Leitsatz (amtlich)
Befinden sich auf einem Grundstück sowohl das Wohngebäude des Betriebsinhabers als auch das Betriebsgebäude und gehören die beiden Grundstücksteile wirtschaftlich zusammen, so liegt eine wirtschaftliche Einheit auch dann vor, wenn die Grundstücksteile nach dem Willen der Eigentümer nicht einem gemeinsamen Zweck dienen.
Normenkette
BewG 1965 §§ 2, 70 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), ein Ehepaar, sind Eigentümer eines 2 484 qm großen Grundstücks, das mit einem baufälligen Wohngebäude sowie einem Betriebsgebäude eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft bebaut war. Die Kläger errichteten nach Abriß des Altgebäudes ein neues Wohnhaus, das 1970 bezugsfertig wurde. Das Betriebsgebäude wurde für die gewerblichen Zwecke des Klägers umgebaut und durch Anbauten erweitert.
Das Wohnhaus liegt mit seiner Längsseite parallel zur Hauptstraße des Ortes. Dahinter liegt das Betriebsgebäude. Die Gebäude sind durch einen 13,5 m breiten, durchgehend asphaltierten Hof verbunden. Die ca. 10 m breite asphaltierte gemeinsame Grundstücksauffahrt führt rechts am Wohnhaus vorbei und mündet in den Hof. Der rückwärtige Teil des Grundstücks, eine Wiese, wird bei Bedarf vom Kläger als Lagerplatz genutzt.
Das Wohnhaus hat eine Wohnfläche von 152 qm, zuzüglich eines Raumes von 22 qm, der als Büro für den Heizungsbaubetrieb des Klägers genutzt wird. Es hat zwei Eingänge. Der Haupteingang befindet sich an der Stirnseite des Wohnhauses. Neben ihm ist an der Hauswand ein Hinweisschild mit dem Namen des Klägers und seiner Berufsbezeichnung. Der zweite Eingang befindet sich an der Rückseite des Gebäudes. Er wird von den Familienangehörigen und den Betriebsangehörigen benutzt.
Das Betriebsgebäude wird als Werkstatt und Lager genutzt und hat einschließlich der Anbauten (Sozialräume, Öltankraum und betrieblich genutzte Garagen) eine Nutzfläche von 259 qm.
Die gesonderten Heizungsanlagen im Wohnhaus und im Betriebsgebäude wurden zum Feststellungszeitpunkt ohne weitere Meßeinrichtung aus dem Heizöltank im Betriebsgebäude gespeist. Ebenfalls ohne weitere Meßeinrichtung wird die Frischwasserversorgung des Betriebsgebäudes vom Anschluß des Wohngebäudes abgezweigt. Der Stromverbrauch aus einem gemeinsamen Anschluß wird für Wohn- und Betriebsgebäude jeweils über getrennte Zähler gemessen.
Mit Nachfeststellung auf den 1. Januar 1974 bewertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den gesamten Grundbesitz der Kläger zunächst als Geschäftsgrundstück.
Der Einspruch der Kläger, mit dem sie die Aufteilung ihres Grundbesitzes in zwei wirtschaftliche Einheiten gemäß § 2 des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 10. Dezember 1965 (BewG 1965) begehrten, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung stellte das FA die Grundstücksart "gemischtgenutztes Grundstück" (§ 75 Abs. 4 BewG 1965) fest. Zuvor hatte das FA bei der zuständigen Baubehörde angefragt, ob eine Teilung des Grundstücks zulässig sei und genehmigt würde. Diese schloß die Zustimmung zur Teilung für den Fall nicht aus, daß das Einvernehmen mit der Gemeinde hergestellt sei, auf dem rückwärtigen Grundstücksteil keine weiteren Gebäude zu errichten und das vorhandene Gebäude unverändert zu nutzen.
Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) den Einheitswertbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben. Es hat das FA verpflichtet, die Kläger unter Beachtung seiner Rechtsauffassung -- bei Wohn- und Betriebsgebäude handele es sich um zwei wirtschaftliche Einheiten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965 -- zu bescheiden. Es hat es dabei als wesentlich angesehen, daß Wohn- und Betriebsgebäude nicht einem gemeinsamen Zweck dienen würden und eine Trennung beider Grundstücksteile ohne große bauliche Veränderung möglich sei. Hinzu komme, daß es sich bei dem Grundbesitz der Kläger auch nach dem äußeren Erscheinungsbild um zwei wirtschaftliche Einheiten handele.
Mit der vom FG zugelassenen Revision wendet das FA ein, das FG habe die objektiven Merkmale des Begriffs wirtschaftliche Einheit unzutreffend gewürdigt und dem mit der Verkehrsanschauung nicht zu vereinbarenden subjektiven Willen des Eigentümers zu Unrecht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Bei kleineren und mittleren Gewerbebetrieben entsprecht eine solche von einem einheitlichen Zweck bestimmte Bebauung -- Gewerbebetrieb mit Wohnteil -- der örtlichen Gewohnheit. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Baubehörde sich nur unter Auflagen dazu bereitgefunden habe, eine Teilung des Grundstücks nicht mehr auszuschließen. Aber auch die tatsächliche Übung spreche für ein einheitliches Grundstück, da die beiden Gebäude eine gemeinsame Zufahrt hätten und keine Trennungsmerkmale aufwiesen, sondern durch die asphaltierte Hoffläche verbunden seien. Zudem sei durch das Büro im Wohngebäude ein tatsächlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betriebsgebäude hergestellt worden.
Im vorliegenden Fall sei die Trennungsmöglichkeit und Teilbarkeit des Grundstücks kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen von zwei wirtschaftlichen Einheiten. Wohn- und Betriebsgebäude gehörten hier wirtschaftlich zusammen.
Die Kläger haben beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Gemäß § 70 Abs. 1 BewG 1965 bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück i. S. des BewG. Der Begriff wirtschaftliche Einheit wurde als Typusbegriff in das Bewertungsrecht eingeführt, um den Bewertungsgegenstand abzugrenzen, d. h. die Bewertungseinheit zu bestimmen. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 BewG nach der Verkehrsauffassung, mithin also vornehmlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG 1965). Es sind also neben objektiven auch subjektive Merkmale maßgebend. Stehen allerdings subjektive Merkmale, wie z. B. die Zweckbestimmung, im Widerspruch zu objektiven Merkmalen, wie z. B. der örtlichen Gewohnheit, so sind die objektiven Merkmale entscheidend (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH-- vom 16. Februar 1979 III R 67/76, BFHE 127, 59, BStBl II 1979, 279).
2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann lag im Streitfall am maßgeblichen Stichtag nur eine wirtschaftliche Einheit vor. Im Streitfall steht die Zweckbestimmung als subjektives Merkmal im Widerspruch zu dem objektiven Merkmal wirtschaftliche Zusammengehörigkeit. Diese ergibt sich aus dem Umfang der Nutzungsüberschneidungen zwischen der betrieblichen Nutzung des Grundstücks und seiner Nutzung zu Wohnzwecken. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß das Wohngebäude und das Betriebsgebäude durch die gemeinsamen Außenanlagen -- Asphaltierung und Zufahrt -- und durch die Versorgungsleitungen für Heizöl und Wasser in ihrer Nutzung verbunden sind. Das Wohnhaus ist darüber hinaus durch das Büro und seine räumliche Zuordnung, wie z. B. durch die Hoftüre, in die betriebliche Nutzung miteinbezogen. Dies wird durch die vom FG festgestellte tatsächliche betriebliche Nutzung durch die Kläger, die Betriebsangehörigen und Kunden bestätigt. Für die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der beiden Grundstücksteile spricht auch die Lage des Grundstücks der Kläger in einem Ort mit gemischter Bebauung, die überwiegend durch landwirtschaftliche und gärtnerische Betriebe sowie durch Einfamilienhäuser, kleine Handwerksbetriebe und Geschäfte gekennzeichnet ist. Bei einer derartigen Ortsstruktur ist die wirtschaftliche Verbindung zwischen Wohnhaus und handwerklichem Betriebsgebäude auf ein und demselben Grundstück durchaus üblich.
Ergibt sich aber aus dem Umfang von Nutzungsüberschneidungen verschiedener Grundstücksteile, wie im Streitfall, daß diese wirtschaftlich zusammengehören, tritt das subjektive Merkmal Zweckbestimmung zurück. Das Grundstück ist als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten. Auf die Frage, ob jedes Gebäude für sich veräußert werden kann, kommt es demnach nicht mehr an; ebensowenig darauf, ob der Kläger als Betriebsinhaber das Wohngebäude wegen der Eigenart des Betriebs im räumlichen Zusammenhang mit dem Betriebsgebäude errichtet hat, also das Wohn- und das Betriebsgebäude in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen. Der für das Ertragsteuerrecht zur Abgrenzung der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zu einem Gebäude als dessen Bestandteil entwickelte Begriff des Nutzungsund Funktionszusammenhanges (vgl. BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) ist auf das Bewertungsrecht insoweit nicht übertragbar (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 68 BewG Rdnr. 24.4). Für die bewertungsrechtliche Beurteilung des Begriffs wirtschaftliche Einheit ist allein die Vorschrift des § 2 BewG 1965 maßgebend.
3. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 74756 |
BStBl II 1983, 752 |
BFHE 1984, 201 |