Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Bei gärtnerischen Betrieben sind die der Pflanzenaufzucht dienenden Gewächshäuser mit Vollglasumschließung und seitlich und nach oben ausschwenkbaren Fenstern auch dann Betriebsvorrichtungen (und nicht Gebäude), wenn sie durch ihre Fundamente mit dem Grund und Boden fest verbunden sind.
Normenkette
GrEStG § 2 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Es ist streitig, ob Gewächshäuser einer Gärtnerei als Gebäude oder als Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG anzusehen sind.
I. - Die Brüder Hans Z. und der - zwischenzeitlich verstorbene, von seiner Ehefrau (Bfin.) beerbte - Max Z., beide Gärtnereibesitzer, setzten sich durch Grundstücksteilungsvertrag vom Dezember 1958 hinsichtlich des ihnen als Eigentümer "je zur Hälfte unabgeteilt" gehörenden Grundbesitzes auseinander. Hierbei erhielt Max Z. u. a. eine Gewächshausanlage. Nach den "Bestimmungen" des Vertrags hatte Max Z. als Wertausgleich seinem Bruder ... DM bar auszuzahlen.
Das Finanzamt behandelte den Vorgang einerseits als steuerfrei nach § 7 Abs. 1 GrEStG und setzte andererseits wegen der Barauszahlung eine Grunderwerbsteuer fest.
Den Einspruch begründete Max Z. damit, daß die Gegenleistung nicht für den Erwerb des Grund und Bodens, sondern für die Gewächshausanlagen gewährt worden sei, da er flächenmäßig weniger Grund und Boden erhalten habe als sein Bruder. Diese Gewächshausanlagen seien Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG; sie seien auch ertragsteuerrechtlich nach Betriebsprüfungen als solche behandelt worden. Ihr Erwerb unterliege also nicht der Grunderwerbsteuer.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück, da die Gewächshäuser mit dem Grund und Boden durch ein tragkräftiges Fundament mit Bodenplatte und entsprechenden Aufmauerungen fest verbunden seien und als Gebäude zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehörten.
Mit der Berufung wies der Erwerber noch darauf hin, daß Hauptzweck der Gewächsanlagen die Aufzucht von Pflanzen in feuchtwarmer Luft auch bei ungünstigem Freilandklima sei.
Das Finanzgericht forderte Lichtbilder an, aus denen auch die Fundierungen und die Türverhältnisse ersichtlich sein müßten. Danach hielt es unter Bezugnahme auf das Lichtbild die Berufung für unbegründet: Die Fundamentierung der Gewächshäuser sei fest mit dem Boden verbunden und könne ohne Zerstörung nicht beseitigt werden. Wände und Dächer seien mit der Fundamentierung fest verbunden. Als Gebäude sei stets und schlechthin ein Bauwerk anzusehen, das Personen, Tieren und (gemeint ist wohl richtig: oder) Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewähre und mit dem Grund und Boden fest verbunden sei. Da dies zu bejahen sei, seien die Gewächshäuser keine Betriebsvorrichtungen; der Erwerber berufe sich deshalb zu Unrecht auf § 76 EStDV mit Anlage 1 Ziff. 25 bis 29 und Anlage 2 D Ziff. 1 a bis c, da die Gewächshäuser Gebäude seien.
Mit der Rb. macht die Bfin. unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens im wesentlichen geltend, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn dasselbe Finanzamt bei verschiedenen Steuerarten die Begriffe Gebäude und Betriebsvorrichtung verschieden auslege. Bei der Heizungs- und Beregnungsanlage mit Glas- und Eisenkonstruktion und einem Fundament von 30 cm bis 50 cm Höhe handele es sich um eine Betriebsvorrichtung zur Pflanzenaufzucht und nicht zum Schutz gegen äußere Einflüsse.
Entscheidungsgründe
II. -
Die Rb. führt zur Freistellung der Bfin. von der angeforderten Grunderwerbsteuer.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GrEStG rechnen zu den Grundstücken im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts unter anderem nicht Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt, d. h. auch für land- und forstwirtschaftliche (z. B. gärtnerische) Grundstücke. Diese Bestimmung zur Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen von den Gebäuden stimmt im Ergebnis mit der des § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG überein. Deshalb ist es nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil II 41/55 U vom 30. November 1955, BStBl 1956 III S. 21, Slg. Bd. 62 S. 55) an sich nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht, obwohl § 50 BewG gemäß § 18 Abs. 2 BewG nicht für die Grunderwerbsteuer gilt, von den Grundsätzen des Bewertungsrechts und insbesondere von der entsprechenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs und praktisch den damit übereinstimmenden Abgrenzungsrichtlinien des früheren Reichsministers der Finanzen - Runderlasse vom 4. Mai 1940 (RStBl 1940 S. 497, 498) - zu den Begriffen des Gebäudes und der Betriebsvorrichtungen ausgegangen ist. Dabei ist zunächst der Vorbehalt zu machen, daß diese Rechtsprechung und diese Richtlinien vornehmlich der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen (bzw. von den Betriebsgrundstücken; vgl. §§ 50, 57 BewG) dienen, während die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens - also auch, wie im Streitfall, des gärtnerischen Vermögens (vgl. §§ 28, 29, 48 BewG) - Grund und Boden, Gebäude und Betriebsvorrichtungen gleichermaßen umfassen. Die oben angeführten Abgrenzungsmerkmale können deshalb auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft nur unter Berücksichtigung der dort möglicherweise besonders gelagerten Verhältnisse und Bedürfnisse übertragen werden.
Außerdem hat das Finanzgericht anscheinend, soweit sich aus der nicht zureichenden Begründung entnehmen läßt, die Gebäudeeigenschaft der Gewächshausanlagen entscheidend (nur) aus der unstreitig festen Verbindung zwischen Grund und Boden, Fundamenten und Verstrebungen (Tragegerüst) abgeleitet. Schon hiernach besteht die Möglichkeit eines Rechtsirrtums.
Schließlich hat das Finanzgericht nicht geprüft, inwieweit die Entwicklung der Technik und die entsprechend ergänzte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine gewisse Erweiterung des Kreises der Betriebsvorrichtungen zumindest im Streitfalle im Gefolge haben konnten. So genügt es für die Bejahung der Gebäudeeigenschaft nicht mehr, daß Menschen in das Bauwerk nur eintreten können; sie müssen sich darin auch aufhalten können. Deshalb sind kleine Bauwerke, die sich nach der Verkehrsanschauung nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen eignen, als Betriebsvorrichtungen anzusehen (vgl. insoweit Urteil des Bundesfinanzhofs III 110/50 S vom 24. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 84, 85 linke Spalte, Slg. Bd. 56 S. 209). Zu solchen kleinen Bauwerken könnten nach Auffassung des Senats gegebenenfalls auch Gewächshäuser gerechnet werden, die in der Giebelhöhe kaum mehr als mannshoch sind und nur beschränkte Arbeitsmöglichkeiten bieten. - Ferner sind, wie der Satzteil " ... Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören ..." (ß 2 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG, § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG) ergibt, solche Vorrichtungen den Betriebsvorrichtungen zuzurechnen, die einem bestimmten Betrieb zu dienen bestimmt sind, Vorrichtungen also, durch die dieser Betrieb betrieben wird und die mit letzterem in besonderer Beziehung stehen (vgl. insoweit Urteil des Bundesfinanzhof III 382/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 400, Slg. Bd. 67 S. 325).
Die Vorentscheidung, die Erwägungen dieser Art nicht angestellt hat, war aufzuheben.
Bei der dem Senat nunmehr zustehenden freien Beurteilung (ß 296 Abs. 3 AO) ist die Sache spruchreif. Schon allgemein kann die Frage, ob ein Bauwerk als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung zu betrachten ist, nur unter Würdigung des Einzelfalls beantwortet werden (vgl. insoweit Urteil des Bundesfinanzhofs III 228/59 U vom 19. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 121, 122 rechte Spalte, Slg. Bd. 74 S. 315; Gürsching, Der Betriebs-Berater 1961 S. 324 rechtes Spalte). Dies gilt auch für Gewächshäuser, die in unterschiedlicher Bauart errichtet sein können. Aus dem unwidersprochenen Sachvortrag und dem Lichtbild ergibt sich, daß zwar das eiserne Stütz- und Traggerüst mit dem Relativ niedrigen Fundament fest verbunden ist. Die Umschließung ist auf allen Seiten und oben vollverglast. Die längsseitige Umwandung ist leicht schräg nach innen geneigt; sie enthält in ganzer Höhe durchlaufende Vollglasfenster, die nach außen ausschwenkbar sind. Auch die mäßig zur Mitte ansteigenden Vollglasfenster der Dachumschließung sind nach oben ausschwenkbar.
Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Vollglasgewächshausanlagen im Streitfall als geeignet bezeichnet werden können, Menschen, Tieren oder Sachen durch ihre Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse in einem Maße zu gewähren, wie dies von einem Gebäude erwartet werden muß. Nicht zu unrecht weist die Bfin. darauf hin, daß bei einem größeren Unwetter, wie Hagelschlag oder Sturm, die Gefahr der Verletzung durch splitterndes Glas größer sein könne als die Schutzgewährung. Selbst wenn man Zweifel haben könnte, ob solche "Gewächshäuser" nicht doch wegen ihrer äußeren Form als Gebäude gelten müßten, so könnte es sich nur scheinbar (nur nach dem äußeren Schein), nicht aber wirklich um Gebäude handeln. Denn schon ein Beschauer aus dem allgemeinen Kreis vernünftig denkender Menschen müßte bei verständiger und eingehender Betrachtung des Bauwerks (d. h. also auch in Kenntnis von Art und Aufgaben des Bauwerks als Gewächshaus) den Gesamteindruck gewinnen (vgl. insoweit Urteile des Bundesfinanzhofs III 206/55 U vom 3. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 78 rechte Spalte, Slg. Bd. 62 S. 205; III 285/59 vom 19. Januar 1962, Höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung 1962 Nr. 308 S. 322 rechte Spalte), daß den geschilderten Glasumschließungen die Eigenschaft von Gebäudeteilen nicht zugesprochen werden kann. Sowohl tatsächlich (für den unbefangenen Beschauer) als auch rechtlich erscheinen dabei die folgenden Tatsachen und Erwägungen ausschlaggebend. Die nur mittelhohen, mit Heizungs- und Beregnungsanlagen ausgestatteten Gewächshäuser dienen unstreitig der Aufzucht von Pflanzen, und zwar unter solchen klimatischen Verhältnissen nach Licht (Sonne und Schatten), Luft (Luftzusammensetzung, Feuchtigkeitsgehalt), Temperatur usw., deren die Pflanzen unabhängig von dem Freilandklima auch in ungünstiger Jahreszeit zum Wachstum bedürfen. (Im Januar 1960 z. B. befand sich in den Gewächshäusern eine Gurkenaufzucht unter feuchtwarmer Treibhausluft). Die Licht-, Luft- und Temperaturverhältnisse können nach den Erfordernissen der jeweiligen Kulturen durch die seitlich und oben verstellbaren Glasfenster in Verbindung mit den Heizungs- und Beregnungsanlagen besonders geregelt (aufeinander abgestimmt) werden. Durch diese andersartigen Aufgaben unterscheiden sich die Umschließungen der Gewächshäuser jedenfalls im Streitfall entscheidend von den üblichen Umschließungen und Fenstern von Gebäuden. Die Glasumschließungen einschließlich der auf ihnen ruhenden überdachung sind damit selbst notwendige Bestandteile der Betriebsvorrichtung, die kraft ihrer besonderen Beziehung unmittelbar dem gärtnerischen Betrieb dient.
Unter Würdigung aller Umstände kommt der Senat deshalb zur Auffassung, daß die Gewächshäuser im Streitfall als Betriebsvorrichtungen anzusehen sind.
Da der Erwerber die Gegenleistung unstreitig ausschließlich als Wertausgleich für die Gewächshausanlagen entrichtet hat, waren die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid des Finanzamts ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 411470 |
BStBl III 1965, 116 |
BFHE 1965, 320 |
BFHE 81, 320 |