Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertrag, der den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung begründet, unterliegt auch dann der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1940), wenn die Vertragschließenden als verdeckte Treuhänder desselben Treugebers handelten (sog. Treuhänderwechsel).
2. Die Zurechnungsvorschriften des § 11 Nr. 2 und Nr. 3 StAnpG sind im Grunderwerbsteuerrecht nicht anwendbar.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 3 Nr. 3, § 15 Nr. 1; StAnpG § 11 Nrn. 2-3; GmbHG § 15
Tatbestand
Die offene Handelsgesellschaft A (fortan OHG) - ein Kreditinstitut - besaß als Treuhänder für die B-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (fortan Treugeber) sämtliche Geschäftsanteile an der C-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, zu deren Vermögen das Grundstück G gehörte. Am 25. Februar 1959 trat die OHG im Einvernehmen mit dem Treugeber die Geschäftsanteile an den Kläger als nunmehrigen Treuhänder ab.
Das FA - Beklagter - sah darin ein gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1940 der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft und setzte durch Bescheid vom 3. Oktober 1961 die Grunderwerbsteuer, ausgehend vom Einheitswert des Grundstücks (303 500 DM), auf 21 245 DM fest. Den Einspruch wies es zurück.
Das FG hob durch Urteil vom 14. Januar 1965 die Einspruchsentscheidung und den zugrunde liegenden Steuerbescheid auf. Das bezeichnete Rechtsgeschäft sei nicht grunderwerbsteuerbar, weil bei einer Auswechslung lediglich des Treuhänders eine "Übertragung" aller Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht stattgefunden habe. Nach wie vor sei rechtlicher Eigentümer des Gesellschaftsgrundstücks die C-GmbH, wirtschaftlicher Machthaber die B-GmbH, die ihre Verfügungsbefugnis weiterhin über einen einzigen vorgeschobenen Treuhänder ausübe, der auf Grund schuldrechtlicher Bindungen zur Befolgung ihrer Anordnungen verpflichtet sei und eigene Dispositionen nicht treffen dürfe. In diesem Falle sei eine Besteuerung des Treuhänderwechsels mit dem Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuergesetzes nicht vereinbar. Das GrEStG wolle den Grundstückswechsel und wirtschaftlich gleichwertige Sachverhalte (z. B. die Übertragung von Anteilen einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft) mit Steuer belegen, nicht aber den Treuhänderwechsel, der auf die ausschließliche Machtposition des Treugebers ohne Einfluß sei. Ebenso wie gesellschaftsteuerrechtlich der Treuhänder für den Geschäftsanteil an einer GmbH wegen § 11 Nr. 2 und Nr. 3 StAnpG nicht Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft sei (Urteil des BFH vom 26. Oktober 1962 II 68/59 U, BFHE 76, 59, BStBl III 1963, 22), so könne grunderwerbsteuerrechtlich beim Kläger der treuhänderische Erwerb der GmbH-Anteile vom vormaligen Treuhänder nicht als "Übertragung" der Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG angesehen werden.
Gegen das Urteil des FG hat das Landesfinanzamt Berlin "namens des Vorstehers des Hauptfinanzamts für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern" Rechtsbeschwerde eingelegt und unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG gerügt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, die C-GmbH in L gemäß § 60 Abs. 1 FGO als Beteiligte beizuladen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist zulässig. Insbesondere konnte das FA die ihm übergeordnete OFD für das Rechtsmittelverfahren vor dem BFH bevollmächtigen.
Die Revision ist auch begründet.
Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil es auf fehlerhafter Nichtanwendung des inzwischen außer Kraft getretenen § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1940 (vgl. jetzt § 35 Satz 2 Nr. 1 und § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Berliner GrEStG vom 18. Juli 1969, GVBl, 1034) beruht. Nach dieser Vorschrift unterlag der Grunderwerbsteuer auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft (z. B. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) begründete, wenn zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehörte. Das FG wandte diese Vorschrift nicht an, weil es der Ansicht war, das Rechtsgeschäft vom 25. Februar 1959 habe nicht den Anspruch auf "Übertragung" des Anteils an der grundstücksbesitzenden C-GmbH begründet. Diese Ansicht beruht auf der Vorstellung, der Geschäftsanteil (Treugut) sei dem Treugeber zuzurechnen; bei diesem aber habe sich ein Grundstücksumsatz nicht vollzogen, an seiner "Machtposition in Ansehung des Gesellschaftsgrundstücks" habe sich nichts geändert.
Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Zwar schreibt § 11 StAnpG vor, daß "für die Zurechnung bei der Besteuerung ... Wirtschaftsgüter, die zu treuen Händen ... übereignet" (Nr. 2 der Vorschrift) und solche, "die durch einen Treuhänder zu treuen Händen für einen Treugeber erworben worden sind" (Nr. 3 der Vorschrift), "dem Treugeber zugerechnet" werden. Aber dies gilt nur, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Für die Grunderwerbsteuer ist jedoch anderes bestimmt. Das zeigt § 1 GrEStG 1940. In dieser Vorschrift sind die einzelnen Rechtsvorgänge aufgeführt, die der Grunderwerbsteuer unterliegen. Es sind in erster Linie Vorgänge, die auf die Übertragung des (rechtlichen) Eigentums an einem Grundstück gerichtet sind (Abs. 1 der Vorschrift); in zweiter Linie sind es Vorgänge, mit denen - wirtschaftlich betrachtet - das gleiche Ziel erreicht wird, z. B. die Einräumung der Befugnis, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (Abs. 2 der Vorschrift) oder die Vereinigung und die Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft (Abs. 3 der Vorschrift). Bei diesen Erwerbsvorgängen stellt das Gesetz - wie sein Wortlaut zeigt und wie aus dem Zusammenhang mit § 15 Nr. 1 GrEStG hervorgeht - regelmäßig auf die am Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen ab; so auch bei einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Gesellschaft begründet. Wortlaut und Systematik des Gesetzes erlauben nicht, durchzugreifen auf hinter diesen Personen stehende Dritte, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Machtstellung oder auf Grund von vertraglichen Vereinbarungen mit einem oder mit beiden Vertragsteilen imstande sind, Einfluß auf Abschluß und Inhalt des Rechtsgeschäfts zu nehmen. Ein solcher Durchgriff läßt sich nicht mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht (§ 1 Abs. 2, 3 StAnpG) rechtfertigen, weil deren Anwendungsbereich durch die Normen des jeweiligen Einzelsteuergesetzes geprägt und begrenzt wird und sonach im Grunderwerbsteuerrecht sehr viel enger ist als bei anderen Steuern.
Das entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. In der Begründung zum GrEStG heißt es hierzu: "Die Grunderwerbsteuer will den Umsatz von Grundstücken erfassen ... Die Gestaltung der Steuer bedingte es, daß auch ... Fälle, in denen durch den Rechtsvorgang ausnahmsweise kein Umsatz verwirklicht wird, der Besteuerung unterworfen wurden. Diese Form der Besteuerung war deshalb gewählt worden, weil die Vorgänge des Rechtsverkehrs sich einfach und zuverlässig ermitteln lassen, während der wirtschaftliche Vorgang des Umsatzes wegen der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Zwecke oft schwer zu bestimmen und zu erfassen ist ... An diesen ... Besteuerungsgrundsätzen muß auch für das neue Gesetz festgehalten werden" (RStBl 1940, 387, 388).
Diese Auffassung lag auch der Rechtsprechung des RFH zugrunde. Dieser hatte schon vor Inkrafttreten des StAnpG entschieden (zum Grunderwerbsteuergesetz 1919), daß Steuerpflicht auch dann eintritt, wenn ein Treuhänder sein Eigentum an einem Grundstück auf einen anderen Treuhänder überträgt (Urteil vom 30. Juni 1922 II A 148/22, StuW 1922 Nr. 762). Nach Inkrafttreten des StAnpG ist er davon ausgegangen, daß die Grunderwerbsteuer von den in § 11 StAnpG enthaltenen Zurechnungsvorschriften unbeeinflußt geblieben ist (vgl. Urteil vom 21. Januar 1938 II 293/37, RFHE 43, 101, 103, RStBl 1938, 190). Der BFH hat an dieser Rechtsprechung auch für das GrEStG 1940 festgehalten (vgl. Urteil vom 14. November 1962 II 82/59, HFR 1963, 115).
Im Schrifttum wird - soweit ersichtlich übereinstimmend - ebenfalls die Auffassung vertreten, daß die Zurechnungsvorschriften des § 11 Nr. 2 und Nr. 3 StAnpG im Grunderwerbsteuerrecht nicht anwendbar sind (vgl. statt vieler: v. Wallis, Die Besteuerung von rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen, NJW 1957, 321, 324; Kirsten, Treuhand und Treuhänder im Steuerrecht, 1965, S. 86, 87; Rosenau, Die rechtsgeschäftliche Treuhand in rechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, Der Betrieb 1966, Beilage 18/66 S. 7, 9; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Finanzgerichtsordnung und den Nebengesetzen, 6. Aufl., § 11 StAnpG - 1971 - Anm. 4 d; Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973, S. 206; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 6. Aufl., 1973, § 11 StAnpG A 6). Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Die Klage ist unbegründet.
Der Vertrag vom 25. Februar 1959 unterlag der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1940. Die bereits erwähnten Merkmale dieses Steuertatbestandes sind erfüllt. Der Vertrag vom 25. Februar 1959 war ein Rechtsgeschäft. Er begründete den Anspruch des Klägers gegen die OHG auf Übertragung aller Anteile der C-GmbH, zu deren Vermögen ein inländisches, nämlich ein in Berlin gelegenes Grundstück gehörte (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Daß hierbei die Vertragschließenden als verdeckte Treuhänder desselben Treugebers handelten, schließt die Steuerpflicht nicht aus, zumal - wie dargelegt - die in § 11 Nr. 2 und Nr. 3 StAnpG enthaltenen Zurechnungsvorschriften hier nicht anwendbar sind. Die Besteuerung des Treuhänderwechsels ist auch mit dem Sinn und Zweck des GrEStG vereinbar. Das zeigt die Begründung zum GrEStG, in der es heißt:
"Die Besonderheit der Treuhandgeschäfte besteht darin, daß der Treuhänder zwar nach außen hin Eigentümer des Grundstücks ist, die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum aber nicht für eigene Rechnung, sondern nach den Weisungen des Treugebers für dessen Rechnung ausübt, daß also die Rechte aus dem Eigentum im Innenverhältnis nicht dem Treuhänder, sondern dem Treugeber zustehen. Der Übergang des Eigentums vom Treugeber auf den Treuhänder oder vom Treuhänder auf den Treugeber stellt also, wirtschaftlich betrachtet, keinen Umsatz dar. Die Gestaltung der Steuer bedingte es, daß auch diese Fälle ... der Besteuerung unterworfen wurden ... Es war geboten, eine Regelung aufrechtzuerhalten, die der Rechtssicherheit und Geschäftseinfachheit diente, mochte auch im Einzelfall ein rechtlicher Vorgang zur Steuer herangezogen werden, dem eine Änderung der wirtschaftlichen Beziehungen nicht zugrunde lag" (RStBl 1940, 387, 388).
Im gleichen Sinne hat der BFH in seinem erwähnten Urteil vom 14. November 1962 II 82/59 (HFR 1963, 115) ausgeführt: "Zutreffend ist zwar, daß den Z-Werken wirtschaftlich gesehen, die Anteile an der ... gesellschaft auch nach der Veräußerung der Anteile von dem einen von zwei Treuhändern auf den anderen gehören. Dieser Umstand schließt jedoch nicht aus, in dem Anteilswechsel eine Anteilsübertragung im Sinne des § 1 Abs. 3 Ziff. 3 GrEStG zu erblicken ..." Soweit aus den vom Kläger angeführten, zu § 3 GrEStG 1919 ergangengen Urteilen des RFH vom 28. März 1928 II A 53/28 (Mrozek-Kartei, § 3 Grunderwerbsteuergesetz, Rechtsspruch 28) und vom 1. März 1932 II A 9/32 (Mrozek-Kartei, a. a. O., § 3 Abt. I, Rechtsspruch 53) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, könnte der erkennende Senat dem für die Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1940 nicht folgen. Aus dem weiteren vom Kläger erwähnten Urteil des BFH vom 26. Oktober 1962 II 68/59 U (BFHE 76, 59, BStBl III 1963, 22), das zur Gesellschaftsteuer ergangen ist, kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, weil für die Gesellschaftsteuer - anders als für die Grunderwerbsteuer - die Zurechnungsvorschriften des § 11 Nr. 2 und Nr. 3 StAnpG anwendbar sind, worauf in den Gründen des Urteils besonders hingewiesen ist.
Die vom Kläger beantragte Beiladung des Treugebers ist im Revisionsverfahren unzulässig (§ 123 Satz 1 FGO). Selbst wenn sein Antrag als wirksame Gegenrüge (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1970 IV R 72/69, BFHE 99, 21, BStBl II 1970, 497) aufgefaßt werden könnte, wäre diese nicht begründet, weil die rechtlichen Interessen des Treugebers nach den Steuer gesetzen durch die Entscheidung des Gerichts nicht berührt wurden (§ 241 Abs. 2 AO a. F.), vielmehr ein Anspruch des Klägers gegen den Treugeber aus dem Treuhandvertrag vom 4. Mai 1959 nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu verfolgen wäre (vgl. auch § 120 Abs. 2 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 70996 |
BStBl II 1974, 643 |
BFHE 1974, 531 |