Leitsatz

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Ausschluss des Ausgleichs von Verlusten aus stillen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gem. § 15 Abs. 4 Satz 6, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StVergAbG insoweit mit dem GG vereinbar ist, als er sich ohne Einschränkung auch auf Verluste bezieht, die auf vor dem Jahr 2003 begründeten Verpflichtungen beruhen.

2. Ist die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts ernstlich zweifelhaft und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre, so ist die Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe nicht überwiegen.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 4 Satz 6 EStG , § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine GmbH mit einem zum 30.6. endenden Wirtschaftsjahr. Sie gründete im Februar 2002 zusammen mit einer weiteren Person (B) eine AG, die X-AG, an deren Grundkapital sie selbst und B zu jeweils 50 % beteiligt waren.

Ebenfalls im Februar 2002 beteiligte sich die Antragstellerin mit einer Einlage von 300.000 Euro als stille Gesellschafterin am Unternehmen der X-AG. Sie sollte am Gewinn der X-AG mit 30 % teilnehmen, wobei ihre Gewinnbeteiligung auf 50% der Einlage begrenzt war. Am Verlust der X-AG nahm sie in vollem Umfang, jedoch auf die Einlage beschränkt teil. Die Einlage wurde in der Folge auf Anforderung in Teilbeträgen eingezahlt.

Die X-AG, die ebenfalls ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte, erzielte in ihrem zum 30.6.2002 endenden Wirtschaftsjahr einen Verlust. Daraus resultierte für die Antragstellerin ein Verlustanteil i.H.v. 95.000 Euro. Sie leistete im Folgejahr weitere Einlagen i.H.v. 195.000 Euro und schrieb diese wegen erneuter Verluste der X-AG auf null ab. Im Jahr 2004 hat die Antragstellerin ihren Anteil an der X-AG veräußert und auf ihre Rechte als stille Gesellschafterin verzichtet.

Das FA erließ für das Streitjahr (2003) Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag, in denen es den Verlust der Antragstellerin aus der stillen Beteiligung nicht berücksichtigte.

Die Antragstellerin legte gegen diese Bescheide Einsprüche ein und beantragte AdV. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Das FG setzte die Vollziehung der angefochtenen Bescheide anschließend gegen Sicherheitsleistung aus (EFG 2005, 140).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG in der Sache aus den in den Praxis-Hinweisen wiedergegebenen Gründen. Allerdings sah er keine Notwendigkeit, der Antragstellerin eine Sicherheitsleistung abzuverlangen. Das, was dazu zu sagen ist, ergibt sich in abschließender Weise aus dem 2. Leitsatz.

 

Hinweis

1. Der aus einer stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft resultierende Verlust gehört unabhängig davon, ob dadurch eine Mitunternehmerstellung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vermittelt wird ("atypisch" stille Beteiligung) oder nicht, gem. § 8 Abs. 1 KStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Seine steuermindernde Berücksichtigung wird jedoch durch § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG – ggf. i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG – ausgeschlossen. Denn nach diesen Vorschriften sind u.a. Verluste aus stillen Gesellschaften an Kapitalgesellschaften nur mit späteren Gewinnen des Gesellschafters aus derselben Innengesellschaft verrechenbar, wenn der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist.

2.§ 15 Abs. 4 Satz 6 und § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind durch das StVergAbG vom 16.5.2003 (BStBl I 2003, 321) in das Gesetz eingefügt worden. Sie sind erstmals für den Vz 2003 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StVergAbG). Der BFH hält es bei summarischer Betrachtung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft, ob diese Anwendungsregelung mit dem GG uneingeschränkt insoweit vereinbar ist, als sie auch Alt-Verluste einbezieht:

Zwar wirke die Versagung der Verluste ab 2003 nicht "wirklich" zurück. Streng genommen handele es sich (nur) eine sog. unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und der höchstrichterlichen Fachgerichte verfassungsrechtlich weitgehend "unverdächtig" sein soll.

Allerdings hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (BVerfGE 97, 67) den verfassungsrechtlichen Schutz von Dispositionen der Bürger und Unternehmen deutlich stärker betont. Das ist zwar im Zusammenhang mit einer sog. Verschonungssubvention (konkret: Sonderabschreibungen für Handelsschiffe) geschehen, welche der Steuerpflichtige nur während des jeweiligen Veranlagungszeitraums annehmen kann. Die vom BVerfG vorgenommene Einschränkung betrifft also steuerliche Lenkungsvorschriften mit von vornherein begrenzter Geltungsdauer. Es ist durchaus fraglich, ob selbiges auch für "klassisches" Eingriffsrecht gilt.

Der IX. Senat des BFH hat diese Gedanken des BVerfG jedoch "weitergesponnen" und auf andere steuerbegründende oder -erhöhende Gesetzesänd...

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