Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Bayer. GrESWG 1958 verstieß mit dem Vorbehalt, daß der Erwerb einer Eigentumswohnung nur bei Eigennutzung grunderwerbsteuerbefreit war, nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, auch nicht in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip.
Normenkette
Bayer. Gesetz über die GrESt-Befreiung für den sozialen Wohnungsbau i.d.F. vom 12.11.1958 - GrESWG 1958 - (GVBl S. 330) Art. 1 Nr. 4 Buchst. b; GG Art. 3, 20 Abs. 1; Verfassung des Freistaates Bayern Art. 3, 118 Abs. 1; II. WoBauG § 12 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag Ende September 1964 eine Eigentumswohnung als Miteigentümer zu je 1/2. Die Eigentumswohnung ist für die damals zwei Jahre alt gewesene Tochter der Eheleute bestimmt und wird bis zu deren Einzug nicht eigengenutzt, sondern vermietet.
Das FA (Beklagter) lehnte deshalb den Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung ab und setzte durch getrennte Steuerbescheide für jeden Ehegatten Grunderwerbsteuer fest.
Der Kläger ist der Auffassung, es widerspreche dem Gleichheitssatz des GG, daß die Steuerbefreiung für den Erwerb von Eigentumswohnungen gemäß Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau in der Fassung vom 12. November 1958 - GrESWG 1958 - (GVBl 330) von der Eigennutzung abhänge, während derjenige, der ein unbebautes Grundstück erwerbe, Grunderwerbsteuer nur vom Preis für den Grund und Boden - nicht auch, wie beim Erwerb einer Eigentumswohnung, von deren Herstellungskosten - entrichten müsse und daß auch dieser Erwerb ganz freigestellt sei, wenn auf dem Grundstück innerhalb von fünf Jahren ein Gebäude mit nur fremdvermieteten Wohnungen errichtet werde. Hierdurch werde gerade der vermögensschwächere Personenkreis ohne sachlichen Grund benachteiligt und bestraft.
Einspruch und Berufung waren erfolglos.
Mit der Rechtsbeschwerde wiederholt der Kläger seine Rüge der Verletzung des Art. 3 GG. Außerdem müsse er bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenso als Bauherr gelten wie der Erbauer eines Miethauses.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.
1. Nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 war nur der erste Erwerb einer grundsteuerbegünstigten und eigengenutzten Eigentumswohnung von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese Voraussetzungen sind insoweit nicht erfüllt, als die Eigentumswohnung unstreitig ab dem Zeitpunkt des Erwerbs bis auf weiteres vermietet ist.
Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 verstieß nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, auch nicht in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl. Art. 3, 20 Abs. 1 GG; Art. 3, Art. 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern). Die Nummern 1, 2 einerseits und 4 andererseits des Art. 1 GrESWG 1958 beruhten auf verschiedenen Befreiungsvorschriften. Der Gesetzgeber war darin frei, ob und wie er die unterschiedlichen Lebenssachverhalte von der Besteuerung befreit wissen wollte (vgl. - BVerfGE 21, 12, 26 -, BStBl III 1967, 7). Entscheidend ist, daß die unter die unterschiedlichen Motive fallenden unterschiedlichen Lebenssachverhalte in sich gleichgeregelt sind.
In Bayern war ursprünglich nur der Erwerb unbebauter Grundstücke grunderwerbsteuerbefreit, auf denen die Erwerber selbst ausschließlich Kleinwohnungsbauten errichten mußten (§§ 2, 7 des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949, GVBl 1950, 30). Im Interesse der Förderung der Errichtung von Sozialwohnungen über den Erwerb unbebauter Grundstücke - und ihnen gleichgestellter sog. Ruinengrundstücke - hinaus wurde durch das Gesetz über die Grunderwerbsteuerfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 11. Februar 1954 - GrESWG 1954 - (GVBl S. 38) die Grunderwerbsteuerfreiheit ausgedehnt auf den Erwerb gewisser beschädigter Gebäude (Art. 1 Nr. 1, 2 GrESWG 1954) und durch das GrESWG in der Fassung des Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 12. November 1958 (GVBl S. 330) auch auf den Erwerb von Grundstücken mit begonnenen Bauvorhaben (Art. 1 Nr. 1 Buchst. b GrESWG 1958); dabei ist jeweils vorausgesetzt, daß fristgerecht (Art. 4 GrESWG 1954, 1958) grundsteuerbegünstigte Wohnungen (Wohnräume) erst noch errichtet werden. Durch diese Befreiungsvorschrift sollte also die Schaffung (Wiederherstellung) insbesondere solcher Sozialwohnungen gefördert werden, die wegen ihrer Mietpreisgestaltung - zulässige Miete im öffentlich geförderten Wohnungsbau, Kostenmiete im steuerbegünstigten Wohnungsbau - (vgl. § 4 Abs. 1 Buchst. a und b, § 5 Abs. 1 und 2, §§ 72, 85, 92 des II. WoBauG) den Wohnungssuchenden mit geringerem Einkommen als verbilligte Mietwohnungen zur Verfügung stehen sollten (vgl. § 1 Abs. 2 des II. WoBauG).
Einen anderen Zweck dagegen verfolgte Art. 1 Nr. 4 GrESWG 1954/1958, der den ersten Erwerb von Grundstücken mit bereits errichteten Eigenheimen und Eigentumswohnungen begünstigte. Während der Erwerb bereits bebauter Grundstücke bisher nicht begünstigt war, sollten als "Anreiz zu einer gesunden und wohnungspolitisch erwünschten Vorratsbauwirtschaft" und zur Beseitigung bauwirtschaftlicher Schwierigkeiten bei Familienheimen nicht nur der Erwerb des Baulandes, sondern auch der erste Erwerb des errichteten Gebäudes befreit werden (vgl. die amtliche Begründung zum Gesetz 1954, Bayerischer Landtag 2. Legislaturperiode Beilage 4084, Im Allgemeinen, vorletzter Absatz; Im Besonderen zu Art. 1 zu Ziff. 4). Während beim Erwerb von Grundstücken zur Errichtung von Gebäuden mit Mietwohnungen eine Eigennutzungsklausel nach Sachlage und Gesetzeszweck von vornherein ausschied, konnte es dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden, beim Erwerb fertiger Gebäude die Steuerbegünstigung auf bestimmte Arten - Eigenheime und Eigentumswohnungen - zu begrenzen unter der weiteren Voraussetzung der Eigennutzung. Auch hierdurch wurde ein weiterer Zweck des II. WoBauG gefördert, nämlich die "Bildung von Einzeleigentum, besonders in der Form von Familienheimen" (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 Buchst. a, § 7 des II. WoBauG). Dabei war es nicht gleichheitswidrig, dem - zumindest hinsichtlich einer der beiden Wohnungen ebenfalls zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmten - Eigenheim (§ 9 des II. WoBauG) die eigengenutzte Eigentumswohnung (§ 2 Abs. 2 Buchst. b, § 12 Abs. 1 des II. WoBauG) gleichzustellen. (Zur Maßgeblichkeit der Begriffsbestimmung des II. WoBauG für das GrESWG 1958 s. Urteil des Senats II 108/65 vom 1. August 1967, BFH 89, 548, BStBl III 1967, 711).
Das verfassungsrechtliche Gebot sozialer Steuerpolitik (Art. 20 Abs. 1 GG; Art. 3 der Bayerischen Verfassung; vgl. BVerfGE 27, 111, 131) fordert keine andere Entscheidung. Das Sozialstaatsprinzip gebietet zwar die steuerpolitische Rücksichtnahme auf die Belange der schwächeren Schichten der Bevölkerung (Beschluß des BVerfG vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, 412), verbietet aber nicht die Erhebung von Steuern, die von der Leistungsfähigkeit des Inhabers (Erwerbers) der zu besteuernden Wirtschaftseinheit abstrahieren (BVerfGE 26, 1, 7). Der Erwerb einer Eigentumswohnung, die nicht oder auch nicht innerhalb einer gesetzlich noch begünstigten Frist (vgl. Art. 4 GrESWG 1954/1958) zur Eigennutzung bestimmt ist, läuft letztlich eher auf eine Kapitalanlage hinaus; dieser Erwerb als solcher dient nicht mehr (unmittelbar) der Förderung des sozialen Wohnungs baues. Jedenfalls konnte in der grunderwerbsteuerrechtlichen Nichtbegünstigung des Erwerbs nicht (nicht fristgerecht) eigengenutzter Eigentumswohnungen ein Verfassungsverstoß nicht erblickt werden.
Diese Auffassung stimmt mit der des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes überein (Entscheidung vom 21. Mai 1970, Vf. 152 - VII - 67, BayVerfGHE 23, 92). Der Senat ist, ohne dies ausdrücklich hervorgehoben zu haben, bisher bereits von der Rechtsgültigkeit des Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 ausgegangen (vgl. z. B. im o. a. Urteil II 108/65 vom 1. August 1967, BFH 89, 548). Im Grunde erstrebt der Kläger im übrigen nicht die Entscheidung, daß diese Vorschrift - als grundgesetzwidrig - nichtig sei, sondern im Gegenteil deren Anwendung, jedoch ohne Beachtung des Wortes "eigengenutzt". Eine solche erweiternde Anwendung des Gesetzes durch das Gericht müßte aber schon daran scheitern, daß der Gesetzgeber eindeutig die Steuervergünstigung für Eigentumswohnungen an den Eigennutzungsvorbehalt geknüpft hatte (vgl. die amtliche Begründung zum Gesetz 1958, Bayerischer Landtag, 3. Wahlperiode Beilage 3896, Teil B zu § 1, zu Ziff. 1 Buchst. e, Inhalt und Umfang der einzelnen Befreiungstatbestände, zu b; vgl. - wenn auch zu anderen Gesetzesvorschriften - Beschluß des Senats II B 1/70 vom 9. Juni 1970, BFH 99, 262, 264). - Daraus, daß der Gesetzgeber aus zwischenzeitlich gewonnenen anderen Erkenntnissen und Erwägungen in der Neufassung der Vorschrift durch § 2 Nr. 1 Buchst. d des Gesetzes zur Änderung grunderwerbsteuerrechtlicher Vorschriften vom 24. Juni 1969 - GrEStÄndG 1969 - (GVBl S. 153) auf den Eigennutzungsvorbehalt verzichtet hat (vgl. amtliche Begründung zum Gesetz 1969, Bayerischer Landtag, 6. Legislaturperiode, Beilage 1458, Im einzelnen, zu § 2, zu Nr. 1 Buchst. d), lassen sich Folgerungen für einen Verfassungsverstoß des Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 nicht ziehen (so auch BayVerfGHE 23, 98).
2. Die Übergangsvorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStÄndG 1969 (Art. 6 GrESWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969, GVBl S 176) ist nicht anwendbar. Danach entfällt die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer in Fällen der vorliegenden Art bei - auch nicht fristgerechter - Nichterfüllung des steuerbegünstigten Zwekkes nur, wenn der Erwerb der eigengenutzten Eigentumswohnung vorläufig von der Steuer freigestellt war. Der Senat hatte in dem Urteil II 108/65 vom 1. August 1967 (BFH 89, 548) entschieden, daß die Steuervergünstigung des Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 trotz vorübergehender Fremdnutzung der Eigentumswohnung zu gewähren war, wenn der Erwerber von Anfang an die ernste Absich hatte, die Eigentumswohnung innerhalb von fünf Jahren (Art. 4 GrESWG) selbst zu nutzen und dann auch tatsächlich nutzte. Durch die o. a. Übergangsregelung sollten dementsprechend nur diejenigen Fälle noch in die erweiterte Befreiung (Verzicht auf die Eigennutzung) einbezogen werden, die von vornherein - bereits im Zeitpunkt des Erwerbs - die ernste Absicht der fristgerechten Eigennutzung hatten und deshalb vorläufig von der Steuer freigestellt waren (amtliche Begründung zum ÄndG 1969, a. a. O., zu § 6, zu Abs. 2). Im vorliegenden Fall wird der Kläger nicht anders, sondern ebenso - also gleich - behandelt wie Erwerber in den gleichgelagerten Fällen, in denen ebenfalls die Steuerbefreiung bereits früher endgültig mangels Vorliegens der oben genannten Voraussetzungen versagt und die Steuer unanfechtbar und aufgrund der Gesetzeslage zu Recht festgesetzt und entrichtet werden mußte.
3. Mit dem nachträglichen Vorbringen in der Revisionsinstanz, der Bau seiner Eigentumswohnung sei wegen bevorschußter Finanzierung und möglicher Ausbaugestaltungswünsche dem Bau eines Mietwohnhauses vergleichbar, will der Kläger offenbar ein zusätzliches Argument dafür liefern, daß sein Erwerb nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 auch ohne fristgerechte Eigennutzung der Eigentumswohnung wie der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung sozialer, aber fremdgenutzter Mietwohnungen grunderwerbsteuerfrei bleiben müsse. Doch auch diese Erwägungen erlauben aus den unter 2 dargelegten Gründen wegen unterschiedlicher Ausgangslage - hier Erwerb eines unbebauten, dort eines bebauten Grundstücks - und anderer Gebäudearten - soziale Mietwohnungen einerseits, Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen andererseits - keine Entscheidung im Sinne des Klägers. Sollte der Kläger aber mit diesen Ausführungen dartun wollen, daß er - etwa gemeinsam mit den anderen Wohnungseigentumsanwärtern im Rahmen eines Aufbauvertrages (vgl. Degenhart bei Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 30. Aufl., Wohnungseigentumsgesetz, Überblick vor § 1 Anm. 2 E bb und cc, § 4 Anm. 2) - selbst "Herr des Baues" mit allen sich daraus ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Folgerungen im Sinne des Urteils des Senats II 102/63 vom 28. November 1967 (BFH 90, 534, BStBl II 1968, 186) gewesen sei, also - zusammen mit den anderen Wohnungseigentumsanwärtern? - bereits das Grundstück in unbebautem Zustand erworben habe, so stünde dies nicht nur mit dem Wortlaut des auf Übertragung der auf die Verkäuferin als Alleineigentümerin der Eigentumswohnung im Wohnungsgrundbuch eingetragenen fertigen Eigentumswohnung gerichteten Kaufvertrags mit einheitlichen und festem Kaufpreis in Widerspruch; dieses Vorbringen widerspräche auch seinen wiederholten Darlegungen in der Tatsacheninstanz, daß er mangels entsprechender Mittel nicht als Bauherr habe auftreten können. Vor allem könnte der Kläger in der Revisionsinstanz mit neuem Vorbringen tatsächlicher Art nicht mehr gehört werden, da der BFH mangels entsprechender (innerhalb der Begründungsfrist vorzubringender) Revisionsrügen in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des FG an diese Feststellungen gebunden ist und die Revision - von diesem Vorbehalt abgesehen - nur zur Überprüfung führen kann, ob die streitigen Rechtsfragen aufgrund des vom FG festgestellten und maßgeblichen Sachverhaltes richtig entschieden worden sind (§§ 288, 290 Abs. 1, 296 Abs. 1 und 2 AO; §§ 118 Abs. 1, 2, 120 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 413125 |
BStBl II 1972, 639 |
BFHE 1972, 504 |