Schlanke und dynamische Steuerung bei Dräger mit einem Rolling Forecast


Beim Dräger-Konzern war das Steuerungssystem optimierungsfähig. Beim Redesign stand die Fokussierung auf strategische Zielsetzung, Forecast und Incentivierung oben auf der Agenda, was neben neuen Systemen auch Verhaltensänderungen erforderte. Dabei waren einige Probleme zu überwinden.

Das klassische Steuerungssystem: Viel Aufwand, geringer Nutzen!
Auf der Horváth & Partners Planungsfachkonferenz 2013 stellte Dr. Mark Blatt das vollständige Redesign der Unternehmensteuerung vor. Das alte Steuerungssystem von Dräger war durch hohen Aufwand und geringe Effektivität geprägt. Die wesentlichen Probleme entstanden insbesondere durch

  • das geringe Ambitionsniveau der Budgetierung, die eher den „Charakter einer Gehaltsverhandlung“ hatte,
  • den bekannten „Hockey-Stick-Effekt“ der Mittelfristplanung und
  • den eher politisch getriebenen Jahresendforecast mit geringer Genauigkeit, der größtenteils zur Bestätigung des Budgets diente und keinen wirklichen Steuerungsnutzen hatte.

Der neue Steuerungsansatz: „We burned the Budget!“
Resultierend aus den  oben genannten Problemstellungen wurde der bisherige jährliche Planungsprozess durch das Management verworfen und das Steuerungskonzept grundlegend überarbeitet. Die zukünftige Steuerung basiert dabei auf den folgenden, grundlegenden Erwartungen:

  • Wertorientierung und Wertschöpfung als Maxime,
  • stärkere Mittelfristorientierung,
  • weniger Schleifen und Verhandlungen,
  • bessere Qualität der Forecast- und Plandaten sowie
  • konstantes „nach vorne schauen“ für mehr Frühwarnung

Neue Steuerung fokussiert Zielsetzung, Forecast und Incentivierung'
Dabei ist zum Einen die Orientierung an einer wertorientierten Top-Steuerungskennzahl hervorzuheben. Zum anderen werden die Vertriebseinheiten an einer konsolidierten Marge mit standardisierten Kosten gemessen, um den Vertrieb auf externes Pricing und den Produktmix zu fokussieren. Die neue Steuerung basiert nach der Umstrukturierung auf den drei zentralen Komponenten strategische Zielsetzung, Forecast und Incentivierung (siehe Abbildung 1 in der Bilderserie). Basierend auf den strategischen Zielsetzungen des Unter-nehmens werden Ziele für das Management abgeleitet. Diese definieren Wertreiber für die Ziele, die über den Rolling Forecast gesteuert werden, der wiederum überprüft, wie die Zielerfüllung ausfällt und darauf aufbauend geeignete Gegenmaßnahmen abgeleitet werden.

Rolling Forecast: Verhaltensänderung als notwendige Voraussetzung
Für den Einsatz eines Rolling Forecasts musste zunächst eine Verhaltensänderung in der „Prognose“ erzielt werden - weg von der Bestätigung der Planung bzw. Budgets durch die Prognose hin zu einer Identifizierung von Ziel-Lücken. Das Verhalten des Top-Managements musste ebenfalls einem Wandel unterzogen werden. Statt einer „Bestrafung“ der Meldung negativer Abweichungen und wohlwollender Akzeptanz einer Übererfüllung am Jahresende sollte eine genaue Meldung von Abweichungen verbunden mit einer Incentivierung der Forecast-Genauigkeit erzielt werden. Dies bewirkt eine frühzeitige Rückmeldung von Abweichungen durch die Verantwortlichen anstatt einer möglichst langen Zurückhaltung von guten und schlechten Nachrichten. Erst dadurch werden die frühzeitige Identifikation von Abweichungen  und geeignete Gegenmaßnahmen im Rahmen der unterjährigen Steuerung ermöglicht.

Der neue Forecast wurde als teil-rollierender Ansatz umgesetzt (siehe Abbildung 2). Der Forecast-Prozess wurde dabei mit dem Planungsprozess harmonisiert und einheitliche Erfassungsmasken und Reports konzipiert und implementiert. Bei dem Detaillierungsgrad fokussiert man sich auf die zur Steuerung notwendigen Positionen, insbesondere auf GuV-Positionen nach verschiedenen Aufrissen (Region, Produkt, Segment, Funktion) und weitere Positionen, wie beispielsweise das Working Capital.

IT-Unterstützung von Planung und Forecast: Workflowsteuerung und Excel-basierte Templates
Zur Unterstützung der neu eingeführten Unternehmenssteuerung wurde SAP BPC als zukünftiges Planungs- und Forecast-Tool ausgewählt und in die neue IT-Architektur integriert. Wesentliche Eigenschaften stellen hierbei die Workflowunterstützung sowie Excel-basierte Erfassungsmasken und Reports dar. Neben den Vorteilen der gelungenen Prozesssteuerung einhergehend mit einer Verkürzung der Prozessdurchlaufzeit und der Schaffung von Akzeptanz des neuen Ansatzes durch das Tool im Unternehmen nennt Dr. Blatt auch Probleme, von denen Dräger bei der Implementierung betroffen war. Hierbei hebt er die Notwendigkeit von spezifischem Kompetenzaufbau, Performance-Schwierigkeiten und den aufwändigen Migrationsprozess auf eine neuere Version hervor.

Lessons Learned: Mut zum vollständigen Redesign
Laut Dr. Blatt führte gerade das vollständige Redesign der Unternehmenssteuerung zu einer gestiegenen Zufriedenheit der Organisation, welche mittels einer geeigneten IT-Lösung im Unternehmen verankert wurde. Hierbei hebt er jedoch den „Preis“, den man für jede IT-Lösung zahlen muss und die Berücksichtigung der fachlichen Ressourcen und IT-Ressourcen als kritische Faktoren hervor. Seiner Meinung nach stellen schlanke Prozesse und Strukturen einen wesentlichen Faktor für die Reaktion auf die gestiegene Unsicherheit dar. Zusammenfassend stellt die derzeit implementierte Unternehmenssteuerung einen wichtigen Schritt in die Zukunft für Dräger dar und ist bereits in der Organisation akzeptiert. Weiterentwicklungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Optimierung des bestehenden Datenmodells, die stärkere Integration weiterer Prozesse in SAP BPC sowie die verstärkte Integration der Maßnahmensteuerung.

Der Referent
Dr. Mark Blatt leitet seit 2012 das Group Controlling des Dräger Konzerns. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Finanzplanung, das Reporting sowie die Kostenrechnung. Darüber hinaus ist er für die Umsetzung strategischer Projekte im Finanzbereich verantwortlich. Seit seinem Eintritt in den Dräger-Konzern im Jahr 1998 Dr. Blatt eine Reihe leitender Positionen im Bereich Finance & Controlling durchlaufen, zuletzt als Head of Controlling der Sparte Medizintechnik.

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