Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung bei der Abgrenzung von Leistungen
Leitsatz (NV)
Die Entscheidung des FG, daß ein Flugsportverein an Flugschüler selbständige Leistungen durch Schleppen, durch die Überlassung von Fluggerät und durch Leistungen für das Starten und Landen erbracht hat, beruht auf Schlußfolgerungen tatsächlicher Art. An diese Schlußfolgerungen ist das Revisionsgericht gebunden, sofern keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3, § 118 Abs. 2; UStG 1980/1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Luftsportverein, der eine Flugschule für Motorsegler und Segelflugzeuge unterhält, Flugzeuge verchartert, Flugbenzin verkauft, Hallenplätze für Flugzeuge vermietet und eine Landebahn zur Verfügung stellt. Die Flugschüler, die dem Verein angehören, entrichten -- wie andere Vereinsmitglieder -- im Rahmen des praktischen Unterrichts die vom Kläger festgelegten Schlepp-, Flug- und Landegebühren.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Leistungen des Klägers durch Flugunterricht einheitlich als im Rahmen eines Zweckbetriebes "Flugschule" erbrachte nach § 4 Nr. 22 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980/1991 steuerfreie Leistungen. Dem entsprechend kürzte er geltend gemachte Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungen für den Flugbetrieb, für die Lieferung von Flugzeugen und für die Herstellung der Landebahn und der Gebäude.
Die gegen die Steuerfestsetzungen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte für die Jahre 1989, 1990 und 1991 Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Erteilung von Flugunterricht, die Überlassung von Flugzeugen, der Landebahn und die übrigen Leistungen gegenüber den Flugschülern seien nicht als einheitliche Unterrichtsleistung, sondern jeweils als selbständige Leistungen ausgeführt worden. Daß die praktische Ausbildung für den Flugunterricht nicht ohne die Inanspruchnahme einer Landebahn oder eines Flugzeugs durchführbar sei, trete bei der Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliege, im Streitfall zurück. Die angemeldeten zehn (1989), neun (1990) und drei (1991) Flugschüler strebten, wie das FG durch Zahlenwerk darlegte, keine zügige Ausbildung zum Erwerb des Luftfahrerscheins, sondern eine nach eigenem Belieben bemessene über Jahre dauernde Ausbildung an, über die sie die hohen Kosten verteilen konnten. Der Kläger habe keine zusammenhängende Ausbildung angeboten, und die Flugschüler seien nicht verpflichtet gewesen, regelmäßig Flugstunden zu nehmen. 1989 seien vier Luftfahrerscheine, 1990 sei ein und 1991 kein Luftfahrerschein erworben worden. Einzelne Flugschüler seien gar nicht am Erwerb des Luftfahrerscheins interessiert gewesen, weil sie als Flugschüler selbständig fliegen durften, wenn sie vom Boden aus geführt wurden. Gegenüber Schulungskursen mit festen Unterrichtsstunden habe zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Flugschüler nur eine sehr "lockere Bindung" bestanden. Es hätten auch nicht alle Flugschüler einen Luftfahrerschein erwerben wollen. Dadurch habe das Bereithalten der Einrichtungen des Klägers, die dem jewei ligen Flugschüler ebenso wie einem ausgebildeten Piloten zur Verfügung gestanden hätten, eine eigenstä ndige Bedeutung gewonnen. Die durch Schlepp-, Flug- und Landegebühren abgegoltenen Leistungen seien steuerpflichtig, und der Vorsteuer abzug aus Rechnungen für insoweit bezogene Leistungen sei berechtigt.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht das FA u. a. geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung, wegen Abweichung von Entscheidungen des BFH und wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.
Der Kläger ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das FA hat keine Zulassungsgründe in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) dargelegt bzw. bezeichnet. Insoweit begrenzen die Ausführungen des FA während der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO) den Prüfungsstoff für den BFH (vgl. BFH-Beschluß vom 19. September 1990 V B 32/89, BFH/NV 1991, 330).
1. Soweit das FA "höchst vorsorglich" die Zulassung der Revision auch wegen grundsätzlicher Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO deswegen erstrebt, weil die Frage noch nicht höchstrichterlich beantwortet sei, ob die von Flugschülern gezahlten Schlepp-, Flug- und Landegebühren, die diese an einen steuerbegünstigten Flugsportverein im Rahmen eines Ausbildungsvertrages für Flugstunden unter Aufsicht eines Fluglehrers entrichten, gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 steuerfrei seien, entspricht seine Beschwerde nicht den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechts sache.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache fordert § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte -- abstrakte -- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbare Rechtsfrage herausstellt und deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dartut (vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Der Steuer-Eildienst 1996, 410). Dazu muß erläutert werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Beantwortung der nicht nur an den Besonderheiten der Streitsache orientierten Rechtsfrage hat.
Im Streitfall hat das FA nicht dargelegt, weshalb die hervorgehobene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar ist. Erwägungen dazu hätten ergeben, daß das Revisionsgericht an die festgestellten Tatsachen und die aus ihnen abgelei teten Schlußfolgerungen tatsächlicher Art gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Dazu gehört auch die Schlußfolgerung, daß der Kläger an die Flugschüler Schleppleistungen, die Überlassung von Fluggerät und Leistungen für das Starten und Landen als selbständige Leistungen und nicht als Teile einer im Rahmen eines strikten Unterrichts plans zusammengefaßten Unterrichtsleistung erbracht hat. Das FA zieht, ohne die Anforderungen an die Darlegung der Klärbarkeit zu erfüllen, lediglich das Ergebnis der Vorentscheidung in Zweifel.
2. Soweit das FA die Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) mit der Begründung begehrt, daß das FG von der Rechtsprechung des BFH zur Einheitlichkeit der umsatzsteuerlichen Leistung abgewichen sei, entspricht die Beschwerde ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß der Beschwerdeführer abstrakte entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem finanzgerichtlichen Urteil und abstrakte Rechtssätze aus divergenzfähigen Entscheidungen des BFH oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes so genau bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Das FA hat keine Abweichung bezeichnet, sondern sie nur behauptet.
Es räumt zwar ein, daß das FG die Rechtsprechung des BFH zur Einheitlichkeit der Leistung erwähnt, die entsprechenden Grundsätze dargelegt hätte, sodann aber deswegen von ihnen abgewichen sei, weil es zu der Beurteilung gelangt sei, der Kläger habe nicht zwischen Leistungen an Vereinsmitglieder mit und solchen ohne Pilotenschein abgegrenzt, wodurch der sonst übliche Zusammenhang mit einer Ausbildungsleistung unterbrochen worden sei. Das FG habe dabei auf die Interessenlage der Flugschüler abgestellt und habe die Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Vereinbarungen nicht beachtet. Worin insoweit eine Abweichung von einem (welchem?) Rechtssatz des BFH, insbesondere durch die bloße Mitberücksichtigung der Interessenlage der Leistungsempfänger bestehen könnte, ist vom FA nicht schlüssig dargestellt worden. Es hat lediglich eine unrichtige Anwendung der Grundsätze des BFH über die Einheitlichkeit von Leistungen gerügt.
3. Das FA kann die Zulassung der Revision schließlich nicht wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) erreichen.
a) Das FA beanstandet, das FG habe die Sachaufklärungspflicht verletzt. Diese Rüge entspricht nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
Wird als Verfahrensmangel eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht sowie unzureichende Sachaufklärung geltend gemacht, so sind insbesondere die unaufgeklärt gebliebenen, aber aufklärungsbedürftigen Tatsachen anzugeben sowie gegebenenfalls die Umstände, aus denen sich dem FG die Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der Beschwerdeführer muß darüber hinaus darlegen, daß er die seiner Meinung nach mangelhafte Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder daß ihm eine derartige Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Darlegungen dieser Art sind für die Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich, weil gemäß § 155 FGO i. V. m. §§ 295, 531, 538 der Zivilprozeßordnung die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden kann, wenn der Beteiligte den Mangel nicht gerügt hat, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte und ihm der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vgl. BFH-Urteile vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302; vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Auß erdem sind das vermutliche Beweisergebnis und dessen Einfluß auf den Verfahrensausgang darzulegen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluß vom 4. Februar 1991 V B 94/89, BFH/NV 1992, 668; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 37). Dabei ist von der Rechtsauffassung des FG auszugehen.
Das FA hat nicht erläutert, weshalb es in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht beantragt hat, Beweis über die seiner Meinung nach ermittlungsbedürftigen Tatsachen zu erheben, wie oft ein Fluglehrer an den Flügen eines Flugschülers teilgenommen hatte, und daß der Kläger Gebühren in unterschiedlicher Höhe von Vereinsmitgliedern mit und ohne Pilotenschein erhoben habe. Das FG hat diese Umstände im übrigen nicht außer acht gelassen. Vielmehr hat es ihnen bei seiner Würdigung keine rechtserhebliche Bedeutung angesichts der wenigen Flugstunden der Flugschüler und der Beaufsichtigung des Flugunterrichts vom Boden aus beigemessen. Das FA hätte unter diesen Umständen schlüssig vortragen müssen, weshalb die von ihm als nicht aufgeklärt gerügten Tatsachen für das FG eine entscheidungserhebliche Bedeutung hätten erlangen können.
b) Der vom FA im Rahmen der Ausführungen zu den Verfahrensmängeln geltend gemachte (angebliche) Denkfehler des FG -- wegen der langen Zeit, während der Flugschüler an der Flugausbildung teilgenommen hätten, liege keine Ausbildung vor -- begründet die Zulassung der Revision nicht, wenn nicht zugleich ein klärbarer Rechtssatz von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) bzw. ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt oder bezeichnet sind. Dies ist nicht geschehen. Das FA begründet mit dem Hinweis auf den Denkfehler nur die Verletzung materiellen Rechts durch die Vorentscheidung (vgl. zur Verletzung von Denkgesetzen: BFH-Beschluß vom 11. Februar 1991 V B 13/89, BFH/NV 1992, 668).
4. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421705 |
BFH/NV 1997, 198 |