Leitsatz (amtlich)
1. Die rechtsgeschäftliche Aufhebung eines Erbbaurechts unterliegt der Grunderwerbsteuer.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in diesem Falle der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 verwirklicht wird.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 1; ErbbauVO §§ 11-12, 26; BGB §§ 873, 875-876
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Grundstücks, an dem für eine GmbH ein Erbbaurecht bis zum Jahre 2047 bestellt war. GmbH und Klägerin hoben durch gleichzeitig abgegebene, übereinstimmende Erklärungen in öffentlich beglaubigter Form im Jahre 1969 das Erbbaurecht auf und beantragten dessen Löschung im Grundbuch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) hat in der Aufhebung des Erbbaurechts einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang gesehen und mit Bescheid vom 21. Juni 1974 die Grunderwerbsteuer auf 14 840 DM festgesetzt, wobei als Besteuerungsgrundlage der Einheitswert des Erbbaurechts von 212 000 DM angesetzt wurde.
Einspruch und Klage gegen den Steuerbescheid sind ohne Erfolg geblieben.
Die Klägerin hat mit der Revision die Aufhebung des (in EFG 1975, 491 veröffentlichten) Urteils des FG, der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das FG beantragt. Gerügt hat sie die unzutreffende Anwendung des § 1 GrEStG 1940 sowie die Verletzung des Gleichheitssatzes, da das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1970 durch Gesetz die Bestellung, den Heimfall und das Erlöschen eines Erbbaurechts von der Grunderwerbsteuer freigestellt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erhobene Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung ist unzulässig, da sie entgegen § 120 FGO erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erhoben wurde. Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ist eine zulässige Verfahrensrüge nicht erhoben worden. Der Senat ist deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die im Urteil des FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden.
Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1940 bestimmte Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1940 steht das Erbbaurecht einem Grundstück gleich. Folglich ist das, was das Grunderwerbsteuergesetz in den Tatbeständen des § 1 für den Erwerb von inländischen Grundstücken verfügt, sinngemäß auf den Erwerb von Erbbaurechten an inländischen Grundstücken zu übertragen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. November 1967 II R 37/66 (BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223) entschieden hat, gilt dies nicht nur für den Erwerb eines bereits bestehenden Erbbaurechts, sondern auch für den Erwerb eines Erbbaurechts durch Bestellung (vgl. hierzu § 873 BGB, § 11 Abs. 2 der Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -). Durch die Belastung des Grundstücks mit einem Erbbaurecht (§ 1 Abs. 1 Erbbau VO) wird die Vollherrschaft an der Grundstücksfläche für die Dauer des Erbbaurechts gespalten. Auch dem Erbbauberechtigten steht für die Dauer seines Rechts eine eigentumsähnliche Form der Herrschaft an der Grundstücksfläche zu.
Unterliegt die Entstehung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer, wie dies der Senat in seinem Urteil II R 37/66 im einzelnen ausgeführt hat, so muß folgerichtig auch die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterliegen, da durch diesen Vorgang die rechtliche Teilung des Grundstücks in das bebauungsfähige Erbbaurecht und das nicht mehr bebauungsfähige Grundstück aufgehoben wird und infolge des Erlöschens des Erbbaurechts seine Bestandteile, vornehmlich die aufstehenden Gebäude, in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen (§ 12 Abs. 3 Erbbau VO).
Der Senat hat bereits ausgesprochen, daß ein Heimfall, wenn er zur Übertragung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer selbst führt, der Grunderwerbsteuer unterliegt (Urteil vom 23. September 1969 II 113/64, BFHE 97, 394, BStBl II 1970, 130). Mit dem Heimfall hat der Grundstückseigentümer wieder die volle rechtliche Macht über das Grundstück samt Erbbaurecht erlangt, wenn auch die rechtliche Aufspaltung bestehen bleibt. Nach der Aufhebung eines Erbbaurechts hat der Grundstückseigentümer gleichfalls die volle rechtliche Macht über das Grundstück zurückerlangt, zudem ist die Aufspaltung der Vollherrschaft an dem Grundstück beseitigt worden. Es ist unter diesen Umständen kein Grund ersichtlich, die rechtsgeschäftliche Aufhebung eines Erbbaurechts grunderwerbsteuerrechtlich anders zu behandeln als den Heimfall. Der Hergang ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Alleineigentümer einen Miteigentumsanteil veräußerte und diesen nach einiger Zeit zurückerwirbt.
Entstanden ist die Grunderwerbsteuer durch die gleichzeitig abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht werde aufgehoben, die als Einigung (vgl. § 873 BGB) zu beurteilen sind und in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1940 der Grunderwerbsteuer unterliegen (vgl. hierzu BFHE 91, 191, 195 unten). Allerdings ist für die Aufhebung eines Erbbaurechts eine Einigung nicht vorgeschrieben. Erforderlich ist die Aufhebungserklärung des Erbbauberechtigten (§ 11 Abs. 1 Erbbau VO, § 875 BGB), die Zustimmung des Grundstückseigentümers (§ 26 ErbbauVO) und gegebenenfalls die Zustimmung Dritter, denen ein Recht an dem Erbbaurecht zusteht (§ 11 ErbbauVO, § 876 BGB). Ob diese einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen zusammen den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 erfüllen, kann dahinstehen, da die Klägerin und die Erbbauberechtigte ihre - sachenrechtlich nicht erforderliche - Einigung über die Aufhebung des Erbbaurechts erklärt haben, die jedenfalls der Auflassung gleichzustellen ist. Da im übrigen den im Urteil des FG enthaltenen tatsächlichen Feststellungen entnommen werden kann, daß das Erbbaurecht im Grundbuch gelöscht worden ist, kann davon ausgegangen werden, daß gegebenenfalls erforderliche Zustimmungserklärungen Dritter, denen ein Recht an dem Erbbaurecht zustand (§ 11 ErbbauVO, § 876 BGB), formgerecht abgegeben worden sind.
Für die Entscheidung unerheblich ist es, ob - worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung besonders hinwies - das Erbbaurecht nur zum Zwecke der besseren Beleihungsmöglichkeit des Grundstücks gelöscht wurde und ob etwa die GmbH auf Grund schuldrechtlicher Vereinbarungen mit der Klägerin befugt war, das Grundstück nach dem Erlöschen des Erbbaurechts in gleicher Weise weiterzunutzen, wie sie dies als Erbbauberechtigte hätte tun können. Durch einen solchen Vertrag wird der grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Vorgang, das Erlöschen des Erbbaurechts, ebensowenig berührt, wie bei der Übereignung eines Grundstücks unter Beibehaltung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Veräußerers. Auf die Motive, die für die Löschung des Erbbaurechts maßgebend waren, kann es nicht ankommen. Es ist dies eine Folge davon, daß das Grunderwerbsteuergesetz vornehmlich die Rechtsänderungen der Steuerpflicht unterwirft (vgl. hierzu Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, 9. Aufl., § 1 Rdnr. 2-4).
Auf § 3 Nr. 8 GrEStG i. d. F. der Bekanntmachung des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Nordrhein-Westfalen S. 612 - GVBl Nordrhein-Westfalen, 612-) kann sich die Klägerin nicht berufen. Abgesehen davon, daß diese Regelung erst am 13. Juni 1970, also nach der Entstehung der Steuer im vorliegenden Fall, in Kraft getreten ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes und zur Änderung von Sondergesetzen auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer - GrESt-Änderungsgesetz - vom 21. Mai 1970, GVBl Nordrhein-Westfalen, 395), betrifft sie allein die Grunderwerbsteuer des Landes Nordrhein-Westfalen. Für den vorliegenden Fall aber gilt niedersächsisches Grunderwerbsteuerrecht, das eine entsprechende Vorschrift nicht kennt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz würde selbst dann nicht vorliegen, wenn die Rechtsänderung des Landes Nordrhein-Westfalen bereits vor Entstehung der Steuerpflicht im vorliegenden Falle in Kraft getreten wäre. Der Landesgesetzgeber hat den Gleichheitssatz nur im Bereich seines Landes zu beachten (vgl. BVerfGE 10, 371; 12, 143, 324; 17, 331 ständige Rechtsprechung). Ob sich hieran dadurch etwas geändert hat, daß dem Bund ab 1. Januar 1970 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Grunderwerbsteuerrecht übertragen wurde, mag dahinstehen.
Fundstellen
Haufe-Index 71865 |
BStBl II 1976, 470 |
BFHE 1976, 480 |