Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Familienstiftung
Leitsatz (redaktionell)
Zu den „entferntest Berechtigten” gemäß §15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gehören alle Personen, die nach der Satzung - auch nur theoretisch - in Zukunft aus der Generationenfolge Vorteile aus der Familienstiftung erlangen können. Diese müssen weder bereits geboren sein noch einen klagbaren Anspruch haben (Bestätigung der RFH-Rechtsprechung).
Normenkette
ErbStG 1997 § 15 Abs. 2 S. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 80; ErbStG 1997 § 1 Abs. 1 Nr. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zum danach maßgeblichen „entferntest Berechtigten” für die Bestimmung der Steuerklasse und des Freibetrages im Falle der Errichtung einer Familienstiftung.
Die Klägerin (A) errichtete zusammen mit ihrem Ehemann (B) eine Familienstiftung als Stiftung bürgerlichen Rechts unter dem Namen „U Familienstiftung”, die später von der zuständigen Stiftungsaufsicht genehmigt worden ist. Die Stifter verpflichteten sich im Stiftungsgeschäft, die Stiftung mit folgendem Vermögen auszustatten:
„1. Erbbaurecht am Grundstück in X (Amtsgericht X), …str. 00, bebaut mit einem Mehrfamilienhaus und eingetragen im Erbbau-Grundbuch von X Blatt 0000 mit einem Wert am 30.04.2019 von Euro 300.000,00.
2. Barbetrag von A in Höhe von Euro 150.000,00 (in Worten Einhundertfünfzigtausend Euro).”
Sie gaben den Stiftungszweck wie folgt an:
„- Die angemessene Versorgung der beiden Stifter A und B.
- Die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter C, geb. am ...
- Die finanzielle Unterstützung nachfolgender Abkömmlinge der Familie A & B soll erst nach Wegfall der Vorgeneration erfolgen.”
A und B hatten zu diesem Zeitpunkt die namentlich erwähnte Tochter C und noch keine Enkelkinder. In der Satzung der U Familienstiftung legten die Stifter den Zweck – nahezu wortidentisch – wie folgt fest:
„§ 3 Stiftungszweck
Die Stiftung hat folgende Zwecke:
a) Die angemessene Versorgung der beiden Stifter A und B,
b) die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter C, geb. am …,
c) die angemessene finanzielle Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes von A & B, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation.”
Im Falle der Auflösung der Stiftung sollte das Vermögen unter den Begünstigten analog § 3 a) und b) der Satzung aufgeteilt oder vom Vorstand einem anderen gemeinnützigen Zweck zugewandt werden können.
Die Klägerin war bis dahin Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses auf einem vorgenannten Erbbaugrundstück in X (…straße 00). Durch notariellen Vertrag übertrug die Klägerin – wie vorgesehen – die vorgenannte Immobilie mit Wirkung zum 1. Januar 2020 als Vermögen auf die zuvor errichtete Familienstiftung. Die Stifterin (Klägerin) verpflichtete sich zugleich, die anfallende Schenkungsteuer zu tragen. In der Eröffnungsbilanz der Stiftung zum 3. Juni 2019 wies diese das Erbbaurecht und mit 300.000 € und 150.000 € Bankguthaben als Vermögenswerte aus.
Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes des Erbbaurechts ergab einen Wert von 413.416 € (statt des von den Stiftern angenommenen Wertes von 300.000 €). Das FA ermittelte unter Berücksichtigung der weiteren Ausstattung mit Bankguthaben und unter Abzug der Belastungen des Erbbaurechts einen – unstreitigen – Steuerwert der Bereicherung in Höhe von 443.051 €.
Im Schenkungsteuerbescheid des FA vom 17. März 2020 ordnete das FA den Vorgang der Steuerklasse I („Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder”) gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu und ließ gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG für die „übrigen Personen der Steuerklasse I” einen Freibetrag von 100.000 € zum Abzug zu. Als „entferntest Berechtigten” im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sah das FA die weiteren Abkömmlinge nach § 3 c) der Satzung an. Begünstigt sein könnten später auch Enkel und Urenkel der Stifter, auch wenn diese zurzeit noch nicht geboren seien. Das FA setzte zuletzt (Änderungsbescheid vom 11. Juni 2020) eine Schenkungsteuer in Höhe von 59.175 € gegen die Klägerin fest. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Bestimmung des „entferntest Berechtigten” sei unzutreffend erfolgt. Es handele sich immer nur um einen Anfall zwischen Eltern und ihren Kindern. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass zurzeit nur eine Tochter tatsächlich existiere. Deshalb müsse gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ein Freibetrag in Höhe von 400.000 € bei der Festsetzung der Schenkungsteuer in Abzug gebracht werden.
Es sei nicht zulässig, noch nicht einmal geborene Enkelkinder und Urenkel zum Nachteil der Klägerin quasi fiktiv bei der Bemessung des Freibetrages zu berücksichtigen. Außerdem sei nach der Satzung ausdrücklich vorgesehen, dass eine nachfolgende Generation erst nach dem Wegfall der Vorgeneration begünstigt sein werde. Die Begünstigung bestehe damit nach der Satzung zeitlich gestaffelt jeweils i...