Entscheidungsstichwort (Thema)
Putenbrüterei als Gewerbebetrieb; Verlust aus gewerblicher Tierzucht; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. In der Rechtsprechung des BFH ist hinreichend geklärt, dass die Unterhaltung einer Brüterei, in der Küken aus Bruteiern gewonnen und als Eintagsküken weiterveräußert werden, stets einen Gewerbebetrieb darstellt.
2. In der Rechtsprechung des BFH ist ebenso hinreichend geklärt, dass ein Verlust aus gewerblicher Tierzucht nicht mit einem Gewinn aus einer anderen gewerblichen Tätigkeit verrechnet werden kann.
3. Zu den Darlegungserfordernissen an das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache soweit dazu einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1, 4; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen 3 K 600/04) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine OHG, betrieb in den Streitjahren (1995 bis 1997) einen Putenmastbetrieb und eine Putenbrüterei.
Die für die Putenbrüterei benötigten Eier wurden im Betrieb der Klägerin und in den Betrieben der mit ihr verbundenen Unternehmensgruppe A durch Elterntierhaltung erzeugt. Die in den angegliederten Betrieben erzeugten Bruteier wurden angekauft und für Fremdmäster Mastküken erbrütet. Soweit Stallplätze vorhanden waren, wurden die Küken bis zur Schlachtreife aufgezogen (Ausnahme). Nach Mastende wurden die innerhalb der Unternehmensgruppe A erzeugten Schlachtputen zurückgekauft und zusammen mit den eigenen Tieren an Schlachtereien verkauft.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung erfasste der Prüfer die Ergebnisse aus der Putenzucht und Putenmast als Einkünfte aus gewerblicher Tierhaltung gemäß § 15 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Ergebnisse aus der Brüterei als gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 Abs. 1 EStG. Durch die Aufteilung ergaben sich bei den Einkünften aus gewerblicher Tierhaltung in den Streitjahren ausschließlich Verluste. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Verluste nach § 15 Abs. 4 EStG nicht mit den übrigen positiven Einkünften der Klägerin verrechnet werden könnten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte dem und erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage, mit der die Klägerin eine Änderung der Bescheide dahin begehrte, dass sämtliche Einkünfte der Unternehmensgruppe A einheitlich in der Weise festgestellt werden, dass die Ergebnisse der Gruppe miteinander verrechnet und nur das Ergebnis der Gesamtfeststellung, falls negativ, unter § 15 Abs. 4 EStG falle, hatte ebenso wenig Erfolg, wie der hilfsweise gestellte Antrag, das Betriebsergebnis insgesamt den Einkünften aus § 15 Abs. 4 EStG zuzuordnen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie hält die Rechtsfrage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob das Betriebsergebnis eines Unternehmens, das aus zugekauften Bruteiern Eintagsküken erbrütet und diese teilweise selbst mästet, einheitlich den gewerblichen Einkünften aus Tierhaltung zuzuordnen ist, oder ob das Ergebnis anteilig auf Einkünfte gemäß § 15 Abs. 1 EStG und gemäß § 15 Abs. 4 EStG aufzuteilen ist.
Zudem beständen verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 15 Abs. 4 EStG. Eine restriktive Anwendung wäre mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren. Auch würde dem Gesellschafter im Streitfall unter Berücksichtigung aller Einkünfte nicht einmal das Existenzminimum verbleiben. Schließlich verstoße § 15 Abs. 4 EStG gegen EU-Recht.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen, ungeachtet erheblicher Zweifel an der Zulässigkeit, jedenfalls unbegründet.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist bereits hinreichend durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt. Mit Urteil vom 14. September 1989 IV R 88/88 (BFHE 158, 353, BStBl II 1990, 152) hat der beschließende Senat entschieden, dass die Unterhaltung einer Brüterei, in der Küken aus Bruteiern gewonnen und als Eintagsküken weiterveräußert werden, stets einen Gewerbebetrieb darstellt. Nur für den Fall, dass die ausgebrüteten Eier im eigenen Betrieb weiterverwendet werden, hat der Senat den Brutbetrieb als Bestandteil eines landwirtschaftlichen Unternehmens erachtet. Mit Urteil vom 21. September 1995 IV R 96/94 (BFHE 179, 66, BStBl II 1996, 85) hat der Senat des Weiteren entschieden, dass ein Verlust aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung selbst dann nicht mit einem Gewinn aus einer anderen gewerblichen Tätigkeit verrechnet werden darf, wenn ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen ist und daher insgesamt nur gewerbliche Einkünfte vorliegen. Der auf die gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung entfallende Verlust ist dann ggf. durch Schätzung zu ermitteln. Auf den vorliegenden Streitfall übertragen bedeutet dies, dass die Verluste aus dem Putenmast- und dem Putenzuchtbetrieb (gewerbliche Tierhaltung) nicht mit den Gewinnen aus der Brüterei verrechnet werden können. Da das FG für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), dass der überwiegende Teil der Küken an Fremdmäster verkauft worden ist und nur in Ausnahmefällen die Küken von der Klägerin selbst bis zur Schlachtreife aufgezogen worden sind, stellt die gesamte Brüterei einen selbständigen Betrieb dar. Eine Integration eines Teils der Brüterei in die gewerbliche Tierhaltung kommt in diesem Fall nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1998 II R 38/96, BFH/NV 1998, 1338).
2. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, indem sie die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 4 EStG rügt, fehlt es bereits an der hinreichenden Darlegung i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Eine solche Darlegung erfordert konkrete Ausführungen darüber, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juni 1996 VIII B 102/95, BFH/NV 1996, 921, m.w.N.). Das gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen Normen des Grundgesetzes gestützt wird (BFH-Beschluss vom 20. Juni 1994 III B 39/94, BFH/NV 1995, 50). Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Regelung reicht dazu nicht aus (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 34, m.w.N.).
Eine Rechtsfrage ist auch dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 21. Juni 1996 VIII B 89/95, BFH/NV 1996, 920).
Hält der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage dennoch für klärungsbedürftig oder sieht er durch eine gesetzliche Regelung oder deren Auslegung einen Verfassungsverstoß als gegeben an, so muss er auch unter Heranziehung der entsprechenden Rechtsprechung und Literatur darstellen, ob und ggf. in welchem Umfang die aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist, dass trotz eindeutiger gesetzlicher Regelung und vorhandener Rechtsprechung noch weiterer Klärungsbedarf besteht und dass die Rechtsfrage, aus der sich die Verfassungswidrigkeit ergeben soll, bisher nicht geklärt sei (BFH-Beschluss vom 17. Juni 1997 VIII B 59/96, BFH/NV 1998, 171).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Der BFH hat wiederholt ausgeführt, dass das Verlustausgleichsverbot des § 2a EStG 1971 (nunmehr § 15 Abs. 4 EStG) nicht verfassungswidrig ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 272/83, BFHE 151, 408, BStBl II 1988, 264, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Mit dieser Rechtsprechung hätte sich die Klägerin näher auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen müssen, welche gewichtigen und bislang noch nicht bedachten verfassungsrechtlichen Einwände eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Allein der nicht näher konkretisierte Hinweis auf die fortschreitenden Strukturveränderungen in den landwirtschaftlichen Betrieben genügt einer fundierten Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung nicht.
3. Mit dem weiteren Vorbringen, dass das Verlustausgleichsverbot bei den Gesellschaftern der Klägerin nicht mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar sei und zu einer verfassungswidrigen Besteuerung des Existenzminimums führen solle, kann die Klägerin im vorliegenden Feststellungsverfahren nicht gehört werden. Ob den Gesellschaftern der Klägerin das steuerlich zu verschonende Existenzminimum verbleibt und die Besteuerung dem subjektiven Nettoprinzip zuwiderläuft, kann nicht isoliert anhand der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Einkunftsquelle entschieden werden. Diese Feststellung lässt sich nur anhand aller Einkünfte treffen, die die Gesellschafter in den Streitjahren bezogen haben. Eine diesbezügliche Prüfung muss deshalb den jeweiligen Einkommensteuerverfahren der Gesellschafter vorbehalten bleiben.
4. Der pauschal behauptete Verstoß gegen EU-Recht wird weder den Anforderungen entsprechend dargelegt noch ist ein Verstoß ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 2014920 |
BFH/NV 2008, 1474 |