Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Folgen der Sicherungsübereignung. Abzugsverfahren bei Veräußerung von sicherungsübereigneten Bussen bei Betriebseinstellung eines Busunternehmers. Umsatzsteuerhaftung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sicherungseigentum verkörpert eine Verwertungsbefugnis, deren Inhalt das – mit Eintritt der Verwertungsreife entstehende– Veräußerungsrecht ist. Verwertet der Sicherungsnehmer in Ausübung seines Veräußerungsrechts das Sicherungsgut, vollendet sich der mit der Sicherungsübereignung eingeleitete Liefervorgang.
2. Mit Eintritt der Verwertungsreife kann der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut an sich ziehen, die Sicherungsübereignung wird damit ohne weiteres Zutun des Sicherungsgebers umsatzsteuerrechtlich zu einer – dem Abzugsverfahren unterliegenden– Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Das gilt unabhängig davon, ob der Sicherungsnehmer dann das Sicherungsgut im eigenen Namen oder im Namen des Sicherungsgebers veräußert, oder ob der Sicherungsgeber das Sicherungsgut mit Zustimmung des Sicherungsnehmers im eigenen Namen veräußert.
3. Im Streitfall: Einstellung des Busunternehmens als Eintritt der Verwertungsreife zweier einer Bank sicherungsübereigneter Omnibusse, Umsatzsteuer-Haftung der Bank nach § 55 UStDV für die mit ihrer Zustimmung erfolgte Veräußerung der Busse durch den Transportunternehmer an einen Dritten, unter Überweisung des Bruttokaufpreises auf ein Konto der Bank, wenn der Transportunternehmer zur Abführung der Umsatzsteuer an das FA später nicht mehr in der Lage war.
Normenkette
UStDV 1991 §§ 55, 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 191 Abs. 1; UStG § 3 Abs. 1, § 18 Abs. 8
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als darlehensgebende Bank, der Gegenstände sicherungsübereignet waren, nach Veräußerung dieser Gegenstände gemäß § 55 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden kann.
Der Darlehensnehmer (G.B.), der beim Beklagten (dem Finanzamt – FA–) steuerlich geführt wurde, hat die Anschaffung zweier Omnibusse bei der Klägerin fremdfinanziert. Zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin hat er dieser am 27. März bzw. 31. Mai 1991 beide Omnibusse sicherungsübereignet. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarungen wird auf die Sicherungsübereignungsverträge (Bl. 17–23 Rechtsbehelfsakte –RbA–) Bezug genommen. Nachdem die Filiale … bereits am 8. Dezember 1993 geschlossen worden war, hat G.B. den Betrieb seines Busunternehmens zum 31. Dezember 1993 insgesamt eingestellt. Bereits mit Kaufvertrag vom 26. November 1993 hatte er beide Omnibusse an einen anderen Busunternehmer (O) veräußert (Bl. 25 RbA). Danach sollten die Omnibusse zum 1. April bzw. 1. Juni 1994 gegen einen Kaufpreis von 300.000 bzw. 250.000 DM, jeweils zzgl. 15 % USt, übereignet werden. Am 11. März 1994 bzw. 2. Mai 1994 stellte G.B. dem O die Omnibusse unter gesondertem Ausweis der USt (45.000 bzw. 37.500 DM) in Rechnung (Bl. 35/37 RbA). Der Bruttokaufpreis wurde vereinbarungsgemäß auf das von G.B. bei der Klägerin unterhaltene Konto überwiesen, nachdem die Klägerin der … bank am Sitz des O die Kfz-Briefe zu treuen Händen übersandt und verfügt hatte, daß die Kfz-Briefe gegen Zahlung des jeweiligen Bruttokaufpreises an O auszuhändigen seien. O hat die ausgewiesene USt als Vorsteuer geltend gemacht.
G.B. ist dem FA die USt für den Veranlagungszeitraum 1994 schuldig geblieben. Mit Haftungsbescheid vom 30. April 1997 nahm das FA die Klägerin für USt in Höhe von 82.500 DM in Anspruch mit der Begründung, daß die Klägerin gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStDV bei der Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände die USt in dieser Höhe von der Gegenleistung hätte einbehalten und abführen müssen. Der Einspruch der Klägerin hatte in der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 1998 keinen Erfolg, wogegen sich die vorliegende Klage richtet.
Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, es habe im Streitfall keine Verwertung der Sicherheiten stattgefunden. Nach den Sicherungsübereignungsverträgen müsse für die Verwertungsreife der Tatbestand erfüllt sein, daß der Sicherungsgeber oder Schuldner seinen Verpflichtungen gegenüber der Bank nicht mehr nachkommt. G.B. habe jedoch seine Verpflichtungen gegenüber der Klägerin stets erfüllt. Die von dieser gewährten und abgesicherten Kredite seien weder fällig gestellt noch gekündigt worden. Am 9. Dezember 1993 habe lediglich eine formale Löschung der Kreditlinie stattgefunden, weil der Kontokorrentkredit mit der Geschäftsstillegung seinen Charakter als Betriebsmittelkredit verloren habe. Die Klägerin habe sich aufgrund der vertraglichen Bestimmungen die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut nicht verschaffen können, ohne sich der Gefahr des Vertragsbruchs auszusetzen. G.B. sei zu keinem Zeitpunkt verp...