Leitsatz
1. Verluste aus typisch stillen Beteiligungen, die im Betriebsvermögen gehalten werden, sind phasengleich zu berücksichtigen.
2. Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 1 EStG 2002, nach der die Verlustverwertungsbeschränkungen nach § 15 Abs. 4 Satz 6, § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG bereits ab dem VZ 2003 anzuwenden sind, ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Regelungen bei vor dem 21.11.2002 geschlossenen stillen Gesellschaftsverträgen dem Ausgleich des Verlusts aus der Beteiligung nicht entgegenstehen, der auf das erste nach Verkündung des StVergAbG am 20.5.2003 im Jahr 2003 abgelaufene Wirtschaftsjahr, also auf das Wirtschaftsjahr 2003 oder das Wirtschaftsjahr 2002/03, entfällt (Anschluss an Senatsbeschluss vom 15.2.2012, I B 7/11, BFH/NV 2012, 879).
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH mit einem zum 30.6. endenden Wirtschaftsjahr. Sie gründete im Februar 2002 zusammen mit einer weiteren Person (B) eine AG, an deren Grundkapital sie selbst und B zu je 50 % beteiligt waren. Zweck der AG war die Vermarktung von Produkten der Klägerin.
Ebenfalls im Februar 2002 beteiligte sich die Klägerin mit einer Einlage von 300.000 EUR als stille Gesellschafterin am Unternehmen der AG. Sie sollte an deren Gewinn mit 30 % teilnehmen, wobei ihre Gewinnbeteiligung auf 50 % der Einlage begrenzt war. Am Verlust der AG nahm sie in vollem Umfang, jedoch auf die Einlage beschränkt, teil. Die Einlage wurde in der Folge auf Anforderung in Teilbeträgen eingezahlt.
Die AG, die ebenfalls ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte, erzielte in ihrem zum 30.6.2002 endenden Wirtschaftsjahr einen Verlust. Daraus resultierte für die Klägerin ein Verlustanteil i.H.v. 95.000 EUR. Im Folgejahr leistete die Klägerin weitere Einlagen in Höhe von 195.500 EUR, die sie wegen erneuter Verluste der AG auf null abschrieb. Im Jahr 2004 hat sie ihren Anteil an der AG veräußert und auf ihre Rechte als stille Gesellschafterin verzichtet.
Das FA berücksichtigte einen Verlust der Klägerin aus der stillen Beteiligung nicht. Die dagegen gerichtete Klage hat das FG abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.6.2008, 6 K 406/04, Haufe-Index 2121464, DStRE 2009, 404).
Entscheidung
Um das BMF in den Entscheidungsprozess einzubinden, wird dieses vom BFH durch den Beschluss vom 20.10.2010, I R 62/08 (BFH/NV 2011, 352, BFH/PR 2011, 82, BStBl II 2011, 272) vor einer endgültigen Entscheidung zunächst aufgefordert, gem. § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Revisionsverfahren beizutreten und zu den im Leitsatz und in den Praxis-Hinweisen genannten Fragen Stellung zu nehmen. Das war geschehen; das BMF war dem Verfahren beigetreten.
Allerdings konnte der BFH die in dem Beitrittsaufforderungsbeschluss aufgelisteten Rechtsfragen in seiner Entscheidung weitgehend unbeantwortet belassen, weil vermittels einer verfassungskonformen Auslegung die Neuregelung für das Streitjahr 2003 schlicht unangewandt blieb. Der Klägerin sei entsprechender Vertrauensschutz zu gewähren.
Hinweis
Die Grundlagen und die einschlägigen Rechtsfragen, die diese Entscheidung des BFH "ausmachen", sind dem Leser dieser Zeitschrift bereits aus den Praxis-Hinweisen in BFH/PR 2011, 82 zu dem vorangegangenen Beitrittsaufforderungsbeschluss des BFH an das BMF vom 20.10.2010, I R 62/08 (BFH/NV 2011, 352, BStBl II 2011, 272) gut bekannt. Sie seien hier im Groben wiederholt:
1. Nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 und 7 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG sind u.a. Verluste aus stillen Gesellschaften, bei denen der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft und als Mitunternehmer anzusehen ist, unter den Voraussetzungen des § 10d EStG nur mit Gewinnen verrechenbar, die der Gesellschafter in dem unmittelbar vorangegangenen VZ oder in den folgenden VZ aus derselben Innengesellschaft bezieht.
Dasselbe gilt sinngemäß für Verluste, die eine nicht als Mitunternehmerin anzusehende Kapitalgesellschaft aus einer stillen Gesellschaft erzielt; § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG.
Die genannten Regelungen schließen in ihrem Anwendungsbereich einen sofortigen Verlustabzug aus.
2. Das ist die Regelungslage "auf dem Papier". Die daraus abzuleitenden Konsequenzen sind indes höchst ungewiss.
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Das betrifft zunächst einmal die Frage, ob nur laufende Verluste"abgesperrt" sind oder ob sich das auch auf Substanzverluste bezieht, welche ihren Ausdruck in einer Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG finden. Manches deutete darauf hin, dass das Letztere richtig ist, und das scheint sich auch mit der Verwaltungsmeinung zu decken (BMF, Schreiben vom 19.11.2008, BStBl I 2008, 970, Rz. 3). Sicher war das Ergebnis aber nicht, liefe die Regelung doch bezogen auf stille Beteiligungen dann weitgehend leer. Der BFH hat sich nunmehr dazu bekannt, dass die Verluste aus typisch stillen Beteiligungen, die im Betriebsvermögen gehalten werden, samt und sonders und stets phasengleich im betreffenden Wirtschaftsjahr zu berücksichti... |