Leitsatz (amtlich)
1. Die zwischen Filmverleihern und Filmherstellern üblichen Vertragsformen.
2. Der Umsatz des Filmherstellers als Werklieferung (Lieferung eines Films) oder als sonstige Leistung (Übertragung von Urheberrechten).
Normenkette
UStG 1951 § 1; UStDB 1951 §§ 1-2, 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger), der sich als Filmproduzent betätigte, verpflichtete sich durch Vertrag vom ... gegenüber der A., in Gemeinschaftsproduktion mit einer ausländischen Filmgesellschaft unter dem Arbeitstitel ... einen Spielfilm herzustellen. Über die Autoren des Drehbuchs, die Linien des Handlungsablaufs, Regisseur, Kameramann und Hauptdarsteller bestand zwischen den Vertragspartnern schon vor dem Abschluß des Vertrages Übereinstimmung. Der Steuerpflichtige verpflichtete sich in dem Vertrage, das endgültige Drehbuch der A. rechtzeitig vor Drehbeginn zur Genehmigung vorzulegen und deren etwa geltend gemachten berechtigten Abänderungswünschen nachzukommen sowie die Besetzung der Nebenrollen, die Auswahl des Komponisten, eines deutschen Filmgeschäftsführers und des weiteren künstlerischen und technischen Stabes rechtzeitig vor Drehbeginn mit der A. abzustimmen. Außer einem Mitspracherecht in vielen anderen Fragen der Filmherstellung hatte sich die A. auch die Genehmigung der Kalkulation vorbehalten. Die Dreharbeiten sollten Anfang ... beginnen. Als Termin für die Ablieferung des Films an die A. war der ... vorgesehen.
Durch denselben Vertrag übertrug der Steuerpflichtige auf die A. zeitlich, inhaltlich und örtlich (Ausnahme: ...) unbeschränkt sämtliche "der Herstellung des Films zugrunde liegenden und bei der Herstellung und Bearbeitung des Films entstehenden Urheber-, Leistungsschutz- und Verwertungsrechte".
Die A. ihrerseits verpflichtete sich, dem Steuerpflichtigen für die Finanzierung des Vertragsfilms, dessen Herstellungskosten auf höchstens ... DM veranschlagt waren, einen Betrag von ... DM zur Verfügung zu stellen. Die ausländische Filmgesellschaft hatte an den Steuerpflichtigen als Garantie auf die Einspielergebnisse aus ... einen Betrag von ... DM zu zahlen. Den restlichen Teil der Herstellungskosten hatte der Steuerpflichtige aufzubringen. Die tatsächlichen Herstellungskosten beliefen sich auf rd. ... DM, der tatsächliche Finanzierungsanteil der A. auf ... DM.
Der Vertrag regelte ausführlich die Verteilung der Verleih- und Vertriebseingänge des Vertragsfilms unter die Vertragspartner. Danach sollte die A. bis zur Abdeckung der Finanzierungsanteile 25 v. H. der Brutto-Verleiherlöse als Verleihspesen erhalten. Die übrigen 75 v. H. waren zur Abdeckung der sogenannten Vorkosten, die danach verbleibenden Beträge (Produzenten-Anteil) zur Abdekkung der Finanzierungsanteile, und zwar zunächst des Anteils der A. und dann des Anteils des Steuerpflichtigen, bestimmt. Nach Abdeckung der Finanzierungsanteile sollten die weiteren Brutto-Verleiheingänge - nach Abzug der Vorkosten, jedoch ohne Berechnung von Verleihspesen - zwischen der A. und dem Steuerpflichtigen im Verhältnis 50 : 50 geteilt werden. Für die Auslandseingänge bestanden Sonderregelungen. Da die von der A. erzielten Einspielergebnisse nicht einmal deren eigene Unkosten deckten, ergab sich für den Steuerpflichtigen kein Produzentenanteil, auf den der vorgeleistete Finanzierungsbeitrag der A. hätte angerechnet werden können. Eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, den Finanzierungsbeitrag der A. aus eigenen Mitteln zurückzuzahlen, bestand nicht.
Streitig ist, ob der von der A. für die Herstellung des Vertragsfilms zur Verfügung gestellte Finanzierungsbeitrag das Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung des Steuerpflichtigen darstellt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog den Steuerpflichtigen für ... außer mit dem von ihm in der Umsatzsteuererklärung angegebenen Umsatz von ... DM mit dem auf ... DM abgerundeten Finanzierungsbeitrag mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, zwischen dem Steuerpflichtigen und der A. habe ein Leistungsaustausch stattgefunden. Der Steuerpflichtige habe den Vertragsfilm hergestellt und der A. das uneingeschränkte Auswertungsrecht an ihm übertragen. Hierfür habe er von der A. ... DM im voraus erhalten, die mit den künftigen Produzentenanteilen an den Einspielergebnissen verrechnet werden sollten. Es handele sich um eine sogenannte Verleihgarantie, durch die die A. dem Steuerpflichtigen - wie es zwischen Verleiher und Produzenten üblich sei - die anteiligen Einspielergebnisse mit einer Mindestsumme garantiert habe. Der Vertrag vom ... sei einheitlich auszulegen. Die als Finanzierungsbeitrag bezeichnete Verleihgarantie sei danach als Entgelt für die Leistung des Steuerpflichtigen und nicht - wie dieser meine - als Einlage der A. anläßlich der Gründung einer stillen Gesellschaft zwischen ihr und der Produktionsfirma anzusehen.
Die Berufung (jetzt Klage) des Steuerpflichtigen wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch das FG sah den Vertrag zwischen dem Steuerpflichtigen und der A. seinen wesentlichen Merkmalen nach als Ganzes an. Es liege - so wird in der Vorentscheidung dargelegt - der Fall einer sogenannten "echten Auftragsproduktion" vor. Der Ansicht des Steuerpflichtigen, der Vertrag zerfalle in zwei steuerrechtlich getrennt zu beurteilende Teile, nämlich die Vereinbarung über die Beteiligung der A. an der Finanzierung des Films einerseits und die Übertragung der Auswertungsrechte an die A. andererseits, der Rechtsstreit betreffe nur den ersten Teil, könne nicht gefolgt werden. Die Bestimmungen des Vertrages über die Finanzierung des Films und über die Übertragung des Auswertungsrechts gehörten zusammen, die einen wären ohne die anderen nicht getroffen worden. Das FA habe daher zu Recht den Finanzierungsbeitrag der A. als Vorausleistung und einziges Entgelt für die Übertragung der Auswertungsrechte an dem Vertragsfilm angesehen und der Umsatzbesteuerung unterworfen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO). In der Revisionsbegründung wird ausgeführt, der Finanzierungsbeitrag der A. stelle nicht vorausgezahltes Entgelt für eine Auftragsproduktion dar, sondern trage die charakteristischen Züge eines partiarischen Darlehens. Die Übertragung der Urheberrechte sei lediglich als eine branchenübliche Sicherungsmaßnahme im Hinblick auf das erhebliche Risiko des Verleihers wegen einer eventuellen Insolvenz des Produzenten zu bewerten. Wollte man den Finanzierungsbeitrag als Entgelt für eine Leistung des Steuerpflichtigen ansehen, so müßte eine schwer durchführbare Aufteilung in einen steuerbaren Inlandsumsatz und einen nichtsteuerbaren Auslandsumsatz stattfinden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich hinsichtlich der Rechtsbeziehungen zwischen dem Filmverleiher und dem Filmproduzenten im Laufe der Zeit drei verschiedene Vertragsformen herausgebildet haben:
1. Der echte Verleihvertrag (Lizenzvertrag), durch den der Produzent dem Verleiher an einem bereits fertiggestellten Film für eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Gebiet die ausschließlichen Auswertungsrechte mit dem erforderlichen Filmmaterial überträgt;
2. Die sogenannte echte Auftragsproduktion, bei der die Verleihfirma den Produzenten beauftragt, in dessen Namen und für dessen Rechnung einen Film herzustellen und ihr mit der Ablieferung des fertigen Films die ausschließlichen Auswertungsrechte zu übertragen;
3. Die sogenannte unechte Auftragsproduktion, die sich von der echten dadurch unterscheidet, daß der Produzent den Film als Erfüllungsgehilfe der Verleihfirma in deren Namen und für deren Rechnung herzustellen hat und die Urheberrechte von Anfang an bei der Verleihfirma sind (vgl. Urteil des Senats V 231/59 vom 21. Dezember 1961, HFR 1962, 287).
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG im Streitfalle eine "echte Auftragsproduktion" angenommen hat. Aus dem Inhalt und dem Sinn und Zweck des Vertrages vom ... ist klar ersichtlich, daß die A. den Steuerpflichtigen beauftragt hatte, den "Vertragsfilm" im eigenen Namen und für eigene Rechnung herzustellen. Die zahlreichen Verpflichtungen, die der Steuerpflichtige in dem Vertrage übernommen hatte (u. a. das Filmmaterial zu bestimmten Terminen der A. zu übergeben, die Urheber-, Leistungsschutz- und Verwertungsrechte zu erwerben und an die A. zu übertragen) beruhten auf einem ihm von der A. erteilten Auftrag, auch wenn die Worte "Auftrag" und "Auftragsproduktion" im Vertrage nicht gebraucht wurden. Daß der Steuerpflichtige den Film in Co-Produktion mit einem ausländischen Produzenten herzustellen hatte, hinderte die A. nicht daran, den Auftrag allein dem Steuerpflichtigen zu erteilen und es ihm zu überlassen, entsprechende Vereinbarungen mit der ausländischen Firma im wesentlichen selbst zu treffen.
Entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen, der Finanzierungsanteil sei keine Vorauszahlung auf spätere Einspielerlöse gewesen, bestimmte der Vertrag ausdrücklich, daß 75 v. H. der Bruttoverleiheingänge nach Bezahlung der Vorkosten (sogenannter Produzentenanteil) in erster Linie zur Abdeckung des Finanzierungsanteils der A. zu verwenden seien. Ein partiarisches Darlehen oder die Beteiligung eines stillen Gesellschafters war der Finanzierungsanteil der A. schon deshalb nicht, weil der Leistung der A. die Auslieferung des fertigen Films und die Übertragung der Urheberrechte als Gegenleistung des Steuerpflichtigen gegenüberstanden, die Interessen der Beteiligten mithin nicht gleichgerichtet, sondern im Verhältnis von Leistendem und Leistungsempfänger entgegengesetzt waren. Mit keinem Wort ist im Vertrag vom ... davon die Rede, daß die Übertragung der Urheberrechte an die A. nur zu Sicherungszwecken erfolgen solle. Als Darlehen kann der Finanzierungsanteil der A. auch deshalb nicht angesehen werden, weil den Steuerpflichtigen keine Rückzahlungspflicht traf, wenn die Einspielergebnisse nach Tilgung der Vorkosten zur Verrechnung des Finanzierungsanteils der A. nicht ausreichten. Es kommt hinzu, daß der Finanzierungsanteil von der A. nicht allgemein zur Förderung der vom Steuerpflichtigen betriebenen Geschäfte, sondern allein für den Vertragsfilm gegeben worden war.
Zu Recht haben die Vorinstanzen den Vertrag vom ... als einheitliches Ganzes gewürdigt. Die Zurverfügungstellung des mit den Einspielerlösen zu verrechnenden Finanzierungsanteils seitens der Verleihfirma sowie die Ablieferung des Films und die Übertragung der Urheberrechte seitens des Steuerpflichtigen standen in ursächlichem Zusammenhang zueinander. Die eine Leistung wäre ohne die andere nicht bewirkt worden. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen den Finanzierungsanteil der Verleihfirma als Entgelt für eine Leistung des Steuerpflichtigen behandelt.
Trotzdem war die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG hat es nämlich versäumt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht ein Teil des Entgelts als auf Auslandsumsätze entfallend von der Besteuerung auszunehmen sei, wie das FA im Berufungsverfahren beantragt hatte. Die Entscheidung der Frage hängt davon ab, ob der Umsatz des Steuerpflichtigen als Werklieferung (Lieferung eines Films) - dann voll steuerbar - oder als sonstige Leistung (Übertragung von Urheberrechten) - dann nur hinsichtlich der Ausübung der übertragenen Rechte im Inland steuerbar - zu beurteilen ist. Die zwischen den Verleihern und den Produzenten abgeschlossenen Verträge enthalten in der Regel (so auch im Streitfalle) sowohl Lieferungs- als auch Leistungselemente (Überlassung von Negativen und Kopien einerseits, Übertragung der Urheberrechte andererseits). Die Verträge können jedoch bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung und Wechselwirkung beider Vertragsbestandteile nach umsatzsteuerlichen Grundsätzen nur einheitlich beurteilt werden. Hierbei ist entscheidend, ob das Lieferungs- oder das Leistungselement überwiegt. Regelmäßig kommt es den Verleihern, insbesondere bei Spielfilmen, wesentlich auf die Aufführungs- und Verwertungsrechte und auf die Befugnis an, diese weiter auf die Filmtheaterbesitzer übertragen zu können (Urteil des BFH V 245/56 S vom 31. Januar 1957, BFH 64, 245, BStBl III 1957, 93). Besitzt jedoch der Auftraggeber bereits die Verfilmungsrechte, nimmt er auf die Gestaltung des Films (z. B. durch Gestellung der Oberleitung) entscheidenden Einfluß und sehen die Parteien in der Ablieferung eines einwandfreien Negativs das wesentliche Vertragsmerkmal, wie es bei Lehr- und Werbefilmen die Regel ist (vgl. Urteile des BFH V 226/55 S vom 31. Januar 1957, BFH 64, 317, BStBl III 1957, 119; V 75/56 U vom 31. Januar 1957, BFH 64, 322, BStBl III 1957, 121), ausnahmsweise aber auch bei Spielfilmen vorkommt (vgl. Urteil des BFH V 17/56 U vom 31. Januar 1957, BFH 64, 320, BStBl III 1957, 120), so bewirkt der Produzent an den Auftraggeber eine Werklieferung.
Im Streitfalle ist die erste Alternative gegeben: Die A. war nicht im Besitz der Urheber- und Verwertungsrechte, diese mußten vielmehr erst vom Steuerpflichtigen erworben (§ 4 des Vertrages) und auf die A. übertragen werden (§ 5 des Vertrages); die A. hatte zwar - wie oben dargestellt - weitgehende Mitsprache- und Kontrollrechte, die Gestaltung des Films und die Leitung der Herstellung oblagen jedoch dem Produzenten; wie bei Spielfilmen üblich, kam es den Vertragspartnern wesentlich auf die Aufführungs- und Verwertungsrechte an, um durch deren ungestörte Ausnutzung möglichst hohe Einspielergebnisse zu erzielen. Der Steuerpflichtige hat mithin an die A. eine sonstige Leistung bewirkt, deren wesentlicher Inhalt war, die Aufführung und Verwertung des Vertragsfilms im Inland und im Ausland (mit Ausnahme von ...) zu dulden.
Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen, dessen Aufgabe es sein wird, das Entgelt von ... DM in einen steuerbaren, auf das Dulden im Inland und einen nichtsteuerbaren, auf das Dulden im Ausland entfallenden Teil aufzugliedern. Hierbei können die tatsächlich im Inland bzw. Ausland erzielten Einspielergebnisse zugrunde gelegt und zu dem Finanzierungsanteil der A. ins Verhältnis gesetzt werden. Sollten die tatsächlichen Einspielergebnisse noch nicht endgültig feststehen, so werden die beiden Teile unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Vertrages zu schätzen sein.
Fundstellen
BStBl II 1969, 211 |
BFHE 1969, 416 |