Prof. Dr. Michael Preißer
Rz. 1919
Die Einkommensermittlung der GmbH in der Liquidationsphase (vgl. § 60ff. GmbHG) richtet sich nach den Sonderregelungen des § 11 KStG. Ziel dieser Vorschrift ist es, durch eine Schlussbesteuerung der GmbH die vorhandenen stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern. Abweichend von § 7 Abs. 4 KStG, wonach die GmbH ihren Gewinn in dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln hat, für das sie regelmäßig Abschlüsse machen, regelt § 11 Abs. 1 KStG, dass der im Abwicklungszeitraum erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Der Besteuerungszeitraum soll nicht mehr als drei Jahre betragen. Wird dieser Zeitraum überschritten, wird nach drei Jahren auf der Ebene der GmbH eine Liquidationsbesteuerung vorgenommen, die in Bezug auf die tatsächliche Besteuerung des längeren Zeitraums lediglich als Zwischenveranlagung angesehen wird. Die Zwischenveranlagung sollte dann bei Endveranlagung der Liquidation gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgehoben werden. Demnach gibt es im Liquidationszeitraum steuerlich keine Wirtschaftsjahre.
Rz. 1920
Der Besteuerungszeitraum beginnt grundsätzlich mit der Auflösung (vgl. R 51 KStR 2004) der GmbH. Der Liquidationsgewinn wird durch Vermögensvergleich (Abwicklungs-Endvermögen ./. Abwicklungs-Anfangsvermögen) ermittelt (vgl. § 11 Abs. 2 KStG). Das Abwicklungs-Anfangsvermögen (§ 11 Abs. 4 KStG) ist das Betriebsvermögen am Schluss des der Liquidation vorangegangenen Wirtschaftsjahres bzw. des Wirtschaftsjahres der letzten Veranlagung. Dieses Vermögen ist zu Buchwerten anzusetzen.
Rz. 1921
Das Abwicklungs-Endvermögen (§ 11 Abs. 3 KStG) ist das zur Verteilung kommende Vermögen abzüglich der steuerfreien Vermögensmehrungen. Das Endvermögen ist entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 3 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
Rz. 1922
Das so ermittelte Abwicklungs-Endvermögen ist erst nach Anwendung allgemeiner Einkommens-Ermittlungsvorschriften der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Das bedeutet, dass die Ausgangsgröße vor allem um nichtabzugsfähige Betriebsausgaben, verdeckte Vermögensverlagerungen auf die Anteilseigner sowie verdeckte Einlagen der Anteilseigner im Abwicklungszeitraum zu korrigieren ist. Das Einkommen im Abwicklungszeitraum kann sich durch einen Verlustvortrag aus früheren Jahren mindern; ein Verlust im Abwicklungszeitraum ist in gleicher Weise auf den dem Abwicklungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückzutragen. Der Verlustvortrag ist ab 2004 betragsmäßig begrenzt worden. Dies führt in Liquidationsfällen dazu, dass der nicht verbrauchte Verlustvortrag endgültig verloren geht. Jedoch ist in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Zweifel des BFH sowie der Finanzgerichte hinzuweisen, inwieweit der endgültige Untergang des nicht verbrauchten Verlustvortrags verfassungskonform ist. Auf Basis des Vorlagebeschlusses des FG Hamburg bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das Bundesverfassungsgericht diese Zweifel ebenfalls teilen wird.
Unterschied Bezüge und Veräußerungstatbestand
Bei den Gesellschaftern der GmbH ist für Zwecke der Besteuerung zwischen Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie einem Veräußerungstatbestand i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG zu unterscheiden. Während die Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus dem verteilungsfähigen Schlussvermögen abzüglich des Nennkapitals und eines vorhandenen Bestandes des Einlagekontos i. S. d. § 27 KStG bestehen und nach §§ 43 bzw. § 32d EStG besteuert werden, stellt der Differenzbetrag zwischen dem ausgezahlten Nennkapital bzw. Einlagenkonto und den Anschaffungskosten Veräußerungseinkünfte i. S. d. § 17 EStG dar, die nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens nach §§ 3 Nr. 40c besteuert werden. Letztere kommen insbesondere dann in Betracht, wenn die ursprünglichen Anschaffungskosten unter dem (anteiligen) Wert des Nennkapitals bzw. Einlagenkontos lagen.