Leitsatz (amtlich)
Eine KG mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist, auch wenn sie mangels Ausübung eines Handelsgewerbes als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu werten ist, in entsprechender Anwendung des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO unter Heranziehung der vom BFH im Urteil vom 4.Mai 1972 IV 251/64 (BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672) aufgestellten Auslegungsgrundsätze dieser Vorschrift befugt, gegen einen einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid Klage zu erheben.
Orientierungssatz
1. Die Vertretung der KG durch den persönlich haftenden Gesellschafter ist wegen ihres zivilrechtlichen Ursprungs unabhängig von der Einkunftsart, die durch die Tätigkeit der KG verwirklicht wird. Auch bei einer Schein-KG gilt hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft die für die KG vereinbarte Regelung. Es sind nicht die Vorschriften über die Geschäftsführung und Vertretung bei einer GdbR anzuwenden (vgl. BGH-Rechtsprechung).
2. NV: Ein einheitlicher Feststellungsbescheid über die Einkünfte einer KG muß den Erben eines im Zeitpunkt der Bekanntgabe verstorbenen Gesellschafters, die nicht in die Rechtsstellung als Gesellschafter eingetreten sind, besonders bekanntgegeben werden (vgl. BFH-Urteil vom 23.5.1973 I R 121/71).
3. NV: Die Beschränkung der Klagebefugnis in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auf die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter besteht insoweit nicht, als es um den Gewinnanteil (Überschußanteil) eines Erben geht, der nicht Gesellschafter geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.5.1973 I R 121/71). Dieser Erbe ist in einem Rechtsstreit der Personengesellschaft wegen einheitlicher Gewinnfeststellung notwendig beizuladen.
4. NV: Die Beschränkung der Klagebefugnis auf die vertretungsberechtigten Gesellschafter in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO gilt nicht gegenüber ausgeschiedenen Gesellschaftern (vgl. BFH-Rechtsprechung). War der Gewinnanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters mit einem Nießbrauch zugunsten eines Dritten belastet, so gilt die Beschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auch nicht gegenüber dem Nießbraucher. In einem Rechtsstreit der Personengesellschaft wegen einheitlicher Gewinnfeststellung sind sowohl der ausgeschiedene Gesellschafter als auch der Nießbraucher notwendig beizuladen.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 60 Abs. 3; HGB §§ 161, 164, 170; AO §§ 91, 215 Abs. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 10.06.1982; Aktenzeichen IV 31/81 (II)) |
Tatbestand
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Verlags- und Druckerei KG (KG).
Bis zum Streitjahr 1975 war Gegenstand des Unternehmens der Klägerin die Verpachtung der zu ihrem Betrieb gehörenden Maschinen und Einrichtungsgegenstände an eine GmbH und an Dritte. Das Pachtverhältnis mit der GmbH war laut Pachtvertrag vom 30.Dezember 1959 zum 1.Januar 1960 neu geordnet worden und endete vereinbarungsgemäß zum 31.Dezember 1974. Die Klägerin hat zum 1.Januar 1960 die Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs.3 EStG erklärt. Seit diesem Zeitpunkt erzielt die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs.1 Nr.2 EStG. Im Streitjahr bestand die Tätigkeit der Klägerin in der Vermietung von vier Geschäftsgrundstücken an die GmbH und an Dritte. Auch vor dem Streitjahr hatte die Klägerin neben der Betriebsverpachtung Grundstücke vermietet.
++/ Gesellschafter der Klägerin zum 31. Dezember 1974 waren der inzwischen verstorbene persönlich haftende Gesellschafter A, die Kommanditistinnen B und die im Jahre 1977 verstorbene C. Der Gewinnanteil der Kommanditistin B war mit einem Nießbrauch zugunsten der Erbengemeinschaft B belastet. Im einzelnen waren berechtigt: Die Kommanditistin B selbst, D, E und F. Unter der Tz. 11 des Betriebsprüfungsberichts vom 20. Juli 1979 führte der Prüfer unter Hinweis auf die Jahresabschlußberichte der Klägerin für die Jahre 1975 und 1976 aus, daß die Kommanditistin B laut Vereinbarung vom 14. Februar/17. April 1975 mit Wirkung zum 31. Dezember 1974 bei der Klägerin ausgeschieden ist. /++
Nach Beendigung der Betriebsverpachtung zahlte die GmbH im Jahr 1975 für unterlassene Substanzerhaltung 1 321 879 DM an die Klägerin. Diese Zahlung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Anschluß an Betriebsprüfungen im Feststellungsbescheid für das Jahr 1975 als steuerpflichtige Einnahme aus Vermietung und Verpachtung. ++/ Der Feststellungsbescheid wurde der Empfangsbevollmächtigten der Klägerin, G, bekanntgegeben. /++
Einspruch und Klage, die sich gegen den Ansatz der Zahlung für unterlassene Substanzerhaltung als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung richteten, blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 172 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Feststellungsbescheid für das Jahr 1975 in der Weise zu ändern, daß ein Betrag von 1 321 879 DM als nicht einkommensteuerbar behandelt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil das FG notwendige Beiladungen (§ 60 Abs.3 FGO) unterlassen hat.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die KG --vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter-- Klägerin ist.
Die Klägerin ist in entsprechender Anwendung des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO befugt, Klage in Angelegenheiten, die den angefochtenen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffen, zu erheben. Die Vorschrift des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO (ebenso § 352 Abs.1 Nr.3 der Abgabenordnung --AO 1977--) regelt ihrem Wortlaut nach zwar nur die Klagebefugnis in Angelegenheiten, die einen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen. Der Senat hält diese Vorschrift im Streitfall aber für entsprechend anwendbar, und zwar auch dann, wenn die Klägerin, die nur noch vermögensverwaltend tätig ist, eine sogenannte Schein-KG und damit mangels Ausübung eines Handelsgewerbes eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) darstellt (vgl. hierzu Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13.Juli 1972 II ZR 111/70, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1972, 1660, und vom 9.Dezember 1974 VIII ZR 157/73, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1975, 99; Beschluß des Bayerischen Obersten Landgerichts vom 13.November 1984 BReg 3 Z 60/83 und BReg 3 Z 119/83, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 78; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.Oktober 1983 II R 55/81, BFHE 139, 426, BStBl II 1984, 144).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 19.Mai 1983 IV R 125/83, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15) kann eine Kommanditgesellschaft in eigenem Namen gegen einen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid über ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb Klage erheben. Hierbei können für die Kommanditgesellschaft nur deren geschäftsführungsbefugte Gesellschafter --d.h. deren vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter-- handeln (§ 48 Abs.1 Nr.3 FGO i.V*m. §§ 161 Abs.2, 125, 170 des Handelsgesetzbuches --HGB--; BFH-Urteile vom 4.Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672, und vom 21.Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506). Dies gilt auch dann, wenn das FA oder die Personengesellschaft bestreitet, daß sie sich gewerblich i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG betätigt (BFH-Urteile vom 24.Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737, und vom 6.Oktober 1977 IV R 176/74, BFHE 123, 470, BStBl II 1978, 54). Darüber hinaus hat der VIII.Senat in seinem Beschluß vom 5.Mai 1981 VIII B 26/80 (BFHE 133, 285, BStBl II 1981, 574) die Klagebefugnis einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft in Angelegenheiten bejaht, die einen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffen. Andererseits hat derselbe Senat in seinem Urteil vom 6.Dezember 1983 VIII R 203/81 (BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318) entschieden, daß eine GdbR, deren Gesellschafter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, für eine Klage gegen einen Feststellungsbescheid die Beteiligtenfähigkeit nicht besitze. Zur Klageerhebung seien in einem solchen Falle nur die Gesellschafter befugt.
Der erkennende Senat läßt unerörtert, ob die Grundsätze dieses Urteils durch die Entscheidung des Großen Senats vom 25.Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 425 f., BStBl II 1984, 751, 761 f.) überholt sein könnten, wonach eine Personengesellschaft bei der Feststellung der Einkunftsart teilrechtsfähig ist und auch insoweit Steuerrechtssubjekt ist, als sie den Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht. Denn jedenfalls lassen sich die Grundsätze zur Klagebefugnis einer GdbR mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Urteil in BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318 nicht auf eine Kommanditgesellschaft oder Schein-KG mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übertragen. Der Senat hält vielmehr die Regelung des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO nach ihrem Sinn und Zweck auch bei einer Kommanditgesellschaft oder Schein-KG für anwendbar, deren Gesellschafter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Denn eine solche Kommanditgesellschaft oder Schein-KG stimmt mit einer Kommanditgesellschaft oder Schein-KG mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in --für die Anwendung des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO-- wesentlichen Punkten überein.
Die Befugnis des persönlich haftenden Gesellschafters, nach § 48 Abs.1 Nr.3 FGO im Namen der Kommanditgesellschaft Klage zu erheben, entspricht der Regelung des Handelsrechts (§§ 161 Abs.2, 125, 170 HGB). Auch das finanzgerichtliche Verfahren erfordert nicht, den Kommanditisten --u.U. über ihre sich aus § 166 HGB ergebenden Informations- und Überwachungsrechte hinaus-- Einsicht in die Geschäftsbücher der Gesellschaft zu gewähren (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 4.Juni 1930 VI A 852/28, RFHE 27, 67, 71, und vom 22.Juli 1942 VI 76/42, RStBl 1942, 867; BFH-Beschluß vom 19.September 1977 IV B 24/77, BFHE 123, 17, BStBl II 1977, 770). Die Vertretung der Kommanditgesellschaft durch den persönlich haftenden Gesellschafter ist wegen ihres zivilrechtlichen Ursprungs sachlich unabhängig von der Einkunftsart, die durch die Tätigkeit der Kommanditgesellschaft verwirklicht wird.
Auch bei einer Schein-KG gilt hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft die für die Kommanditgesellschaft vereinbarte Regelung. Es sind nicht die Vorschriften über die Geschäftsführung und Vertretung bei einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts anzuwenden (BGH-Urteile vom 10.Mai 1971 II ZR 177/68, BB 1971, 973; vom 29.November 1971 II ZR 181/68, BB 1972, 61, und vom 14.Juli 1976 III ZR 105/74, WM 1976, 1053).
2. Das angefochtene Urteil muß jedoch aufgehoben werden, weil das FG notwendige Beiladungen unterlassen und damit gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen hat (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil vom 10.Februar 1966 IV 258/63, BFHE 85, 464, BStBl III 1966, 423).
++/ a) Das FG hätte die Kommanditistin B und die Nießbraucher an deren Gewinnanteil, D, E und F, beiladen müssen. Die Kommanditistin B war bereits im Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheids nicht mehr an der Klägerin beteiligt und somit gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen. Denn die Beschränkung der Klagebefugnis auf die vertretungsberechtigten Gesellschafter in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO gilt nicht gegenüber ausgeschiedenen Gesellschaftern (Urteil in BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672; BFH-Beschluß vom 28. November 1973 IV B 33/73, BFHE 110, 506, BStBl II 1974, 220). Ebensowenig gilt die Beschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO gegenüber den oben genannten Nießbrauchern, die bisher so behandelt wurde, als ob sie ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemeinschaftlich mit den Gesellschaftern der Klägerin erzielt hätten mit der Folge, daß auch ihre Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Hierdurch haben die Nießbraucher im Verhältnis zu dem geschäftsführenden Gesellschafter die gleichen Rechte wie die Kommanditistin, deren Gewinnanteil mit dem Nießbrauch belastet war, erlangt, so daß auch sie gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen sind.
b) Das FG wird bei der erneuten Verhandlung auch zu prüfen haben, ob der angefochtene Feststellungsbescheid der Kommanditistin B und den nießbrauchsberechtigten D, E, F bisher wirksam bekanntgegeben wurde (vgl. hierzu die BFH-Urteile vom 27. November 1968 III 244/64, BFHE 94, 517, BStBl II 1969, 250, und vom 14. Dezember 1978 IV R 221/75, BFHE 127, 126, BStBl II 1979, 503). Ein Bekanntgabemangel könnte dadurch geheilt werden, daß der Bescheid den oben angegebenen Personen nachträglich bekanntgegeben wird (BFH-Urteile vom 15. April 1959 I 145/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 215, Rechtsspruch 22, und vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503).
c) Das FG wird bei der erneuten Verhandlung auch die bisher unterbliebene Feststellung nachholen, wer die Erben der verstorbenen Kommanditistin C und des ebenfalls verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters des Streitjahres, A, sind. Denn die Beschränkung der Klagebefugnis in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auf die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter besteht auch insoweit nicht, als es um den Überschußanteil eines Erben geht, der nicht Gesellschafter geworden ist (BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746). Die Erben, die nicht in die Gesellschafterstellung der Erblasser eingetreten sind, sind ebenfalls notwendig beizuladen. Das FG wird in diesem Zusammenhang auch berücksichtigen, daß ein Feststellungsbescheid den Erben eines im Zeitpunkt der Bekanntgabe verstorbenen Gesellschafters, die nicht in die Rechtsstellung als Gesellschafter eingetreten sind, besonders bekanntgegeben werden muß (Urteil in BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746). /++
Fundstellen
Haufe-Index 60744 |
BStBl II 1985, 519 |
BFHE 143, 496 |
BFHE 1985, 496 |
BB 1985, 1654-1655 (ST) |
DB 1985, 2084-2084 (ST) |
DStR 1985, 637-638 (S) |
HFR 1985, 515-517 (ST) |