Revision eingelegt (BFH I R 26/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Berücksichtigung von in einem EU-Mitgliedstaat gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland Kein nochmaliger Sonderausgabenabzug für in einem EU-Mitgliedstaat entrichtete und dort steuerlich berücksichtigte Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Inland
Leitsatz (amtlich)
Während dem Abzug luxemburgischer Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben im Inland bei europarechtlich orientiertem Verständnis die gesetzliche (Neu-)Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c) EStG nicht entgegensteht, ergibt sich kein Anspruch auf doppelte Berücksichtigung gezahlter Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Tätigkeits- und zudem im Wohnsitzstaat.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Nr. 3a Abs. 2 S. 1, § 10 Abs. 2 S. 1; DBA Luxemburg Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von in Luxemburg gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 erklärten die im Inland wohnenden zusammenveranlagten Kläger u.a. im Inland steuerfreie ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers als Angestellter der L S.A., Luxemburg iHv 86.700 €. Ausschließlich mit diesen Einkünften im Zusammenhang stehende Beiträge zur Rentenversicherung iHv 6.696 €, zur Krankenversicherung iHv 2.514,60 € und zur Pflegeversicherung iHv 1.091,04 € machten sie als Vorsorgeaufwendungen geltend.
Der Beklagte behandelte die o.g. Einkünfte als nach demDBA Luxemburg steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte und berücksichtigte die geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 06. September 2017 nach § 10 Abs. 2 EStG nicht, weil sie Aufwendungen darstellten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden.
Den hiergegen erhobenen Einspruch begründeten die Kläger damit, dass die in Luxemburg gezahlten Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Pflegeversicherungsbeiträge nach dem EuGH-Urteil vom 22.06.2017 C-20/16 "Bechtel" als Sonderausgaben abzuziehen seien. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem dieser Entscheidung vorgehenden Vorlagebeschluss des BFH vom 16. September 2015 I R 62/13, BStBl II 2016, 205 sei auch eine doppelte steuerliche Berücksichtigung möglich, auch der EuGH zweifele dies an keiner Stelle im o.g. Urteil an. Sowohl die im BMF-Schreiben vom 11.12.2017 unter 3. genannte Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug in Deutschland als auch die gesetzliche Neuregelung des § 10 Abs. 2 EStG widersprächen dem und seien nicht EuGH-konform. Zudem seien Beiträge zur Pflegeversicherung in Luxemburg steuerlich überhaupt nicht absetzbar und daher nach dem EuGH-Urteil zwingend und ohne Einschränkung im Wohnsitzstaat als Sonderausgaben zu berücksichtigen, damit sie sich zumindest einmal steuerlich auswirkten.
Unter dem 19. Oktober 2017 erließ der Beklagte aus nicht streitgegenständlichen Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid.
Mit Entscheidung vom 06. September 2019 wies der Beklagte den Einspruch zurück.
Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG sei nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F., dass sie nicht in "unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit steuerfreien Einnahmen stünden. Mit Urteil vom 22.06.2017 habe der EuGH in der Rechtssache C-20/16 "Bechtel" entschieden, dass in bestimmten Fällen die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV einer Regelung wie der des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG entgegenstehe, nach der Altersvorsorgeaufwendungen und Krankenversicherungsbeiträge von in einem EU-Mitgliedstaat tätigen, aber in Deutschland wohnenden Arbeitnehmern, deren Arbeitslohn nach einem DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sei, vom Sonderausgabenabzug ausgenommen seien, während für vergleichbare Beiträge eines in Deutschland tätigen Arbeitnehmers zur deutschen Sozialversicherung dieser Abzug gestattet werde. Der Tenor des EuGH-Urteils sei auf eine Tätigkeit für die öffentliche Verwaltung beschränkt. Die Urteilsbegründung mache aber deutlich, dass die rechtliche Natur des Beschäftigungsverhältnisses nicht entscheidend sei (Rn. 33 des Urteils). Nach dem EuGH könne das hier einschlägige Sonderausgabenabzugsverbot für Vorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem anderen Mitgliedstaat erzielten und nachDBA in Deutschland steuerfreien Einnahmen stünden, den betreffenden Steuerpflichtigen davon abhalten, seine Arbeitnehmerfreizügigkeit wahrzunehmen. Grundsätzlich sei es Sache des Wohnsitzstaates, familien- und personenbezogene Abzüge zu gewähren, es sei denn, dieser Staat sei im Vertragswege von seiner Verpflichtung zur vollständigen Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation befreit oder er stelle fest, dass ein oder mehrere Beschäft...