Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzgängereigenschaft bei Schichtarbeit und nächtlichem Bereitschaftsdienst. Pikettdienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Grenzgängereigenschaft ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer regelmäßig arbeitstäglich die Grenze in beide Richtungen überquert.
2. Eine „regelmäßige” Rückkehr liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 60 Tagen infolge einer angeordneten Rufbereitschaft im Anschluss an seine aktive Tätigkeit nicht in den Wohnsitzstaat zurückkehrt.
3. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Zeit nach der aktiven Zeit arbeitsrechtlich oder steuerrechtlich als Arbeitszeit zu werten ist oder nicht. Maßgeblich ist allein, dass der Arbeitnehmer wegen des Bereitschaftsdienstes aus beruflichen Gründen an der Rückkehr nach der aktiven Arbeitszeit gehindert war.
Normenkette
DBA Schweiz Art. 15a
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 22. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2003 wird (ersatzlos) aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrags erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wurde für das Jahr 2001 (Streitjahr) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie war im Streitjahr ledig und wohnte in X (BRD). Sie erzielte als Heilerziehungspflegerin Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, im Übrigen erzielte sie keine steuerpflichtigen Einkünfte. Sie arbeitete ab dem 01. Oktober 2000 als Erzieherin (mit Fachausbildung) auf einer Wohngruppe (32) Y Internat (CH) der Stiftung Schulheim Y für cerebral Gelähmte (Hinweis auf den Arbeitsvertrag vom 18. Juli 2000, Bl. 151 und 152 der FG-Akten). Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin betrug zunächst 90 v. H. von 42 Stunden (demzufolge 37,8 Stunden), der Ferienanspruch 5 Wochen pro Kalenderjahr. Die genauen Arbeitszeiten und Dienste wurden über den Einsatzplan ihrer Gruppe festgelegt. Die Klägerin war zu allen Diensten einsetzbar und sie verpflichtete sich zu Pikettdiensten und Wochenendeinsätzen im Rahmen ihrer 90 % -Anstellung. Sie erhielt als Zulage bei vollem Arbeitstag (in der Regel 7 Stunden) für Wochenenddienste 25 CHF und ebenso für Nachtpikettdienste.
Im Übrigen verpflichtete sie sich im Rahmen ihrer Tätigkeit, jährlich mindestens an einem von ihrer Wohngruppe organisierten Ferienlager teilzunehmen, wobei alle Mitarbeiterinnen „zwingend” am Lagerort schlafen mussten (s. die Bestätigung vom 31. Dezember 2003, Bl. 65 der FG-Akten; Hinweis im übrigen: Freizeitprozesse: Ferien/Lager Personal und Organisation QM 2.6-WE1, Bl. 161 der FG-Akten).
Ab dem 01. Februar 2001 übernahm die Klägerin als Gruppenleiterin mit einem Pensum von 100 % die wieder eröffnete Wohngruppe 31 im Y Internat (Vertragsänderung vom 14. Dezember 2000, Bl. 150 der FG-Akten). Die genauen Arbeitszeiten und Dienste legte sie selbst über den Einsatzplan ihrer Gruppe fest. Sie selbst war (weiterhin) zu allen Diensten einsetzbar und sie verpflichtete sich zu Pikettdiensten und Wochenendeinsätzen im Rahmen ihrer (nunmehr) 100 % Anstellung.
Nach der Bestätigung ihres Arbeitgebers vom 31. Januar 2003 waren die Kernarbeitszeiten auf den Wohngruppen 06.00 Uhr bis 10.00 Uhr und 15.30 Uhr bis 22.00 Uhr. Von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr waren Pikettdienste zu leisten, wobei der Pikettdienst grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit rechnete (Bl. 65 der FG-Akten; Hinweis des Arbeitgebers der Klägerin vom 09. Dezember 2002, Bl. 133 der FG-Akten). Wegen der im Streitjahr maßgeblichen Regelungen zum Pikettdienst: s. Betreuungsprozesse Pikettdienst QM 2.5-KO4 (Bl. 159 und 160 der FG-Akten).
Im Übrigen erklärte der Arbeitgeber, Blockarbeitszeiten zu gewährleisten, sei nicht möglich gewesen (vgl. hierzu: Administrationsprozesse Gleitzeitreglement zu: Echte Gleitzeit, Bl. 67 der FG-Akten). Schließlich musste die Klägerin (wie alle anderen Bediensteten) es hinnehmen, dass ihre Dienstzeiten kurzfristig geändert wurden (s. Arbeitszeitbestätigung vom 24. Februar 2007).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Anstellungsbedingungen (AAB), die Ausführungen zu Betreuungsprozessen (Pikettdienst), Freizeitprozessen (PL/Lager: Personal und Organisation) und Administrations- und Betreuungsprozessen (Gleitzeitreglement und Pikettdienst, Bl. 153 – 163 der FG-Akten) Bezug genommen. Die Klägerin arbeitete bei der Stiftung Schulheim Y für cerebral Gelähmte bis zum 28. Februar 2003 (Hinweis auf den Lohnau...