Leitsatz (amtlich)
a) Gehört es zum vertragsmäßigen Gebrauch einer vermieteten Datenverarbeitungsanlage, daß mit ihr Unterlagen für die Abrechnung mit einem Dritten erstellt werden (hier: Krankenscheinaufkleber) und lehnt der Dritte die Verwendung der Unterlagen ab, so kann hierin ein Fehler der Mietsache liegen.
b) Sollen mit der Datenverarbeitungsanlage, die außerdem noch eine Reihe anderer auf den Bedarf des Mieters zugeschnittener Verwendungsmöglichkeiten bietet, alle beruflichen Leistungen des Mieters abgerechnet werden, so können Schwierigkeiten bei der Verwendung für die Abrechnung (vgl. Leitsatz a) die Tauglichkeit der Anlage zu dem vertragsmäßigen Gebrauch insgesamt aufheben, mit der Folge, daß der Mieter von der Entrichtung des Mietzinses befreit ist.
Normenkette
BGB § 537
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 13.06.1980) |
LG München II |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Juni 1980 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 30. Dezember 1976/24. Januar 1977 einen Mietvertrag über eine Datenverarbeitungsanlage, die in der Zahnarztpraxis des Beklagten verwendet werden sollte. Die Mietdauer wurde auf 36 Monate ab 1. September 1977 vereinbart, der monatliche Mietpreis einschließlich Mehrwertsteuer sollte 2.303,31 DM betragen. Die Anlage wurde dem Beklagten am 1. September 1977 ausgeliefert. Mietpreiszahlungen hat der Beklagte nicht geleistet, sondern durch Schreiben seiner späteren Prozeßbevollmächtigten vom 10. November 1977 den Mietvertrag fristlos gekündigt und hilfsweise wegen arglistiger Täuschung angefochten. Zur Begründung führte er an, daß das Gerät für die Bedürfnisse seiner Praxis unbrauchbar sei. Die Klägerin hat den Vertrag ihrerseits unter Berufung auf § 13 ihrer formularmäßigen Vertragsbedingungen gekündigt und gemäß § 14 der Bedingungen die Zahlung der Monatsmieten für die Gesamt-Mietzeit gefordert, was nach ihrer – vom Beklagten nicht angegriffenen Berechnung – einschließlich bezifferter Zinsen von 646,17 DM einen Betrag von 78.922,99 DM ergibt. Um diesen Betrag zuzüglich 12% Zinsen jährlich aus 71.554,94 DM ab 1. April 1978 und 12% Mehrwertsteuer auf die Zinsen geht der Rechtsstreit. Das Landgericht hat Hauptsache und Zinsen mit Mehrwertsteuer antragsgemäß zugesprochen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte gemäß § 537 Abs. 1 BGB von der Entrichtung des Mietzinses befreit. Denn die vermietete Sache sei von Anfang an mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebe, nämlich die Abrechnung der zahnärztlichen Leistungen zu bewältigen. Den Fehler der Mietsache sieht das Berufungsgericht darin, daß die Arbeitsgemeinschaft der B.-Krankenkassenverbände ihre Zustimmung zur Entgegennahme von Krankenschein-Aufklebern verweigert hat, welche der vermietete Kleincomputer ausdruckte. Danach bestehe keine Gewähr, daß die unter Verwendung des Computers angefertigten Abrechnungen der zahnärztlichen Leistungen des Beklagten von den Krankenkassen honoriert werden. Ob die Krankenkassen die Abrechnung anhand der mit Aufklebern versehenen (also nicht unmittelbar ausgefüllten) Krankenscheine zu Unrecht verweigerten, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beschaffenheit einer Sache sei bereits dann mangelhaft, wenn Ungewißheit oder Streit über die Möglichkeit des Gebrauchs bestehe.
Die hiergegen gerichtete Revision bleibt ohne Erfolg.
2. a) Die Klage auf Zahlung des Mietzinses ist in vollem Umfang unbegründet, wenn die vermietete Anlage zur Zeit der Überlassung an den Beklagten mit einem Fehler behaftet war, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch während der Vertragsdauer aufhob (§ 537 BGB). Dies hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß angenommen. Zwar hat es keine Fehler bei der Funktion der Datenverarbeitungsanlage festgestellt. Vielmehr ist – soweit hier von Interesse – unstreitig, daß mit der Anlage Aufkleber aus gefüllt werden konnten, die in ihrer Gestaltung und Aufteilung dem sogenannten Leistungskamm des Krankenscheins entsprechen. Der Rechtsbegriff des Fehlers im Sinn von § 537 BGB ist jedoch nicht auf Eigenschaften beschränkt, die der Mietsache selber anhaften, sondern, es kommt auf die Tauglichkeit der Mietsache zu dem vertragsmäßigen Gebrauch an. Den vertragsmäßigen Gebrauch hat das Berufungsgericht darin gesehen, die Abrechnungen aller zahnärztlichen Leistungen des Beklagten zu bewältigen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rahmen für den vertragsmäßigen Gebrauch, dessen Bestimmung einen entsprechenden Konsens zwischen den Parteien voraussetzt, zu weit gezogen ist. Jedenfalls begegnet das angefochtene Urteil darin keinen Bedenken, daß zum vertragsmäßigen Gebrauch die „Abrechnungsfähigkeit” der mit dem Aufkleber versehenen Krankenscheine gehörte. Hierfür sprechen schon die Angaben in dem Werbeprospekt „Mehr Zeit für den Patienten” zum Stichwort „Krankenkassenquartalsabrechnung”. In ihnen wird darauf hingewiesen, daß von der Anlage ein „Leistungskammaufkleber” erstellt werde (auf der folgenden Seite des Prospekts unter der Bezeichnung „Krankenscheinaufkleber” abgebildet). Dies indiziert die Verwendung des vom Computer erstellten Leistungskamms unmittelbar zur Übernahme auf den Krankenschein-Vordruck und nicht nur als Vorlage für dessen manuelle Ausfüllung, die zusätzliche Arbeit und die Gefahr von Übertragungsfehlern mit sich bringt. Soweit die Revision geltend macht, daß nicht alle Krankenkassen, sondern allenfalls die R.-Krankenkassen die Aufkleber für die Krankenscheinabrechnung nicht akzeptieren, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht verkannt, wie bereits aus seiner Bezugnahme auf die Auskunft der Kassenzahnärztlichen Vereinigung B. vom 3. August 1979 hervorgeht, daß der Leistungskammaufkleber nicht etwa bei dieser Vereinigung, sondern bei den bayerischen Landesverbänden der R.-Krankenkassen auf Ablehnung stieß. Es liegt jedoch auf der Hand, daß bei der üblichen Patientenstruktur einer zahnärztlichen Praxis die Abrechnung gegenüber den R.-Krankenkassen eine entscheidende Rolle spielt; dafür, daß dieser Erfahrungssatz durch die konkreten Verhältnisse in der Praxis des Beklagten entkräftet wird, ergibt der Prozeßstoff nichts.
Das Berufungsgericht hat ferner mit Recht genügen lassen, daß die R.-Krankenkassen sich weigern, Krankenscheine, die mit Leistungskammaufklebern versehen sind, für die Abrechnung entgegenzunehmen. Denn bereits hierdurch und nicht erst durch die Begründetheit der Weigerung – deren Rechtsgrundlage somit für diesen Prozeß auf sich beruhen kann – wird die Tauglichkeit der Datenverarbeitungsanlage zu dem vertragsmäßigen Gebrauch beeinträchtigt. Dies könnte anders sein, wenn es den Krankenkassen mit ihrer Weigerung ersichtlich nicht ernst war. Hierfür enthält der Prozeßstoff jedoch keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil folgt aus dem zuvor erwähnten Schreiben vom 3. August 1979, daß die Pflicht zur Entgegennahme der mit dem Aufkleber versehenen Krankenscheine schon Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens (wenn auch in einem anderen Bundesland) gewesen ist. Die Revision weist allerdings darauf hin, daß der Vermieter nicht für alle Mängel haften müßte, die an der Mietsache durch das Verhalten Dritter entstehen. Hieran ist richtig, daß eine Zweckvereitelung eintreten kann, die nichts mit der Beschaffenheit der Mietsache zu tun hat und daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Umweltfehlers, nämlich rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, die infolge ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung einen Einfluß auf die Brauchbarkeit und Wertschätzung der Sache auszuüben pflegen (vgl. Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl. § 537 Rdn. 21), in den Anwendungsbereich von § 537 BGB einbezogen werden kann. Eine derartige Zweckvereitelung wird etwa in Bezug auf voll gebrauchstaugliche Räume bei einer generellen Kürzung der Polizeistunde angenommen (vgl. Staudinger/Emmerich a.a.O. Rdn. 26). So liegt der Fall hier nicht. Denn es gehörte zum vertragsmäßigen, aber nicht gewährten Gebrauch des Computers, dem Mieter die Arbeit abzunehmen, die mit der Ausfüllung des Leistungskamms auf dem Krankenschein-Vordruck verbunden ist. Dafür war der Computer jedenfalls nur eingeschränkt tauglich, weil er zwar den Aufkleber mit den erforderlichen Angaben beschriftete, der Leistungskamm in den Krankenschein-Vordrucken aber nach wie vor von Hand ausgefüllt werden mußte, wenn der Beklagte sichergehen wollte, daß sie von den R.-Krankenkassen zur Abrechnung angenommen werden.
Die Rechtserheblichkeit des Fehlers der Mietsache wird nicht davon berührt, daß der Beklagte bei Erkundigung darüber, ob die Anlage voll für die Abrechnung mit den Krankenkassen eingesetzt werden konnte, vor Abschluß des Mietvertrags von der Weigerung der Krankenkassen Kenntnis erlangt hätte. Die unterlassene Erkundigung könnte nach § 539 BGB nur dann von Belang sein, wenn sie infolge grober Fahrlässigkeit des Beklagten unterblieben ist. Hierfür kann dem Prozeßstoff nichts entnommen werden, zumal sich für den Beklagten eine Vertrauensgrundlage daraus ergab, daß ihm nicht schlechthin eine Datenverarbeitungsanlage, sondern eine auf die Verwendung in der Zahnarztpraxis zugeschnittene Anlage vermietet worden ist. Ebensowenig ist ersichtlich, daß der Beklagte den Mangel bei Abschluß des Vertrags gekannt oder die Mietsache in Kenntnis des Mangels angenommen hat.
Anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 28. November 1962 – VIII ZR 77/61 (BGHZ 38, 295) zugrunde lag, handelt es sich auch nicht um ein Erfüllungshindernis, das in den Risikobereich des Beklagten fiel. Denn der vertragsmäßige Gebrauch setzte seinem Inhalt nach voraus, daß die von der Anlage erstellten Leistungskammaufkleber von den Krankenkassen akzeptiert werden. Schließlich liegt kein Fall des Verwendungsrisikos des Mieters für eine ihm vertragsgemäß zur Verfügung gestellte Sache vor (vgl. dazu Senatsurteil vom 20.3.1974 – VIII ZR 31/73, LM § 566 BGB Nr. 22 unter 2. = WM 1974, 453 unter II 2 b).
Ein Mangel der Mietsache kommt allerdings für die Anwendung von § 537 BGB nicht in Betracht, wenn die Tauglichkeit nur unerheblich gemindert ist (Abs. 1 letzter Satz). In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen der Revision zu berücksichtigen, daß nicht die Abrechnung mit allen Krankenkassen beeinträchtigt würde und die Abrechnung zudem einen „verhältnismäßig geringen” Ausschnitt aus dem Programmsystem des Computers betreffe. Dies mag richtig sein. Die Schwierigkeiten bei der Abrechnung mit den R.-Krankenkassen sind aber jedenfalls nicht so belanglos, daß das Berufungsgericht die Grenzen der tatrichterlichen Würdigung überschritten hat, indem es eine mehr als unerhebliche Minderung annimmt.
b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Tauglichkeit der Anlage aufgrund des oben zu a) behandelten Mangels aufgehoben. Hieraus ergibt sich nach § 537 BGB als Rechtsfolge, daß der Beklagte für die Zeit, während deren die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Mietzinses befreit ist. Die Revision beanstandet, angesichts der breiten Palette von Einsatzmöglichkeiten der Anlage in der zahnärztlichen Praxis sei es rechtsfehlerhaft, daß die Vorinstanz nicht nur eine Minderung, sondern die Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit annimmt. Auch diese Rüge greift gegenüber der ohne Verfahrensverstoß getroffenen Feststelltalg des Berufungsgerichts nicht durch, der Computer habe der Abrechnung aller zahnärztlichen Leistungen des Beklagten dienen sollen. Wenn dem so ist, kann schon die verminderte Tauglichkeit der Mietsache hinsichtlich einer unstreitig erheblichen Teilfunktion, nämlich der Abrechnung mit den Krankenkassen, ihre Tauglichkeit insgesamt aufheben, weil die Einführung und Verwendung der Anlage überhaupt nur vorteilhaft ist, wenn sie alle ihre Funktionen einwandfrei erfüllt. Durchgreifende Argumente dafür, daß das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der Aufhebung der Tauglichkeit verkannt hat, zeigt die Revision nicht auf. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Mangel der Anlage vor Ablauf der vertraglichen Mietzeit behoben worden ist.
Nach alledem hat das Berufungsgericht mit Recht einen Mietzinsanspruch der Klägerin verneint und die Klage abgewiesen. Da die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat, sind ihr nach § 97 ZPO auch die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 749243 |
NJW 1982, 696 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1982, 67 |