Leitsatz
1. Auch wenn mehrere Steuerpflichtige die Voraussetzungen für den Abzug des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erfüllen, kann wegen desselben Kindes für denselben Monat nur einer der Berechtigten den Entlastungsbetrag abziehen.
2. Ist ein Kind annähernd gleichwertig in die beiden Haushalte seiner alleinstehenden Eltern aufgenommen, können die Eltern – unabhängig davon, an welchen Berechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird – untereinander bestimmen, wem der Entlastungsbetrag zustehen soll, es sei denn, einer der Berechtigten hat bei seiner Veranlagung oder durch Vorlage einer LSt-Karte mit der Steuerklasse II bei seinem Arbeitgeber (§ 38b S. 2 Nr. 2 EStG) den Entlastungsbetrag bereits in Anspruch genommen.
3. Treffen die Eltern keine Bestimmung über die Zuordnung des Entlastungsbetrags, steht er demjenigen zu, an den das Kindergeld ausgezahlt wird.
Normenkette
§ 24b, § 64 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hat mit seiner in derselben Stadt lebenden geschiedenen Ehefrau eine im Streitjahr 2005 neun Jahre alte Tochter, die bei beiden Elternteilen gemeldet ist und nach einem festen Wocherhythmus abwechselnd je zur Hälfte in beiden Haushalten lebt. Beide Elternteile sind alleinstehend.
Da das Kindergeld im Einvernehmen mit dem Kläger an die Mutter gezahlt wird, verweigerte das FA ihm den Entlastungsbetrag. Die Klage blieb ohne Erfolg; das FG ging davon aus, dass der Entlastungsbetrag zwangsläufig dem Kindergeld folge (FG Köln, Urteil vom 14.08.2008, 15 K 1468/07, Haufe-Index 2092854, EFG 2008, 1796).
Entscheidung
Der BFH sah dies anders und verwies den Rechtsstreit zurück, damit festgestellt werden kann, ob der Kläger und seine geschiedene Ehefrau ihn als denjenigen bestimmt haben, dem der Entlastungsbetrag für das Streitjahr gewährt werden soll.
Hinweis
1. Gehört ein Kind tatsächlich zu zwei Haushalten oder ist es in zwei Haushalten von alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet (§ 24b Abs. 1 S. 2 EStG), denen Kindergeld oder ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zusteht, kann eine Anspruchskonkurrenz bestehen.
2. Der Entlastungsbetrag darf wegen desselben Kindes für einen bestimmten Monat (§ 24b Abs. 3 EStG)nur einem Berechtigten gewährt werden, ein Kind kann nicht zwei Entlastungsbeträge auslösen. Auch die Aufteilung zwischen mehreren Anspruchsberechtigten istausgeschlossen, da § 24b EStG im Gegensatz zu zahlreichen anderen Vorschriften (z.B. § 26a Abs. 2, § 32 Abs. 6, § 33a Abs. 1 S. 6, § 33a Abs. 2 S. 5 und 6, § 33b Abs. 5 S. 2 und 3, § 33b Abs. 6 S. 6 EStG) keine Aufteilungsregelung enthält.
3. Hält sich das Kind überwiegend in einem der Haushalte auf und hat es dort seinen Lebensmittelpunkt, so ist es i.S.d. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG in den Haushalt dieses Elternteils aufgenommen. Diesem Elternteil steht daher das Kindergeld und nach § 24b Abs. 1 S. 3 EStG dann auch der Entlastungsbetrag zu.
4. Gesetzlich nicht geregelt und Gegenstand der Entscheidung ist die Zuordnung des Entlastungsbetrags bei annähernd gleicher Aufnahme des Kindes in die Haushalte beider Eltern. Die Eltern können in diesem Fall bestimmen, wer von ihnen das Kindergeld erhalten soll (BFH, Urteil vom 23.03.2005, III R 91/03, BFH/NV 2005, 1186, BFH/PR 2005, 286). Der Entlastungsbetrag ist aber nicht notwendig demjenigen zu gewähren, an den das Kindergeld gezahlt wird – die Besprechungsentscheidung gewährt insofern eigenständiges, von der Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten unabhängiges Bestimmungsrecht der Eltern. Dieses kann auch nach dem Ende des Kalenderjahrs ausgeübt werden.
5. Treffen die Berechtigten hinsichtlich des Entlastungsbetrags keine einvernehmliche Bestimmung, weil sie dies schlicht unterlassen oder dazu nicht imstande sind, dann erhält derjenige den Entlastungsbetrag, an den das Kindergeld gezahlt wird.
6. Das Bestimmungsrecht endet, sobald einer der Berechtigten bei seiner ESt-Veranlagung oder durch Vorlage einer LSt-Karte mit der Steuerklasse II bei seinem Arbeitgeber (§ 38b S. 2 Nr. 2 EStG) den Entlastungsbetrag in Anspruch nimmt.
7. Das vom BFH geschaffene Wahlrecht ermöglicht nicht zusammenlebenden, aber kooperierenden Eltern, Kindergeld und Entlastungsbetrag jeweils interessengerecht zuzuordnen. Für streitbare Eltern kompliziert sich dagegen durch die Ablehnung einer automatischen Bindung des Entlastungsbetrags an das Kindergeld die Zivilrechtslage; es werden neue "Kriegsschauplätze" eröffnet (z.B. Klage auf Zustimmung zur Bestimmung eines Elternteils, pflichtwidrige Verhinderung des Bestimmungsrechts). Diese Fälle dürften aber selten sein, da eine gleichmäßige Haushaltsaufnahme des Kindes ohne Zusammenarbeit der Eltern kaum denkbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.04.2010 – III R 79/08