saturn und Media Markt eigene Online-Shops. Außerdem wurde eine Mehrheitsbeteiligung am reinen Online-Elektrohändler „Redcoon“ erworben. Als Ziel wurde erklärt, konsequent alle „Touchpoints“ mit dem Kunden zu besetzen. Die Präsenz müsse so gesteigert werden, dass der Kunde über jeden Verkaufskanal und zu jeder Zeit die Dienste der Media-Saturn in Anspruch nehmen könne, so Seidl. Trotz der digitalen Offensive sei der stationäre Handel weiterhin das Kernkonzept der Media-Saturn. Seidl betonte zudem, dass ein gleichzeitiger Ausbau des Online- und Offline-Handels sich keineswegs widersprächen, sondern sich vielmehr perfekt ergänzten. Als Beispiel dafür nannte er Online-Bestellungen, die im Handel abgeholt werden können. Von diesen würden auch die lokalen Händler profitieren, denen Marge und Umsatz der Online gekauften Produkte gutgeschrieben werden und durch ergänzende Produkt- und Servicekäufe den lokalen Händler zusätzlichen Umsatz bescheren.
Customer Centricity - Der Kunde gehört in den Mittelpunkt
Media-Saturn habe festgestellt, dass es nicht mehr genüge, in ihren Märkten Produkte zu günstigen Preisen zu vertreiben. Um den Kunden an sich zu binden, müsse diesem neben einem fairen Preis auch ein ansprechenderes Einkaufserlebnis kombiniert mit gutem Service geboten werden. Außerdem sei es notwendig, das Leistungsportfolio durch kostenpflichtige Dienstleistungen zu erweitern. Als Mission erklärt Seidl, langfristig der Partner und Navigator des Kunden in einer „manchmal auch verwirrenden digitalen Welt zu sein“. Man wolle sich weg vom „transaktionalen Massengeschäft“ hin zu einem besseren Kundenverständnis entwickeln, um so maßgeschneiderte Lösungen für verschiedene Märkte, Kunden und Verkaufskanäle anbieten zu können.
Klare Differenzierung der Marken aus Kundensicht
Die logische Konsequenz einer kundenorientierten Positionierung sei auch eine neue Kommunikation der Marken Media Markt und Saturn gewesen. Diese hat das Ziel, das preisorientierte „Geiz ist Geil“/“Ich bin doch nicht blöd“-Image der beiden Marken durch ein von Begeisterung an Technik geprägtes Bild zu ersetzen. Schließlich sei der Preis nicht mehr allein der Hauptdifferenzierungsfaktor, sondern der angebotene Service verbunden mit einer starken Präsenz. Ein wesentliches Ziel sei gewesen, die Beziehung zum Kunden zu emotionalisieren und so eine höhere Kundenbindung zu erreichen.
Maßnahmen zeigen Wirkung - Der Turnaround gelingt
Durch eine serviceorientierte Positionierung verbunden mit einer Multichannel-Strategie sei es Media-Saturn letztlich gelungen den Negativ-Trend zu stoppen und sowohl den Umsatz als auch das Ergebnis der Gruppe von 2013 bis 2015 signifikant zu steigern. Auch konnte der Umsatz auf unveränderter Fläche nach vier Jahren rückläufiger Entwicklung wieder gesteigert werden. Im Onlinegeschäft sei es Media-Saturn gelungen innerhalb von nur vier Jahren 1,8 Mrd. EUR zu erwirtschaften. Seidl bemerkte abschließend, dass es manchmal Herausforderungen brauche, um positive Veränderungen anzustoßen. Nach zwischenzeitlicher Krise sei Media-Saturn wieder auf einem guten Weg und wieder bereit, anzugreifen.