Strategische Personalplanung ist Teil der neuen Controlling-Agenda
Drastischer Experten- und Mitarbeitermangel auch im Controlling
Meine letzte Kolumne zum Thema Inflation habe ich mit dem Hinweis beendet, dass wir einen "Inflationstreiber" nicht unberücksichtigt lassen sollten, und zwar den Fachkräftemangel. Die letzten Tage und Wochen häuften sich diesbezüglich die Horrornachrichten aus verschiedenen Branchen. Oftmals fehlen Auszubildende in beträchtlichem Ausmaß oder Stellen für Fachkräfte im Rechnungswesen und Controlling sind kaum oder nur höheren Gehältern zu besetzten. Es gibt zu wenig Berufseinsteiger aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge, während immer mehr "Baby Boomer" in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden. Im Ergebnis wird, ohne Einwanderung von Fachkräften und Experten aus dem Ausland, die Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland abnehmen. Das wird auch die Finanzfunktionen in den Unternehmen extrem treffen.
Speziell im Controlling scheint aktuell schon der Bedarf nach Expertinnen und Experten deutlich höher als das Angebot an Fachkräften. Eine Auswertung von Stellenanzeigen der Personalberatung Hays hat für das 1. Quartal 2022 sogar eine um 58 % erhöhte Nachfrage im Vergleich zum 1. Quartal 2021 festgestellt. Statt 25-50 Bewerbungen je Controller-Stelle noch vor wenigen Jahren, schätzen sich Personalabteilungen heute glücklich, wenn sich 3-5 für die Stelle qualifizierte Kandidaten bewerben.
Auch meine eigene Erfahrung zeigt, dass der Markt immer mehr zum Nachfragemarkt wird und sich zugunsten der heißbegehrten Fachkräfte entwickelt. So vergeht kaum ein Tag, an dem mich nicht ein Manager oder eine Leiterin Controlling auf aktuelle Stellenausschreibungen aufmerksam macht oder nachfragt, ob jemand aus meinem Studierendenkreis für eine aktuelle Controlling-Stelle interessant wäre.
Zu dem Mangel an Fachkräften kommen noch ganz neue Anforderungen an viele Fachkräfte hinzu. So sind immer wieder neue Kompetenzen gefragt, um die Digitalisierung im Controlling erfolgreich zu bewältigen. Zu dem enormen Engpass von qualifizierten Mitarbeitern kommt demzufolge ein sehr dynamischer Skill-Wandel.
Lösungsansatz: Strategische Personalplanung
Doch was kann die Lösung sein? Die Unternehmen müssen sich (wieder) sehr viel mehr auf die Strategische Personalplanung (SPP) konzentrieren. Diese umfasst einen vierstufigen Regelkreis. Er besteht aus
- der Personalbestandsplanung (Fortschreibung des Ist-Zustands),
- der Personalbedarfsplanung (Ermittlung des Soll-Zustands),
- der Abweichungsanalyse Soll gegen Ist sowie
- der Einleitung von Maßnahmen, z. B. zur Personalentwicklung, -beschaffung oder -freisetzung.
Eine aktuelle Studie der Frankfurt School bestätigt, wie wichtig eine SPP für das Personalmanagement der Unternehmen ist. Ist eine solche vorhanden, dann können die Unternehmen in der Regel Kapazitäts- und Fähigkeitslücken besser prognostizieren sowie die Effektivität ihrer Talentmanagementmaßnahmen besser beurteilen. Dies versetzt diese Unternehmen in die Lage, rechtzeitig anzuwerben, vorhandene Mitarbeiter optimal zu qualifizieren (und damit auch zu halten!) oder im Worst Case auch freizusetzen.
Unsere Studie zeigt auch drei wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche SPP auf:
- So sollte das Top-Management die SPP vollumfänglich unterstützen und sich aktiv einbringen. Idealerweise erfolgt auch eine organisatorische Verankerung des SPP-Prozesses an der CEO-Position, um den transformierenden Charakter zu unterstützen.
- Zweitens ist der Aufbau und die Nutzung einer Skill-Datenbank zu empfehlen. Hier werden vorhandene Fähigkeiten der Mitarbeiter erfasst und mit den Anforderungen der jeweiligen Stelle abgeglichen. So lassen sich "Skill-Gaps" identifizieren und entsprechende Qualifizierungsprogramme initiieren.
- Drittens ist auch die Einbindung der SPP in bestehende Controllingsysteme von Vorteil. Dies kann durch einen effektiven SPP-Planungsprozess, ein Planungsmanagement sowie geeignete Steuerungskennzahlen erfolgen, um z. B. Kapazitäts- und Skill-Lücken zu erkennen und transparent zu machen.
Das Controlling als Treiber einer erfolgreichen SPP
Was bedeutet das für das Controlling selbst? Durch die Einbindung in die SPP kann das Controlling auch etwas für die Personalentwicklung und das Personalmanagement im eigenen Bereich tun. Was dem Unternehmen nützt, nutzt auch dem Fachbereich selbst. So sollte man als unbequemer Mahner und Fragesteller auftreten, wenn man das Gefühl hat, dass die SPP quasi nicht oder nur rudimentär existiert. Unsere Studie hat gezeigt, welche 4 Probleme (immerhin bei ca. 40 % der teilnehmenden Unternehmen identifiziert) die erfolgreiche Implementierung einer SPP behindern:
- eine schlechte Datenqualität,
- eine fehlende Methodik zur Durchführung der SPP,
- das Fehlen von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten sowie
- fehlende Unterstützung aus den anderen Unternehmensbereichen.
An diesen Problemen, aber auch an den beschriebenen Erfolgsfaktoren, kann das Controlling in Abstimmung mit den HR-Experten sowie der Unternehmensführung ansetzen, um im Unternehmen eine erfolgreiche SPP zu implementieren bzw. als Treiber für die Weiterwicklung agieren. Das wird sich im Ergebnis für diese Unternehmen und eben auch den Controllerbereich selbst lohnen!
Dieser Artikel erschien erstmalig im Controller Magazin 1/2023.
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