Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer entsteht mit der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts. Abzinsung des Kapitalwerts eines Erbbauzinsanspruchs nur bei vertraglich um mehr als ein Jahr hinausgeschobener Fälligkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Bestellung eines Erbbaurechts ist der steuerbare Erwerbstatbestand bereits durch die schuldrechtliche Begründung der Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück verwirklicht. Der Anspruch des Steuergläubigers auf die Grunderwerbsteuer entsteht bereits zu diesem Zeitpunkt.
2. Die Bewertung des Erbbauzinsanspruchs als Gegenleistung hat auf den Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer bei Vertragsabschluss zu erfolgen.
3. Der Kapitalwert des Erbbauzinses bemisst sich nach dem von der Laufzeit des Erbbaurechts abhängigen Vielfachen des Jahreswerts des Erbbauzinses. Beginnt die Erbbauzinsverpflichtung erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, so ist anstatt des Kapitalwerts der um dessen Abzinsung niedrigere gemeine Wert anzusetzen.
4. Die Abzinsung des Kapitalwerts wiederkehrender Leistungen auf den gemeinen Wert kommt nur in Betracht, wenn deren Fälligkeit infolge vertraglich bestimmter Fristen erst geraume Zeit nach dem für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer eintreten wird. Hierbei kann in Anlehnung an die Regelung des § 12 Abs. 3 S. 1 BewG über die Abzinsung unverzinslicher Kapitalforderungen auch bei aufgeschobenen Erbbauzinsen vom Erfordernis einer Mindestlaufzeit von mehr als einem Jahr für die Vornahme einer Abzinsung ausgegangen werden.
5. Eine zufällig aus außerhalb der vertraglichen Vereinbarung liegenden Gründen eintretende Fälligkeitsverschiebung vermag den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer nicht mehr zu verändern.
Normenkette
GrEStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; AO § 38; BewG § 9 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 19. Dezember 2007 in der geänderten Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2008 wird dahingehend geändert, dass die Grunderwerbsteuer auf 208.517 EUR herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 88% und der Beklagte zu 12%.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kapitalwert eines Erbbauzinsanspruches als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung abgezinst werden muss, wenn sich der Eintritt der vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen für den Erbbauzins aus unvorhergesehenen Gründen längere Zeit verzögert.
Die Y KG … (im Weiteren KG genannt) ist Alleineigentümerin eines bebauten Grundstücks in A., das bereits seit dem Jahr 1968 an die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger zum Zweck des Betriebs eines Lebensmittelmarkts verpachtet worden war. Mit notarieller Urkunde vom 28. Dezember 2004 bestellte die KG der Klägerin, die das vorhandene Gebäude abzureißen und neu zu erstellen beabsichtigte, an diesem Grundstück ein Erbbaurecht. Vereinbarungsgemäß sollte das Erbbaurecht mit seiner Eintragung in das Grundbuch beginnen und nach Ablauf von 30 Jahren seit diesem Zeitpunkt enden. Der dingliche Erbbauzins (Erbbauzinsreallast) war für den Zeitraum ab dem Tag der Eintragung des Erbbaurechts in das Grundbuch auf monatlich 30.000 EUR festgelegt. Darüber hinaus enthielt der Vertrag eine auf den Einzelhandelspreisindex bezogene Wertsicherungsklausel, nach der u.a. für den Zeitraum ab 1. Januar 2007 eine Mindesterhöhung des Erbbauzinses auf monatlich 32.000 EUR und für den Zeitraum ab 1. Januar 2010 eine solche auf monatlich 34.000 EUR bestimmt war. Außerdem wurde vereinbart, dass die Klägerin der KG den Mehrbetrag, um den die bisherige Pacht den Erbbauzins überstieg, noch zusätzlich zu bezahlen hatte, solange sie die bisherigen (zum späteren Abriss bestimmten) Verkaufshallen weiter benutzte. Die für die Bestellung des Erbbaurechts anfallende Grunderwerbsteuer übernahm vertragsgemäß die Klägerin. Der Beklagte setzte auf der Grundlage eines zunächst nur schätzungsweise ermittelten Werts der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung von 5.869.757 EUR mit Bescheid vom 9. Februar 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 205.441 EUR fest. Da für die erforderliche Löschung einer noch im Grundbuch für das o.g. Grundstück eingetragenen Grundschuld wegen des Verlusts des Grundschuldbriefs ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden musste, verzögerte sich aus diesem unvorhergesehenen Grund die Eintragung des Erbbaurechts für die Klägerin bis zum 20. Oktober 2006. Bis dahin leistete die Klägerin an die KG weiterh...