Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gewährt eine AG ihren Arbeitnehmern eigene Aktien (sogenannte Belegschaftsaktien) zu einem unter dem Marktpreis liegenden Kurs (sogenannter Vorzugskurs), so kann darin Arbeitslohn liegen.
Dasselbe gilt, wenn den Arbeitnehmern durch einen Beschluß der Hauptversammlung ein Bezugsrecht auf junge Aktien eingeräumt wird und die Aktien unter Zwischenschaltung einer Bank an die zeichnenden Arbeitnehmer verteilt werden.
Normenkette
EStG § 19; LStDV § 2
Tatbestand
Die Hauptversammlung der beschwerdeführenden AG (Bfin.) beschloß am 7. März 1955 einstimmig, das Grundkapital der AG um 23,6 Mio. DM auf 66 Mio. DM zu erhöhen und zu diesem Zweck auf den Inhaber lautende Stammaktien zum Kurs von 100 v. H. auszugeben. Nominal 2,4 Mio. DM sollten zum Zeichnungspreis nach vom Aufsichtsrat und Vorstand festgelegten Bedingungen für den Bezug durch Mitarbeiter der Bfin. und ihrer Organgesellschaften bis zum 30. Juni 1958 bereitgehalten werden. Weiterhin beschloß die Hauptversammlung am 24. Juni 1957 gegen eine unbedeutende Minderheit, das Grundkapital um weitere 18 Mio. DM auf 84 Mio. DM zu erhöhen; 1,5 Mio. DM des Erhöhungsbetrags sollten zum Zeichnungspreis von 120 v. H. zuzüglich Börsenumsatzsteuer wiederum für den Bezug durch Mitarbeiter bis zum 30. Juni 1958 bereitgehalten werden.
Die Zeichnung und Zuteilung an die zeichnenden Arbeitnehmer geschah wie folgt: Bei der ersten Kapitalerhöhung im Jahre 1955 zeichnete und übernahm ein Bankenkonsortium den Betrag von 21,2 Mio. DM mit der Verpflichtung, diese den Altaktionären zum Bezug anzubieten; den Rest von 2,4 Mio. DM zeichnete und übernahm die X.-Vermögensverwaltung mbH, die Tochtergesellschaft einer Konsortialbank, mit der Verpflichtung, diese Aktien zum Kauf durch Mitarbeiter zur Verfügung zu halten. Bei der zweiten Kapitalerhöhung im Jahre 1957 zeichnete und übernahm eine Bank die Aktien von nominal 16,5 Mio. DM mit Bezugsrecht für die Altaktionäre und die 1,5 Mio. DM mit Bezugsrecht für die Mitarbeiter. Sie war verpflichtet, die letztgenannten Aktien zum Bezug durch die Arbeitnehmer nach den vom Vorstand der Bfin. im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat festgelegten Bedingungen zur Verfügung zu halten. Die erwähnte Tochtergesellschaft übernahm die Treuhandschaft für die Arbeitnehmer bei Ausübung der Bezugsrechte sowie die spätere Verwaltung und Verwahrung der bezogenen Aktien. Das Bezugsangebot wurde an die aktive Belegschaft und die Pensionäre durch einen Mitarbeiterbrief jedem Bezugsberechtigten bekanntgegeben. Dem Mitarbeiterbrief war ein Zeichnungsvordruck beigefügt, den der Bezugsberechtigte an die erwähnte Tochtergesellschaft weiterleiten konnte. Das Bezugsrecht war im Verhältnis zum Monatseinkommen der Mitarbeiter nach oben begrenzt. Die Zeichnungserklärungen konnten auch über die Lohn- und Personalbüros der Bfin. oder ihrer Tochtergesellschaften geleitet werden. Von dieser Möglichkeit wurde Gebrauch gemacht, wenn die Zeichner beantragten, den Kaufpreis mit ihrem Gehalt zu verrechnen. Die Zuteilung der Aktien geschah durch eine Mitteilung der erwähnten Tochtergesellschaft.
Das Finanzamt betrachtet den Unterschied zwischen dem Ausgabekurs und dem höheren Börsenkurs (sogenannter Vorzugskurs) als einen geldwerten Vorteil für die Arbeitnehmer, die Aktien übernommen haben. Es zog die Bfin. als Arbeitgeberin durch Haftungsbescheid zur Lohnsteuer heran. Die Höhe des geldwerten Vorteils ermittelte es im Einvernehmen mit der Bfin. unter Berücksichtigung des Börsenkurses zur Zeit der Ausgabe der Aktien, der Kursschwankungen und der Beschränkungen, denen die Erwerber der Belegschaftsaktien sich unterworfen hatten.
Die Bfin. bestreitet vor allem, daß sie als Arbeitgeberin den Arbeitnehmern in Form der Aktien einen Vorteil zugewendet habe. Sie habe nicht, wie andere Aktiengesellschaften, Aktien aus ihren eigenen Beständen gewährt. Ihr Vermögen sei durch die Aktienausgabe nicht vermindert, sondern infolge der Einzahlungen der die Aktien übernehmenden Arbeitnehmer sogar vermehrt worden. Die Altaktionäre hätten durch den Verzicht auf ihr gesetzliches Bezugsrecht die Arbeitnehmer bereichert. Sie sei auch nicht Arbeitgeberin der Arbeitnehmer ihrer Organgesellschaften gewesen. Den Aktionären sei es darauf angekommen, neue gesellschaftsrechtliche Verhältnisse zu schaffen, um einen Beitrag zum Ausgleich sozialer Spannungen durch Bildung von Aktienbesitz in Arbeitnehmerhand zu leisten und die Gefahr einer sozialen Explosion zu mildern.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 72 veröffentlicht ist, wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Wenn eine AG ihren Arbeitnehmern eigene Aktien aus ihrem Bestand unter Börsenkurs überlasse, so sei die Lohnsteuerpflicht eindeutig. Wenn, wie im Streitfall, die Hauptversammlung bei einer Kapitalerhöhung einen Teil der jungen Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Bezug unter Börsenkurs bereithalte, sei der wirtschaftliche Erfolg gleich.
Das Bezugsrecht sei nicht, wie die Bfin. meine, den Arbeitnehmern von den einzelnen Aktionären zugewendet worden. Gemäß § 102 des Aktiengesetzes (AktG) übten zwar die Aktionäre ihre Gesellschaftsrechte in der Hauptversammlung aus; die Beschlüsse in der Hauptversammlung gäben den Willen der Mehrheit der Aktionäre kund. Ein Aktionär könne aber sein Mitverwaltungs- und Mitbestimmungsrecht in der AG nicht als Einzelner ausüben, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen werde zu einer Einheit zusammengefaßt. Der einheitliche Beschluß sei nicht mit dem Willen der einzelnen Aktionäre, besonders nicht mit dem der überstimmten Aktionäre, gleichzusetzen (Godin-Wilhelmi, Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. § 103 Anm. I). Ein Beschluß der Hauptversammlung sei eine Willenserklärung der AG. Wenn die Hauptversammlung auch nicht das oberste Organ der AG und kein ständiges Verwaltungsorgan sei, so werde sie doch bei Beschlüssen, die ihr nach dem Gesetz und nach der Satzung zukämen, als Organ der AG tätig; ihre Beschlüsse seien dann Willenserklärungen der AG (Godin-Wilhelmi, a. a. O.). Beschlüsse ihrer Hauptversammlung seien darum als Beschlüsse der Bfin. zu werten und ihr zivilrechtlich und steuerlich zuzurechnen. Selbst wenn man aber der Bfin. darin beitreten wollte, daß der Vorteil den Arbeitnehmern zu Lasten der Aktionäre gewährt worden sei, könne man nicht die Aktionäre als "Dritte" bei der Zuwendung ansehen. Den Altaktionären einer AG stehe allerdings an sich ein gesetzliches Bezugsrecht auf die jungen Aktien zu. Dieses Recht könne aber im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen werden (ß 153 AktG). über das Bezugsrecht verfügten aber nicht die einzelnen Aktionäre, sondern die Hauptversammlung, deren Beschluß an Stelle des Willens aller Aktionäre, auch der überstimmten, trete. Die Hauptversammlung, die als Organ der AG handele, verfüge mit ihrem Beschluß nicht über bereits bestehende Vermögensrechte der Altaktionäre; denn das Anwartschaftsrecht auf junge Aktien nach § 153 AktG sei vor der Kapitalerhöhung noch kein bewertbares oder verwertbares Recht, sondern werde erst durch den Kapitalerhöhungsbeschluß der Hauptversammlung zu einem Bezugsrecht. Die Hauptversammlung verfüge also nicht über Bezugsrechte der Aktionäre, sondern schaffe sie erst. Die Altaktionäre hätten also nicht den Arbeitnehmern einen Vorteil aus ihrem Vermögen zugewendet. Sie seien zwar durch diese Maßnahme betroffen; die Lage sei aber nicht anders wie bei anderen Maßnahmen, die der Vorstand der Hauptversammlung zur Beschlußfassung vorlege. Die Altaktionäre würden in derselben Weise betroffen sein, wenn eine AG eigene Aktien an Arbeitnehmer unter Börsenkurs ausgebe, weil auch dabei das Vermögen der AG geschmälert werde. Entgegen der Auffassung der Bfin. sei der Vorteil den Arbeitnehmern auch "aus dem Dienstverhältnis" zugeflossen. Die Hauptversammlung habe ausdrücklich die neuen Aktien "für den Bezug durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Gesellschaft und der Organgesellschaften" vorbehalten. Weil das Dienstverhältnis zwischen der Bfin. und ihren Organgesellschaften Voraussetzung für den Vorteil gewesen sei, bestehe ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 171/50 S vom 23. Februar 1951, BStBl 1951 III S. 80, Slg. Bd. 55 S. 212). Gegen die berechnete Höhe des geldwerten Vorteils habe die Bfin. keine Bedenken erhoben.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Auslegung von § 19 EStG - § 2 LStDV -. Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hält die Entscheidung des Finanzgerichts für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Arbeitslohn sind alle Einnahmen im Sinne von § 8 Abs. 1 EStG (ß 3 LStDV), die einem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Die Einnahmen können in Geld oder in geldwerten Vorteilen bestehen. Ein solcher geldwerter Vorteil kann auch darin liegen, daß ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Gegenstände unentgeltlich oder verbilligt überläßt. Mit Recht gehen darum alle Beteiligten davon aus, daß die überlassung fremder oder eigener Aktien an die Arbeitnehmer einer AG zu einem Vorzugskurs für die Arbeitnehmer zu einem geldwerten Vorteil und damit zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen kann. Diese aus allgemeinen überlegungen abzuleitende Erkenntnis hat der Gesetzgeber im Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 30. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 834, BStBl 1960 I S. 14) sogar ausdrücklich dadurch bestätigt, daß er die Einräumung von Vorzugskursen an Arbeitnehmer als Arbeitslohn behandelt, der allerdings unter bestimmten Voraussetzungen tariflich begünstigt ist.
Den Arbeitslohn zahlt in aller Regel der Arbeitgeber, d. h. derjenige, der auf Grund des bürgerlich-rechtlichen Arbeitsvertrags Anspruch auf die Dienstleistungen des Arbeitnehmers hat. "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" im Sinne des § 19 EStG (ß 2 LStDV) setzen aber nicht unbedingt eine Leistung des Arbeitgebers selbst voraus. Weil es darum geht, einen dem Arbeitnehmer zufließenden Vermögensvorteil in die Einkunftsarten des EStG einzuordnen, muß die Frage, ob ein dem Arbeitnehmer zufließender Vorteil eine Einkunft aus nichtselbständiger Arbeit ist, in erster Linie aus der Sicht des Arbeitnehmers beurteilt werden. Es ist zu fragen, ob der Arbeitnehmer einen erhaltenen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachtet. Davon geht das EStG selbst erkennbar aus, indem es z. B. auch freiwillige Trinkgelder zum Arbeitslohn rechnet, der allerdings in bestimmten Grenzen steuerfrei bleibt (ß 19 Abs. 2 Ziff. 3 EStG 1955, § 4 Ziff. 4 LStDV 1955). Freiwillige Trinkgelder - im Gegensatz zum vertraglichen Bedienungszuschlag - zahlen die Gäste, ohne dem Gastwirt oder dem Kellner gegenüber dazu rechtlich verpflichtet zu sein; vom Gast aus betrachtet sind sie in der Regel ein "Geschenk" oder eine "Anerkennung" für eine persönliche Dienstleistung. Der Empfänger betrachtet die freiwilligen Trinkgelder aber als Ertrag seiner Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrags mit seinem Dienstherrn und als Teil seiner laufenden Einkünfte, aus denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Eine so weite Beziehung zwischen Arbeit und Ertrag läßt das EStG also genügen, um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzunehmen. Die Begriffe "Arbeitslohn" im Sinne des Arbeitsrechts und "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" im Sinne des EStG stimmen also nicht überein (vgl. auch Becker, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, S. 1624 ff., 1634 ff.). Das ergibt sich z. B. auch daraus, daß die Witwe eines Arbeitnehmers, die auf Grund des Arbeitsvertrags ihres Ehemanns Witwenbezüge hat, damit "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" hat, ohne Arbeitnehmerin im Sinne des Arbeitsrechts zu sein.
Die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs hat den Begriff "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" auch stets weit ausgelegt (vgl. z. B. die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 141/34 vom 24. Oktober 1934, RStBl 1935 S. 335 betreffend eine freiwillige Entschädigung des Erben an einen früheren Arbeitnehmer seines Erblassers; IV 29/44 vom 21. September 1944, RStBl 1944 S. 731 betreffend Zuwendungen, die der Angestellte eines Steuerberaters von einem Kunden seines Arbeitgebers als Anerkennung seiner Arbeitsleistung erhält; das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 22/50 U vom 18. April 1950, Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG § 19 Abs. 1 Ziff. 1 Rechtsspruch 5 betreffend die Trinkgelder eines Friseurgehilfen; das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 171/50 S vom 23. Februar 1951, BStBl 1951 III S. 80, Slg. Bd. 55 S. 212 betreffend die Bezüge, die bischöfliche Kassen an nicht verwendete Geistliche aus den Ostgebieten zahlen).
Allerdings kann das, was einem Arbeitnehmer von einem Dritten zugewendet wird, im Einzelfall auch ein echtes Geschenk oder Ausfluß der Mildtätigkeit sein. In zweifelhaften Grenzfällen muß entscheidend sein, ob der Arbeitnehmer - und aus seiner Sicht muß diese Frage beurteilt werden - sich als "Beschenkter" oder "Almosenempfänger" betrachtet oder ob er auf die empfangene Leistung einen rechtlichen, mindestens aber einen sittlichen Anspruch zu haben glaubt (siehe dazu Urteil des Bundesfinanzhofs I 205/59 U vom 10. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 335, Slg. Bd. 71 S. 233).
Die Bfin. meint, dem "Arbeitslohn" bei einem Arbeitnehmer müsse eine "Betriebsausgabe" beim Arbeitgeber gegenüberstehen. Eine solche Verbindung ist zwar die Regel; sie ist aber rechtlich nicht unabdingbar. Bei der weiten Auslegung des Begriffs "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" kann ein Arbeitnehmer Arbeitslohn beziehen, ohne daß sein Arbeitgeber einen entsprechenden Aufwand macht.
Es kommt auch - entgegen der Auffassung der Bfin. - nicht darauf an, ob die Bfin. für die verteilten Aktien einen wirtschaftlichen Gegenwert in Form der von den Arbeitnehmers bezahlten übernahmepreise erhalten hat. Wesentlich ist, daß die übernahmepreise geringer waren, als die auf dem Markt erzielbaren Preise und daß die Bfin., als sie die Aktien an ihre Arbeitnehmer verteilte, auf die Realisierung günstiger Chancen, die ihr der Markt bot, verzichtete.
Die Bfin. vertritt vor allem die Auffassung, die Arbeitnehmer, die von ihrem Bezugsrecht Gebrauch gemacht haben, hätten den Vorteil nicht unmittelbar von ihr als Arbeitgeberin erhalten. Das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen nehmen das Gegenteil an und legen dar, daß, als die Hauptversammlung das Bezugsrecht der Altaktionäre auf die jungen Aktien in bestimmtem Umfang zugunsten der Arbeitnehmer der Bfin. und ihrer Organgesellschaften ausschloß, den Altaktionären zwar eine Anwartschaft, die sie auf Grund von § 153 AktG hatten, entzogen worden sei. Man könne aber nicht annehmen, daß die einzelnen Aktionäre über Teile ihres Vermögens zugunsten der Arbeitnehmer verfügt hätten, weil, als die Hauptversammlung in bestimmtem Umfang das Bezugsrecht ausgeschlossen habe, insoweit noch gar keine Bezugsrechte in der Person der Altaktionäre entstanden gewesen seien. Diese überlegungen sind rechtlich einwandfrei. Im übrigen bedeutete es einen übertriebenen Formalismus, wenn man mit der Bfin. den Beschluß der Hauptversammlung rechtlich nicht als einen Akt der Bfin. selbst werten wollte, zumal der Vorstand und der Aufsichtsrat der Bfin. durch die Aufstellung der Richtlinien und die Lohnbüros durch die Bearbeitung der Anträge maßgebend in die Verteilungsaktion einbezogen waren. Der Senat hält es nicht für erforderlich, in die aktienrechtlichen Streitfragen über die Bedeutung der Hauptversammlung im Organismus einer AG und die Rechtswirkung von Beschlüssen der Hauptversammlung im einzelnen einzutreten. Es ist steuerrechtlich sinnvoll, die Streitfrage hier in erster Linie nach ihren wirtschaftlichen Auswirkungen und aus der Sicht der begünstigten Arbeitnehmer zu betrachten. Den Arbeitnehmern der Bfin. konnte es aber gleich sein, ob die Bfin., wie andere Aktiengesellschaften es in ähnlichen Fällen getan haben, die jungen Aktien zunächst in ihr Portefeuille nahm und daraus dann die Arbeitnehmer unmittelbar bedachte, oder ob sie eine Bank einschaltete, die zunächst die jungen Aktien gewissermaßen treuhänderisch übernahm und dann nach den Richtlinien des Vorstands und Aufsichtsrats der Bfin. an die zeichnenden Arbeitnehmer verteilte. Den Arbeitnehmern wurde auf beiden Wegen derselbe wirtschaftliche Vorteil gewährt. Die Arbeitnehmer dürfte es auch wohl kaum interessiert haben, aus welchen Gründen die Bfin. für die Beteiligung ihrer Arbeitnehmer eine andere als die übliche aktienrechtliche Gestaltung wählte; für sie war nur das wirtschaftliche Endergebnis von Bedeutung. Die Arbeitnehmer der Bfin. werden auch nicht anerkennen wollen, daß die Bfin. oder die Aktionäre der Bfin. ihnen etwas "geschenkt" hätten; sie werden vielmehr in der Zuteilung der Belegschaftsaktien einen Akt sozialer Gerechtigkeit und einen "gerechten Lohn" für ihre Arbeit im Unternehmen sehen. Für die Arbeitnehmer werden auch die Beweggründe gleichgültig sein, die die Bfin. oder ihre Aktionäre bei der Beschlußfassung geleitet haben, ob sie, z. B. auf Grund einer empfundenen sittlichen Verpflichtung, aus sozialpolitischer Klugheit, aus der allgemeinpolitischen überlegung, die Gesellschaftsordnung zu sichern, oder aus anderen Gründen gehandelt haben. Es konnte für die Arbeitnehmer auch keine Bedeutung haben, ob sie unmittelbar Arbeitnehmer der Bfin. oder Arbeitnehmer von Konzernunternehmen waren; für sie war nur wesentlich, daß sie auf Grund des Arbeitsverhältnisses zur Bfin. oder den ihr nahestehenden Gesellschaften in den Besitz von Belegschaftsaktien kommen konnten und daß diese Vergünstigung anderen Personen nicht zugänglich war.
Nach allem haben die Vorinstanzen mit dem Bundesminister der Finanzen zutreffend angenommen, daß der eingeräumte Vorzugskurs zu einem geldwerten Vorteil für die zeichnenden Arbeitnehmer und damit zu steuerpflichtigem Arbeitslohn geführt habe. Da über die Höhe dieses Arbeitslohns kein Streit besteht, mußte die Rb. als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410403 |
BStBl III 1962, 214 |
BFHE 1962, 577 |
BFHE 74, 577 |