Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Aktien-Optionsrechten als Spekulationsgeschäft
Leitsatz (NV)
Der Gewinn aus der Veräußerung entgeltlich erworbener Aktien-Optionsrechte unterliegt nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkommensteuer.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erklärte im Streitjahr 1989 u. a. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Daneben teilte er dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) mit, er habe Optionsrechte zum Erwerb von Aktien verschiedener Unternehmen (Kaufoptionen) erworben, die er innerhalb von sechs Monaten ohne Ausübung der Option wieder veräußert habe. Der hieraus im Streitjahr erzielte Überschuß von ... DM unterliege seiner Auffassung nach nicht der Einkommensteuer.
Das FA folgte dem nicht und erfaßte im Einkommensteuerbescheid für 1989 bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch diesen Gewinn. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Gegenstand des Klageverfahrens war der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 5. Oktober 1992, mit dem das FA den Spekulationsgewinn um ... DM gemindert hat.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von §§ 22 Nr. 2, 23 EStG.
Optionsgeschäfte (Ersterwerb und Zweiterwerb an Optionsrechten) seien ebenso wie Devisentermingeschäfte Rechtsgeschäfte i. S. des § 764 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und Börsentermingeschäfte i. S. der §§ 50 ff. des Börsengesetzes -- BörsG -- (Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 4. Februar 1992 IX ZR 32/91, Betriebs-Berater -- BB -- 1992, 1232). Nicht anders als bei Devisentermingeschäften handle es sich um Spiel oder Wette vergleichbare Geschäfte.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1989 in der Weise neu festzusetzen, daß die Einkünfte aus §§ 22 Nr. 2, 23 EStG um ... DM gemindert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens wurde der Einkommensteuerbescheid am 14. November 1994 und am 15. Mai 1995 aus nicht das vorliegende Verfahren betreffenden Gründen geändert. Die Rechtsbehelfsbelehrung beider Bescheide enthielt keinen Hinweis auf die Monatsfrist des § 68 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90). Gegen beide Bescheide hat der Kläger zunächst Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 23. August 1995 hat der Kläger beantragt, den geänderten Bescheid vom 15. Mai 1995 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auf Antrag des Klägers der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 15. Mai 1995 geworden.
a) Der gemäß § 123 Satz 2, § 127 FGO auch im Revisionsverfahren zulässige Antrag nach § 68 FGO ist zwar erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO gestellt worden; er ist aber gleichwohl wirksam. Da die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 15. Mai 1995 nicht den nach § 68 Satz 3 FGO gebotenen Hinweis auf die Antragsfrist (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Mai 1994 XI R 42/93, BFHE 174, 370, BStBl II 1994, 706; vom 24. Januar 1995 IX R 22/94, BFHE 176, 315, BStBl II 1995, 328) enthielt, konnte der Antrag entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des neuen Verwaltungsaktes gestellt werden (BFH-Urteil in BFHE 176, 315, BStBl II 1995, 328).
b) Der Antrag nach § 68 FGO war ungeachtet dessen zulässig, daß der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 15. Mai 1995 bereits Einspruch eingelegt hatte.
Der nach Einlegung des Einspruchs gegen den Änderungsbescheid gestellte Antrag gemäß § 68 FGO, der die konkludente Erklärung der Rücknahme des Einspruchs enthält (z. B. BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 134/92, BFH/NV 1995, 114, m. w. N. der Rechtsprechung), kann gestellt werden, solange die Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO noch nicht abgelaufen ist (vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658; BFH in BFH/NV 1995, 114). Gleiches gilt für die Jahresfrist, wenn -- wie im Streitfall -- wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung durch das FA der Antrag nach § 68 FGO entsprechend § 55 Abs. 2 FGO noch innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Änderungsbescheides gestellt werden kann.
2. Zu Recht hat das FG entschieden, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Optionsrechte gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkommensteuer unterliegt.
a) Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern als Grundstücken nicht mehr als sechs Monate beträgt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Der Begriff Wirtschaftsgut entspricht grundsätzlich demjenigen der übrigen Einkunftsarten (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298) und umfaßt sämtliche vermögenswerten Vorteile, die selbständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Selbständige Wirtschaftsgüter sind deshalb auch entgeltlich erworbene Optionsrechte; ihre Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Besteuerung (bereits BFH-Urteil vom 19. Mai 1982 I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768). Für den Erwerb und die Veräußerung von Wertpapieroptionen gelten entgegen der Auffassung des Klägers keine Besonderheiten.
b) Inhalt eines solchen Optionsgeschäftes ist der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren einer bestimmten, zum Optionshandel zugelassenen Aktienart (Basisaktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen (Kaufoption) oder an ihn zu verkaufen (Verkaufsoption). Für dieses Recht hat der Inhaber der Option bei Abschluß des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen. Allerdings ist das "Optionsrecht" nicht schon beim Optionsgeber (Stillhalter) ein -- selbst geschaffenes -- selbständiges, im Vermögensbereich übertragbares Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 28. November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; Senatsurteil vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, 181, BStBl II 1991, 300, m. w. N.). Das wird es erst in der Hand des Optionsnehmers, der gegen Zahlung der Optionsprämie das Optionsrecht erworben hat; der Gewinn aus der Veräußerung des entgeltlich erworbenen Optionsrechtes an einen Dritten innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt deshalb nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkom, mensteuer (Senatsbeschluß vom 31. Juli 1995 X B 167/94, BFH/NV 1996, 34, m. w. N. aus der Lite ratur und Rechtsprechung der FG; ferner z. B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 1996, § 23 Rz. 9, m. w. N.; Bansemer in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 23 EStG Rdnr. 67).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist ohne Bedeutung, ob zivilrechtlich nicht nur der Ersterwerb der Option vom Stillhalter (Primärgeschäft), sondern auch die Weiterveräußerung des Optionsrechtes durch oder an eine nicht termingeschäftsfähige Person (Sekundärgeschäft) ein unverbindliches Börsentermingeschäft i. S. der §§ 50 ff. BörsG ist (verneinend für Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen: BGH- Urteil vom 16. April 1991 XI ZR 88/90, BGHZ 114, 177; bejahend für Verträge über Weiterveräußerung, Rückkauf und Aufhebung laufender unverbriefter Aktienoptionen: BGH-Urteil vom 4. Februar 1992 XI ZR 31/91, BGHZ 117, 135) und/oder dem Differenzeinwand (§§ 762, 764 BGB) unterliegt. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß Differenzgeschäfte wegen ihres "Spielcharakters" schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht (Senatsurteil in BFHE 163, 175, 183, BStBl II 1991, 300). Für die Anwendung der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG ist allein entscheidend, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das auf die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes an eine andere Person gerichtet ist. Daß nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind, ist für den Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 EStG ohne Bedeutung.
d) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BFH vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79 (BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618) und vom 25. August 1987 IX R 65/86 (BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248). Nach dieser Rechtsprechung ist bei Devisentermingeschäften wegen des Fehlens einer Verpflichtung zur Lieferung von Gegenständen der Tatbestand des Spekulationsgeschäftes (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) und mangels entgeltlicher Leistung der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG nicht erfüllt. Im Streitfall dagegen hat der Kläger die entgeltlich erworbenen Optionsrechte während der Laufzeit der Option innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG an Dritte veräußert. Der von ihm erzielte Überschuß ist -- auch wenn bei Nichtausübung der Option durch den Letzterwerber letztlich nur Kurserwartungen und Kursdifferenzen den Wert des Optionsrechtes bei Erwerb und Veräußerung beeinflußt haben -- Ergebnis des auf effektive Übertragung des Optionsrechtes gerichteten und tatsächlich durchgeführten Vertrages und deshalb ein Veräußerungsgeschäft i. S. des § 22 Nr. 2, § 23 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 65798 |
BFH/NV 1997, 105 |