rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer: Ermäßigter Steuersatz für die Übertragung von Urheberrechten an Computer-Programmen
Leitsatz (amtlich)
1. Urheberrechte an Computer-Programmen können im Einklang mit gemeinschaftsrecht wie Urheberrechte an Werken von Schriftstellern zum ermäßigten Steuersatz eingeräumt werden, wenn die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte übertragen werden.
2. Bei einem Zusammenhang mit der Entwicklung von Individual-Software muss die Urheberrechts-Einräumung Hauptbestandteil der Leistung sein; dafür kann die vorgesehene und durchgeführte Weiterübertragung durch den Abnehmer an andere Konzern- oder Branchenunternehmen sprechen.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstb. c; EWGRL 388/77 Art. 12; UrhG §§ 2-3, 29, 31, 69a, 69c, 69d
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der ermäßigte Umsatzsteuersatz auf die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an einer Individualsoftware von der Klägerin auf eine Versicherungsgesellschaft anzuwenden ist, insbesondere ob die Übertragung der Urheberrechte wesentlicher Leistungsinhalt ist.
I. 1. Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in Hamburg. Sie wurde 1995 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Entwicklung, der Vertrieb, die Wartung und der Service von Softwaresystemen (Akte Allgemeines -Allg-A- Bl. 4, 27; Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 7).
Die Klägerin steht in umfangreichen Geschäftsbeziehungen zu der ... Versicherung AG (V-AG), die auch im Streitfall Auftraggeberin und Leistungsempfängerin der Klägerin war.
Die V-AG gehörte in dem Streitzeitraum zunächst bis Januar 1998 dem Konzern der ... Holding AG (V-Konzern) an. Dieser Versicherungskonzern umfasste rechtlich selbstständige in- und ausländische Versicherungsgesellschaften unterschiedlicher Sparten, insbesondere folgende Unternehmen (FG-A Bl. 12, 15, 93; Anlage K 19):
- V-AG,
- V Rückversicherung AG,
- V Lebensversicherung AG,
- V Krankenversicherung AG,
- D Versicherung AG,
- D Allgemeine Rechtschutzversicherung AG,
- D Internationale Rückversicherung AG.
In 1997/1998 wurde die E-Versicherungsgruppe AG (E-Gruppe) durch Fusion des V-Konzerns mit dem H-Konzern (bestehend aus den Gesellschaften der H Versicherungen und der ... K) gegründet. Die Verschmelzung der beteiligten Holdinggesellschaften (V-Holding AG und H AG) wurde am 27. Januar 1998 durch Handelsregistereintragung wirksam (FG-A Bl. 462). Zu der E-Gruppe gehören danach neben den bereits genannten Gesellschaften des früheren V-Konzerns insbesondere die folgenden rechtlich selbständigen Gesellschaften (FG-A Bl. 12, 15, 16, 93, 335; Anlage K 19):
- H Lebensversicherung AG,
- H Rechschutz AG,
- H Sachversicherung AG,
- H Versicherung AG,
- Krankenversicherung AG (K).
2. Vor dem Streitzeitraum (1997-1998) wurde die buchhalterische Datenhaltung im Rechnungswesen des V-Konzerns im Jahre 1993 von dezentraler auf zentrale Datenhaltung umgestellt. Sämtliche Gesellschaften des V-Konzerns und deren Funktionsbereiche sollten in einem integrierten EDV-System verwaltet werden (FG-A Bl. 9; Anlage K3).
Mit Vertrag vom 11. Mai/1. Juni 1993 beauftragte die V-AG das Unternehmen W... (W-GmbH) mit der Entwicklung einer Spezial-Software, dem sog. Grundprogramm. Dieser Vertrag enthält insbesondere folgende Vereinbarungen (Anlage K 3):
§ 1 Auftragsgegenstand und -ziel Der Auftraggeber stellt die buchhalterische Datenhaltung von bisher dezentraler auf zentrale Verarbeitung um. Der Auftragnehmer entwickelt im Zuge der Neuordnung des Rechnungswesens im V-Konzern eine Spezial-Software mit dem Ziel, für alle Gesellschaften und Funktionsbereiche, insbesondere Bestand, Vermögen, das Kontokorrent sämtlicher Forderungen und Verbindlichkeiten in einem integrierten System zu verwalten. ... Die Einbindung des integrierten Systems und seiner Teile in die Gesamtheit der V-Anwendungssysteme ... ist technisch so zu gestalten, dass weitestgehende Unabhängigkeit von der Struktur der anwendenden Gesellschaften und der Organisation ihrer Arbeitsabläufe gewährleistet ist. Die Umsetzung des Fachkonzepts in ein integriertes System hat im übrigen so zu erfolgen, dass u.a. durch modulare Programmierung und Verwendung von Parametern Programmänderungen mit wirtschaftlich und technisch geringstem Aufwand möglich sind (z.B. die Anwendung des Systems bei ausländischen Konzerngesellschaften). ... § 12 Eigentums- und Nutzungsrecht ... Der AG (die V-AG) erhält mit Abnahme der Leistung das unwiderrufliche, unbeschränkte und ausschließliche sowie übertragbare Recht, die im Rahmen dieses Vertrages erbrachten Erstellungsleistungen auf sämtliche Arten zu nutzen. ... Zum Zwecke der Ausübung der vorgenannten Eigentums- und Nutzungsrechte übergibt der AN (die Klägerin) ... insbesondere den dem System zugrundeliegenden Quellcode ..."
3. Ebenfalls vor dem Streitzeitraum räumte die V-AG wiederum umgekehrt der Klägerin mit Vertrag vom 30. Oktober 1995 Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Software-Grundsystem ein, um sich ...