Leitsatz (amtlich)
Abstandszahlungen und Prozeßkosten, die der Ersteigerer eines Mietwohngrundstücks dafür aufwendet, daß ein Mieter seine Wohnung vorzeitig für den neuen Eigentümer freimacht, können sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Kläger machte bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten eine Abstandszahlung und Prozeßkosten von insgesamt 6 751,59 DM geltend, die er aufgrund eines Rämungsvergleichs an die Schwiegermutter des früheren Eigentümers zahlte. Diese hatte sich unter Berufung auf ein gegen Hingabe von 30 000 DM angeblich erworbenes und noch acht Jahre laufendes, schuldrechtlich vereinbartes Wohnrecht zunächst geweigert, die von ihr bewohnte Einliegerwohnung nach der Ersteigerung des Hauses durch den Kläger zu räumen. Das FA behandelte die Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten für das Gebäude und ließ bei der Veranlagung lediglich hierauf auf die Zeit bis zum Einzug entfallende Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 68 DM zum Abzug zu.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA kürzte die bei der Veranlagung gewährte AfA um 68 DM und vertrat nunmehr die Auffassung, der Kläger habe mit der Zahlung von 6 751,59 DM ein immaterielles Wirtschaftsgut erworben. Demgemäß seien die Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auf den Zeitraum zu verteilen, um den die Wohnung durch die Abstandszahlung gegenüber der ursprünglichen Laufzeit des behaupteten Wohnrechts früher freigeworden sei. Die auf das Streitjahr entfallende AfA sei mit dem nach der Einfamilienhaus-Verordnung anzusetzenden Nutzungswert abgegolten.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage unter Bestätigung der Rechtsauffassung des FA als unbegründet zurück.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 9 Abs. 1 EStG. Sie machen geltend:
Der Zuschlagsbeschluß für das Grundstück weise aus, daß auf dem Grundstück keine Rechte bestehengeblieben seien. Erst nach Kündigung der Bewohner des Gebäudes durch den Kläger habe die Mutter des früheren Eigentümers eingewendet, daß sie ein Wohnungsbaudarlehen gewährt habe und eine vorzeitige Kündigung deshalb ausgeschlossen sei. Der Kläger habe von dem im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) vorgesehenen außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und zur Vermeidung eines langwierigen Prozesses einem Vergleich zugestimmt. Deshalb müßten im Streitfall die Aufwendungen des Klägers wie Kosten für die Beseitigung eines versteckten Mangels des erworbenen Gebäudes sofort als Werbungskosten abgezogen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der Einkommensteuer.
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68 (BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880) ausgeführt hat, sind Kosten, die dem Hausbesitzer durch Räumungsprozesse gegen den Mieter erwachsen, Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Werbungskosten sind auch Abstandszahlungen, die der Eigentümer von Grundbesitz an den bisherigen Pächter leistet, um ihn zum Verzicht auf sein Pachtrecht vor Ablauf der vertraglich festgelegten Pachtzeit zu veranlassen (Urteil des BFH vom 25. Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730). Nach den für diese Rechtsprechung maßgebenden Überlegungen sind auch im Streitfall, in dem der Kläger als Ersteher des Grundstücks gemäß § 57 ZVG in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis eingetreten ist und sich deshalb veranlaßt sah, im Vergleichsweg eine Abfindung an die Schwiegermutter des Voreigentümers zu zahlen sowie die Kosten des Räumungsprozesses zu übernehmen, die Ausgaben des Klägers sofort abziehbare Werbungskosten. Denn auch dieser Aufwand ist unmittelbar auf die Nutzung des Gebäudes durch den Kläger gerichtet. Unerheblich ist, daß die Aufwendungen des Klägers auf die Eigennutzung des mit dem Zuschlag erworbenen Grundstücks gerichtet waren; nach der Rechtsprechung steht Aufwand für die Eigennutzung dem für die Fremdnutzung gleich (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9; vom 26. März 1974 VIII R 210/72, BFHE 112, 165, 167, BStBl II 1975, 6).
Der Auffassung des FG und des FA, daß der Kläger aufgrund der Abfindung ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut erworben habe und seine Aufwendungen demgemäß auf den Zeitraum zwischen dem vereinbarten Räumungstermin und dem ursprünglich vereinbarten Ende des Wohnrechts zu verteilen seien, kann nicht gefolgt werden. Der von der Vorinstanz zitierte Beschluß des BFH vom 2. März 1970 Gr. S. 1/69 (BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382) ist zur steuerrechtlichen Behandlung einer Pächterabfindung im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 und § 4 Abs. 1 EStG ergangen. Für diesen Bereich werden der Ansatz und die damit verbundene AfA für den durch die Pächterabfindung erlangten Vorteil aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den steuerrechtlichen Aktivierungsvorschriften abgeleitet. Diese Grundsätze sind aber nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes auf die Ermittlung der Einkünfte durch den Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten nicht übertragbar. Im Bereich der Überschußeinkünfte ist die Behandlung eines Rechnungsabgrenzungspostens als abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Ausgaben sind auch dann, wenn sie wirtschaftlich ein anderes Kalenderjahr betreffen, grundsätzlich im Zeitpunkt des Abflusses als Werbungskosten abzuziehen. Als Rechnungsabgrenzungsposten in diesem Sinne ist auch die vom Eigentümer gezahlte Mieterabfindung dafür, daß der Mieter dem Eigentümer oder einem anderen Platz macht, anzusehen. Der Eigentümer erlangt mit der Zahlung keinen abschreibbaren Gegenstand, der zur Einkunftserzielung eingesetzt wird. Das abgelöste Mietrecht erlischt vielmehr durch die Vereinigung mit dem Grundstückseigentum. Der Vorteil der früheren Eigennutzung ist danach außerhalb des nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzenden Betriebsvermögens der steuerlichen Erfassung entzogen.
Die Abfindung kann auch nicht den Anschaffungskosten des Gebäudes zugerechnet werden. Denn ausschlaggebend für die Abgrenzung der Werbungskosten von den Anschaffungskosten ist nicht in erster Linie, ob ein zeitlicher, sondern ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückserwerb und den Aufwendungen besteht (BFH-Urteil vom 14. August 1956 I 82/56 U, BFHE 63, 322, BStBl III 1956, 321). Eine solche sachliche Verknüpfung ist im Streitfall zu verneinen. Denn der Kläger hat das Grundstück bereits mit dem Zuschlag erworben und die Abfindung für das behauptete und das Kündigungsrecht des Erstehers gemäß § 57 c ZVG ausschließende Mietrecht unstreitig nicht in die Kalkulation seines Meistgebots einbezogen. Angesichts der dem Vollstreckungsgericht gemäß § 57 d ZVG im Interesse des Erstehers obliegenden Pflicht, solche Mietrechte vor dem Versteigerungstermin festzustellen und mangels Bekanntgabe einer entsprechenden Mietererklärung im Versteigerungstermin (§ 57 d Abs. 2 ZVG) kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger als Ersteher des Grundstücks mit einer derartigen Beschränkung des Kündigungsrechts habe rechnen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 72728 |
BStBl II 1978, 337 |
BFHE 1978, 445 |