Wie halten es deutsche Controller mit der Ethik?


Deutsche Unternehmen setzen vermehrt finanzielle Anreize zur Steigerung der Performance.  Das WHU Controller-Panel führte dazu im Frühjahr 2011 eine Befragung durch. Die Ergebnisse stellte Jun.-Prof. Dr. Matthias Mahlendorf in seinem Vortrag „Controlling & Ethisches Verhalten“ vor.

Das Ziel der Befragung bestand darin, Daten über die Bereitschaft der Panel-Teilnehmer, im Sinne des Unternehmens unethisch bzw. wider sozial erwünschtes und akzeptiertes Verhalten zu handeln, zu erheben. Das Ergebnis war, dass die Mehrzahl aller Antwortenden das sogenannte pro-organisationale, unethische Verhalten ablehnt. Während die Ablehnung bei weichen Themen wie „Negative Informationen zurückhalten“ von der Hälfte aller Befragten geteilt wurde, waren über 70 % der Befragten klar dagegen,

  • „die Wahrheit zu verdrehen“,
  • „gerechtfertigte Erstattungen nicht an Kunden zurückzugeben“ und
  • „Informationen zu verschleiern“.

Boni auf Basis von Finanzzielen verderben den Charakter

Die Studie wies einen starken positiven Zusammenhang zwischen pro-organisationalem, unethischem Verhalten und Boni, die an finanzielle Ziele gekoppelt sind, aus. Sofern der Bonus an nicht-finanzielle und subjektive Bewertungen geknüpft war, wurde keine Tendenz zu pro-organisationalem, unethischem Verhalten gemessen. Als ein Treiber für das beschriebene unethische Verhaltensmuster wurde das persönliche Karriereinteresse identifiziert. Danach neigt eine Person mit starken Karriereambitionen eher dazu, im Sinne des Unternehmens zu handeln, auch wenn sich dieses Handeln an der Grenze zu unethischem Verhalten bewegt, um die eigene Karriere nicht zu gefährden oder weiterzuentwickeln.

ICV-Mitglieder und Konzern-Controller handeln überproportional ethisch

Der Umstand, dass Mitglieder des Internationalen Controller Vereins (ICV) relativ weniger unethisches Verhalten billigen bzw. selbst pro-organisational, unethisch handeln, sorgte für ein Schmunzeln unter den Zuhörern. Als überraschend empfunden wurde das Studienergebnis, dass Mitarbeiter börsennotierter Unternehmen weniger anfällig für unethisches Verhalten zum Vorteil der Organisation sind als Mittelständler. Als mögliche Erklärung wurde angeführt, dass börsennotierte Unternehmen strengeren Regelwerken unterliegen als Mittelständler und ihnen so weniger Handlungsspielraum bleibt.

Inspiriert durch die Ergebnisse der Studie von Burgstahler und Dichev (Burgstahler, D., and I. Dichev (1997): Earnings management to avoid earnings decreases and losses, Journal of Accounting and Economics 24, S. 99-126.) zum Earnings Management, in der der Gewinn eines Unternehmens in Prozent seines Marktwerts betrachtet wird, wurden die Angaben der Panel-Mitglieder zu Gewinnen und Gewinn-Zielen von 2010 und 2011 grafisch dargestellt (S. Abb. 1 in der Bilderserie). Generell ist die erwartete Normalverteilung beobachtbar. Diese wird jedoch um den Nullpunkt herum unscharf, da relativ mehr Unternehmen sich knapp oberhalb des Nullpunktes ansiedeln. Eine ähnliche Tendenz wurde auch bei der Studie von Burgstahler und Dichev gemessen. Der im Panel beobachtete Umstand könnte laut Jun.-Prof. Dr. Matthias D. Mahlendorf ein Indikator dafür sein, dass die Daten um den Ursprung gegebenenfalls geschönt sein können, bzw. die Realität unzureichend widerspiegeln.

„Was ist ethisches Verhalten?“ im Fokus der Diskussion

Die an den Vortrag anschließende Diskussion wurde primär von der Frage nach einer Definition von „ethischem Verhalten“ dominiert. Diskutiert wurden im Wesentlichen zwei Fälle:

  • Unethisches Verhalten, das in der Person des Befragten zugrunde liegen kann,
  • Unethisches Verhalten, das darauf ausgerichtet sein kann, sich für das eigene Unternehmen (un-) ethisch einzusetzen. 

Prof. Mahlendorf erläuterte, dass diese Differenzierung in der Frühjahrsstudie 2011 nicht erfolgte, da sie nicht dem Fokus der Befragung entsprach, durchaus aber Gegenstand künftiger Studien sein könnte.

Weiterer Angelpunkt der Diskussion war die Frage nach sozial erwünschtem Antwortverhalten der Befragten. In der Frühjahrsstudie wurden die Antwortenden angehalten, ihre eigene Einschätzung zu den gestellten Fragen zu geben. Möglichen Verzerrungen, bedingt durch die Tendenz, im Sinne sozial erwünschten Verhaltens zu antworten, wurde anhand von Kontrollfragen in einer anderen Studie des WHU Controller-Panels Sorge getragen.

Matthias Mahlendorf schloss seinen Vortrag mit dem Fazit, dass die vorliegenden Studienergebnisse als guter Ausgangspunkt für weitere Differenzierungen gesehen werden können.

Die Autorin: Melanie Schneider, Institut für Management und Controlling (IMC) an der WHU – Otto Beisheim School of Management

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