Leitsatz
1. Werden wesentliche Teile einer übertragenen Sachgesamtheit nach der Vermögensübergabe veräußert, ist anhand einer neuen Ertragsprognose zu prüfen, ob die Versorgungsleistungen weiterhin von den Nettoerträgen des verbleibenden Vermögens gedeckt werden.
2. Wird ertragloses in ertragbringendes Vermögen in Absprache mit dem Übergeber umgeschichtet, kann der durchschnittliche jährliche Ertrag des erworbenen Vermögens ab der Umschichtung aus den Erträgen des Umschichtungsjahrs und der beiden Folgejahre ermittelt werden. Dies gilt auch, wenn erstmals im zweiten Jahr nach der Umschichtung ein Ertrag erwirtschaftet wird und daher feststeht, dass im Umschichtungsjahr und im ersten Folgejahr die Versorgungsleistungen aus der Vermögenssubstanz gezahlt worden sind.
3. Die Umschichtung von ertragbringendem in anderes ertragbringendes Vermögen nach der Vermögensübergabe ist zulässig. Sie setzt weder eine Gestattung im Übergabevertrag noch eine gesonderte Abrede mit dem Übergeber anlässlich der Umschichtung voraus. Der durchschnittliche jährliche Ertrag des Reinvestitionsguts ist grundsätzlich aus den Erträgen des Umschichtungsjahrs und der beiden Folgejahre zu ermitteln.
4. Zu den der Art nach ertragbringenden Wirtschaftseinheiten gehört nicht Wohneigentum, das einem Angehörigen unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird.
5. Bei einer Umschichtung bleibt es bei dem Grundsatz, dass Versorgungsleistungen insgesamt nur unter der Voraussetzung als Sonderausgaben abziehbar sind, dass der Ertrag des übergebenen bzw. umgeschichteten Vermögens die Leistungen abdeckt.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt von seiner Mutter einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er verpflichtete sich, ihr Versorgungsleistungen als dauernde Last gem. § 323 ZPO zu zahlen. Diese Versorgungsleistungen sollten erhöht werden, sobald das ebenfalls zum übergebenen Vermögen gehörende Kiesvorkommen verkauft worden war. Der Erwerber des Kiesvorkommens zahlte im Januar 2001 die erste Kaufpreisrate, die weiteren sieben Kaufpreisraten waren 24 Monate nach der ersten Rate und danach jeweils jährlich fällig. Eine Vereinbarung über die Verzinsung der Kaufpreissumme wurde nicht getroffen.
Der Kläger erwarb von der ersten Kaufpreisrate eine Eigentumswohnung, in der seine Tochter unentgeltlich wohnte und für die er Eigenheimzulage erhielt. Ab Februar 2001 leistete er die erhöhten Versorgungsleistungen an seine Mutter, für die er den Sonderausgabenabzug beanspruchte.
Das FA berücksichtigte nur Zahlungen in der bisherigen Höhe. Einspruchs- und Klageverfahren blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.10.2005, 7 K 6939/04 E, Haufe-Index 1718249, EFG 2007, 253).
Entscheidung
Der BFH gab dem Kläger recht. Das FG habe zu Unrecht einen Zusammenhang zwischen den erhöhten Versorgungsleistungen, die nach Veräußerung des Kiesvorkommens zu leisten waren, und der Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebs verneint. Da der BFH nicht abschließend beurteilen konnte, ob die Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des übergebenen und umgeschichteten Vermögens erbracht werden konnten, hob er das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Die sehr ausführlichen Leitsätze stellen eigentlich schon den wesentlichen Inhalt des Urteils dar, in dem der BFH die Anforderungen an nachträgliche – steuerunschädliche – Vermögensumschichtungen im Anschluss an eine Vermögensübergabe präzisiert. Als Ergänzung zu den Aussagen der Leitsätze sind folgende Aspekte wichtig:
- Eine Kaufpreisforderung bildet wegen des Zinsanteils ebenfalls eine der Art nach ertragbringende Wirtschaftseinheit; es ist keine verbriefte Forderung oder einem Wertpapier vergleichbare Forderung notwendig (a.A. Tz. 10 des BMF-Schreibens vom 16.09.2004, BStBl I 2004, 922).
- Wird das bereits einmal umgeschichtete Vermögen weiter in eine Eigentumswohnung umgeschichtet, die dann unentgeltlich von Familienangehörigen zu Wohnzwecken genutzt wird, werden weder der ersparte Barunterhalt noch die vereinnahmte Eigenheimzulage als Erträge des übergebenen und später umgeschichteten Vermögens angesehen. Zwar kann die ersparte Nettokaltmiete einer unmittelbar übergebenen und vom Übernehmer eigengenutzten Wohnung zu einem Ertrag im Rahmen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen führen (vgl. Tz. 21 des o.g. BMF-Schreibens). Der X. Senat lehnt es aber ab, den Begriff "selbst genutztes Wohneigentum" weiter zu verstehen als bisher. Die nicht selbst vom Übernehmer genutzte Wohnung ist demnach keine der Art nach ertragbringende Wirtschaftseinheit, selbst wenn sich dadurch eine Unterhaltsverpflichtung des Vermögensübernehmers vermindert.
- Der im 5. Leitsatz ausgesprochene Grundsatz "alles oder nichts" wird durch eine Geringfügigkeitsgrenze aufgeweicht: Nach Auffassung des X. Senats muss der Sonderausgabenabzug nicht daran scheitern, dass die erzielbaren Nettoerträge die Summe der versprochenen Versorgungsleistungen geringfügig unterschreiten. Als Geringfügigkeitsgrenze werden 10 % genannt.