Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungskosten bei Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen einer im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgten Hofübergabe
Leitsatz (amtlich)
Anschaffungskosten einer Wohnung durch Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge liegen auch dann vor, wenn die im Privatvermögen gehaltene Wohnung zu einem Hof i.S. der HöfeO gehört.
Normenkette
HGB § 255 Abs. 1; EigZulG §§ 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Landwirt. Seine Mutter übergab ihm im Streitjahr 2000 ihren zu diesem Zeitpunkt bereits vom Kläger bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sowie die mit einem Zweifamilienhaus bebaute Hofstelle. Das Wohnhaus gehört seit dessen Entnahme zum Privatvermögen. Darin nutzen die Mutter des Klägers und der Kläger mit seiner Familie je eine Wohnung. Der Übergabevertrag verpflichtete den Kläger, die auf dem Betrieb und dem Wohnhaus lastenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Der Kläger hatte danach drei im Übergangszeitpunkt mit insgesamt 120 037 DM noch valutierte Darlehen zu übernehmen, wovon auf die vom Kläger genutzte Wohnung 20 354 DM entfielen. Ferner hatte der Kläger seinen beiden Schwestern Ausgleich zu leisten.
Der Kläger beantragte für seine Wohnung ab dem Streitjahr 2000 Eigenheimzulage, die ihm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) indes nicht gewährte. Der Kläger habe die Wohnung nämlich unentgeltlich erworben. Neben dem Hof gehöre auch das Wohnhaus --obzwar Privatvermögen-- zum Hofesvermögen nach der Höfeordnung (HöfeO). Es nehme deshalb an der Sonderrechtsnachfolge nach der HöfeO teil. Die übernommenen Verbindlichkeiten beträfen insgesamt Hofesvermögen. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. Januar 1993 (BStBl I 1993, 80) finde hinsichtlich der Wohnung des Betriebsinhabers ein unentgeltlicher Erwerb statt. Weder Abfindungszahlungen noch übernommene Verbindlichkeiten führten insoweit zu Anschaffungskosten.
Die Klage mit dem Begehren des Klägers, ihm aufgrund seiner Anschaffungskosten in Höhe der auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden und übernommenen Verbindlichkeiten Eigenheimzulage zu gewähren, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte dem Kläger Eigenheimzulage und Kinderzulage für zwei Kinder aufgrund einer Bemessungsgrundlage von 20 354 DM.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung von § 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) stützt. Der Hof sei kraft höferechtlicher Erbfolge einschließlich des Hofesvermögens, zu dem auch die selbstgenutzte Wohnung gehöre, unentgeltlich übergegangen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat die Vorentscheidung den Anspruch des Klägers auf Eigenheimzulage bejaht.
1. Nach § 1, § 2 Abs. 1 EigZulG hat ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Eigenheimzulage für die entgeltliche Anschaffung einer Wohnung (vgl. zum Begriff der Anschaffungskosten § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches). Übernimmt der Erwerber im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge Verbindlichkeiten des Veräußerers, so liegen in steuerrechtlicher Beurteilung grundsätzlich Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts vor, und zwar unabhängig davon, ob das Wirtschaftsgut unentgeltlich übertragen wird (Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 3. b). Dem Erwerber entstehen durch die Begleichung der Verbindlichkeit Aufwendungen, die er auf sich nimmt, um Eigentümer der Wohnung zu werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 IX R 77/03, BFH/NV 2006, 31, und vom 24. März 1993 X R 25/91, BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die von ihm und seiner Familie genutzte Wohnung entgeltlich angeschafft; denn er hat nach den Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, insoweit Verbindlichkeiten in Höhe von 20 354 DM übernommen. Über die Zuordnung dieser Verbindlichkeiten zur selbstgenutzten Wohnung des Klägers herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit; sie beruht auf einer tatsächlichen Verständigung vor dem FG.
2. Für dieses Ergebnis ist unerheblich, ob die Wohnung, um die es hier geht, Hofesvermögen ist. Denn für die steuerrechtliche Beurteilung kommt es allein darauf an, dass die Wohnung --was unter den Beteiligten unstreitig ist-- zum Privatvermögen gehört. Die zivilrechtliche und nur partiell bundesrechtliche (vgl. Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Nr. 1, Art. 125 des Grundgesetzes) Qualifizierung des Vorgangs nach der HöfeO ist hier nicht maßgeblich (vgl. zum Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, Finanz-Rundschau 1992, 270).
Zwar mag es sein, dass die Wohnung als Hofbestandteil nach §§ 1, 2 HöfeO (neugefasst durch Bekanntmachung vom 26. Juli 1976, BGBl I 1933, zuletzt geändert durch Art. 7 Abs. 13 des Gesetzes vom 27. Juni 2000, BGBl I, 897) i.V.m. Art. 64 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch gemäß § 17 Abs. 1, § 16 Abs. 1, § 4 HöfeO nur zusammen mit dem Hof auf einen Hoferben übertragen werden kann. Es mag auch sein, dass der Hofübergabevertrag im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge einer Verfügung von Todes wegen nahe steht (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juni 1962 V ZR 90/61, Neue Juristische Wochenschrift 1962, 1615), weil nach § 17 Abs. 2 HöfeO der Erbfall hinsichtlich des Hofs mit dem Zeitpunkt seiner Übertragung an einen hoferbenberechtigten Abkömmling zugunsten der anderen Abkömmlinge als eingetreten gilt. Diese Fiktion hat aber, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, nur für die rechtlichen Verpflichtungen des Hoferben gegenüber den aus dem Erbfall Anspruchsberechtigten Bedeutung (vgl. zum Zweck BFH-Urteil vom 17. Mai 1966 III 122/63, BFHE 86, 384, BStBl III 1966, 477). Sie ändert an der steuerrechtlichen Beurteilung des Rechtsverhältnisses des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer nichts.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom FA zitierten BMF-Schreiben vom 11. Januar 1993 (BStBl I 1993, 62), auf das das zur vorweggenommenen Erbfolge ergangene BMF-Schreiben in BStBl I 1993, 80 in seiner Tz. 44 verweist; denn dieses verhält sich in Tz. 89 nur zu den Ausgleichszahlungen, nicht aber zu übernommenen Verbindlichkeiten.
Fundstellen
Haufe-Index 1642961 |
BFH/NV 2007, 313 |
BStBl II 2007, 265 |
BFHE 2008, 465 |
BFHE 215, 465 |
BB 2007, 92 |
DB 2007, 34 |
DStRE 2007, 223 |
DStZ 2007, 122 |
HFR 2007, 108 |