vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit niederländischer Sozialversicherungsbeiträge als Sonderausgaben
Leitsatz (redaktionell)
- Die in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG geregelte Ausnahme vom Abzugsverbot für Vorsorgeaufwendungen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in einem EU-Mitgliedstaat gilt aufgrund der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit auch für Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit.
- Die einkommensabhängigen Beiträge zur niederländischen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung werden bei der Besteuerung der Einkünfte in den Niederlanden durch den Abzug der Heffingskorting effektiv berücksichtigt, so dass es insoweit an der in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c EStG benannten Voraussetzung für einen inländischen Sonderausgabenabzug fehlt.
- Anderes gilt aber für die steuerliche Abzugsfähigkeit der einkommensunabhängigen Beiträge zur niederländischen Krankenversicherung (Kopfpauschale), für die in den Niederlanden keine Steuervergünstigung oder Abzugsfähigkeit besteht.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Nrn. 3, 3a, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 Buchst. c, § 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 18 S. 4; AEUV Art. 49
Streitjahr(e)
2018
Nachgehend
Tatbestand
Die am 22.6.2020 erhobene Klage richtet sich gegen den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 10.2.2020, geändert am 6.5.2020, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.5.2020.
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Beiträgen der Klägerin in das niederländische Sozialversicherungssystem als Sonderausgaben.
Die Kläger wohnen in Deutschland. Sie erzielten im Streitjahr je 2.128 Euro Einkünfte aus Vermietung. Der Kläger bezog außerdem im Inland Arbeitslohn i. H. v. 32.851 Euro. Die Klägerin erhielt einmalig eine Auszahlung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in den Niederlanden i. H. v. 25.328 Euro und erzielte darüber hinaus in den Niederlanden einen Gewinn als Selbständige…Auf Grund von Erziehungszeiten war der Gewinn mit 30.267 Euro geringer als in anderen Veranlagungszeiträumen (z. B. 2019: 77.160 Euro). Vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung der Kindererziehung und nach Abzug von Grundfreibeträgen und der auf Grund ihrer Lebens- und Einkommenssituation gewährten höheren „Heffingskorting“ (7.460 Euro) unterlag sie in den Niederlanden mit dem dort erzielten Gewinn letztlich keiner Einkommensteuerbelastung (vgl. „Aanslag 2018“ des niederländischen Belastingdienst vom 10.4.2021).
Sie leistete in den Niederlanden sowohl einkommensabhängige Beiträge zur Renten- und Pflegeversicherung (6.084 Euro und 3.113 Euro) und zur Krankenversicherung („Inkomens-afhangelijke bijdrage Zorgzekeringswet“) (1.120 Euro) als auch den gesetzlichen Basisbeitrag zur Krankenversicherung („Kopfpauschale“; 1.352 Euro).
Der Beklagte unterwarf den nach deutschem Recht ermittelten Gewinn der Klägerin dem Progressionsvorbehalt und ließ die vorgenannten Versicherungsbeiträge sowohl bei der Ermittlung des Einkommens als auch bei der Höhe des Progressionsvorbehaltes unberücksichtigt.
Die Kläger vertreten die Auffassung,
es verstoße gegen europäisches Recht, die in den Niederlanden gezahlten Beiträge der Klägerin bei der deutschen Besteuerung nicht als Sonderausgaben anzusetzen. Insbesondere sei zu beachten, dass es sich bei der Klägerin um eine selbständig tätige Freiberuflerin handele, so dass die für Arbeitnehmer geschaffene Vorschrift des § 10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht anwendbar sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2018 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkommensteuer die niederländischen Beiträge zur Renten-, Pflege- und Krankenversicherung als Sonderausgaben berücksichtigt werden und dementsprechend die Einkommensteuer gemindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise: die Revision zuzulassen.
Der Beklagte verweist darauf,
dass die Sozialversicherungsbeiträge der Klägerin zwar Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 3 a EStG darstellten, jedoch mit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-NL) steuerfreien Einnahmen zusammenhingen und deshalb entsprechend § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig seien. Die Rückausnahme des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG treffe ebenfalls nicht zu. Danach seien im EU-Ausland gezahlte Vorsorgeaufwendungen gleichwohl bei der Besteuerung im Inland zu berücksichtigen, wenn der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang mit Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehe, diese Einnahmen nach einem DBA im Inland steuerfrei seien und der Beschäftigungsstaat keinerlei Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung dieser Einnahmen zulasse. Letztgenannte Rückausnahme sei Ergebnis einer Gesetzesänderung als Reaktion ...