Leitsatz (amtlich)
Macht ein Kläger gegenüber der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einer GbR geltend, der ihm zugerechnete Anteil an den Einkünften stehe Dritten zu, sind die Dritten und alle anderen Gesellschafter der GbR notwendig beizuladen.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 2, § 60 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war bis 1970 an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundstücks- und Vermögensverwaltung ... (GbR) beteiligt. Die GbR erzielt ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Die Klägerin verschenkte zum 31. Dezember 1970 je 1/3 ihres Gesellschaftsanteils an ihre drei seinerzeit minderjährigen Kinder. Die Klägerin behielt sich die Verwaltung der Anteile und der sich aus ihnen ergebenden Einkünfte vor. Die Kinder erteilten ihr insoweit eine unwiderrufliche Vollmacht. Die Klägerin konnte die unentgeltliche Rückübertragung der Anteile verlangen, sofern die Kinder die Geltendmachung der der Klägerin vorbehaltenen Rechte bestreiten oder die Vollmachten widerrufen sollten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging nach einer Betriebsprüfung davon aus, daß die Klägerin ihren Gesellschaftsanteil nicht mit steuerrechtlicher Wirkung auf die Kinder übertragen habe und die Einkünfte weiterhin ihr zuzurechnen seien. In dem endgültigen Bescheid für 1971 vom 21. Oktober 1976 über die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der GbR wurde der Anteil an den Einkünften der Klägerin zugerechnet.
Die Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte den Bescheid vom 21. Oktober 1976 dahin, daß es die streitigen Einkünfte zu je 1/3 den Kindern zurechnete. Das FG erwog eine Beiladung der Kinder und der anderen Gesellschafter, sah jedoch hiervon ab, weil es - wie sich aus einem Vermerk des früheren Berichterstatters ergibt - "nicht darum geht, ob eine Gesellschaft besteht und wie die Gesellschafter beteiligt sind, sondern nur darum, ob an Stelle der Klägerin deren Kinder beteiligt sind. Die Kinder waren nicht klagebefugt, da nicht beschwert. Die übrigen Gesellschafter sind durch die Streitfrage nicht betroffen. Es geht deshalb lediglich um die Zurechnung der Einkünfte aus einem Gesellschaftsanteil".
Das FA rügt mit der Revision eine Verletzung des § 21 Abs. 1, § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG); die Klägerin sei lediglich formal-rechtlich aus der GbR ausgeschieden.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hält die Revision für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie notwendigerweise beizuladen (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Diese Voraussetzungen sind entgegen der in dem FG-Aktenvermerk niedergelegten Auffassung sowohl hinsichtlich der Kinder der Klägerin als auch hinsichtlich der anderen Gesellschafter der GbR zu bejahen.
Die Notwendigkeit, die Kinder beizuladen, ergibt sich daraus, daß im Rahmen des Feststellungsbescheids der für die Klägerin festgestellte Einkünfteanteil den Kindern zugerechnet werden soll. Es wird also eine Entscheidung erstrebt, die unmittelbar in die Rechtsstellung der Kinder eingreift, die Klägerin entlasten und gleichzeitig die Kinder belasten soll (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1980 VII B 34/79, BFHE 129, 536, BStBl II 1980, 303). Es ist erforderlich, daß die Kinder beteiligt und gehört werden, bevor sie - wie in der Vorentscheidung geschehen - als Bezieher von Einkünften der GbR behandelt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kinder selbst klagebefugt wären. Eine Beiladung kann auch gegenüber nicht klagebefugten Dritten notwendig werden.
Die übrigen Gesellschafter sind notwendigerweise beizuladen, weil sie klagebefugte Dritte i. S. des § 48 FGO sind. Es geht hier um die Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Klagebefugt sind in diesem Fall gemäß § 48 Abs. 2 FGO alle Mitberechtigten, gegen die der einheitliche Feststellungsbescheid ergangen ist, unabhängig von den Beschränkungen, die § 48 Abs. 1 FGO für die Feststellung gewerblicher Einkünfte ausspricht (BFH-Beschluß vom 15. November 1968 VI B 82/68, BFHE 94, 204, BStBl II 1969, 112). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die übrigen Gesellschafter durch die Streitfrage nicht betroffen seien. Wenn auch die Gesamthöhe der festgestellten Einkünfte und die Anteile der übrigen Gesellschafter an den Gesamteinkünften außer Streit stehen, könnten doch die übrigen Gesellschafter eigene Vorstellungen zu der Frage entwickeln und geltend machen, ob die Klägerin oder deren Kinder einkommensteuerrechtlich als Mitberechtigte anzusehen sind. Diese Möglichkeit eröffnet ihnen § 48 Abs. 2 FGO. Selbst im Bereich des § 48 Abs. 1 FGO wird davon ausgegangen, daß der Entscheidung über das Bestehen einer Mitunternehmerschaft und deren Zusammensetzung nur einheitlich gegenüber allen Mitunternehmern ergehen kann und daher auch nicht betroffene Gesellschafter notwendigerweise beizuladen sind (BFH-Urteil vom 4. August 1976 I R 66/74, BFHE 121, 129, BStBl II 1977, 309).
Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der im Revisionsverfahren auch ohne Rüge zu beachten ist (u. a. BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746).
Fundstellen
Haufe-Index 74187 |
BStBl II 1982, 216 |
BFHE 1981, 505 |