Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der steuerfreien Entnahme des zu einer Wohnung gehörenden Grund und Bodens i.S. des § 52 Abs.15 EStG: Zubehörflächen, Hausgarten, 1000-qm-Regel der Finanzverwaltung, Entnahme bei Schenkung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens
Leitsatz (amtlich)
Die im Rahmen der Übergangsregelung des § 52 Abs.15 EStG zulässige steuerfreie Entnahme des zu einer Wohnung gehörenden Grund und Bodens umfaßt nur die für die künftige private Nutzung erforderlichen Zubehörflächen. Die steuerfreie Entnahme weiterer Flächen ist selbst dann ausgeschlossen, wenn diese im Entnahmezeitpunkt als Hausgarten genutzt wurden.
Orientierungssatz
1. Die Übertragung einzelner, zum Betriebsvermögen eines Landwirts gehörender Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ein Kind führt zu einer Entnahme gemäß § 4 Abs.1 Sätze 1 und 2 EStG (vgl. BFH-Rechtsprechung zur Entnahme durch Schenkung). Im Unterschied zur Entnahme nach § 52 Abs.15 Satz 8 EStG richtet sich der Umfang einer steuerpflichtigen Entnahme nach der objektiv bestimmbaren Nutzungsänderung eines Wirtschaftsguts, das bis dahin zum notwendigen Betriebsvermögen gehört hat.
2. Der --steuerfrei entnehmbare-- zur Wohnung "dazugehörende Grund und Boden" i.S.d. § 52 Abs.15 Satz 8 EStG ist nicht auf die bebaute Fläche beschränkt; es besteht aber auch kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, den Umfang des dazugehörigen Grund und Bodens selbst zu bestimmen. Dieser Umfang bestimmt sich auch nicht ausschließlich nach dem vor der Entnahme bestehenden Nutzungszusammenhang und Funktionszusammenhang. Die 1000-qm-Regelung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 12.11.1986, BStBl I 1986, 528 i.V.m. Abschn.133a Abs.4 Sätze 2 und 3 EStR 1986/1990) ist eine Nichtbeanstandungsgrenze, nicht aber eine Regelung, die einen Anspruch auf steuerfreie Entnahme weiterer 1000 qm Grund und Bodens neben der mit der Wohnung bebauten Fläche begründet.
Normenkette
EStG §§ 13, 4 Abs. 1 Sätze 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 4; EStG 1987 § 52 Abs. 15 S. 8 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für die Streitjahre 1988 und 1989 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt seit dem 1. Juli 1983 Einkünfte aus der Verpachtung seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, die er durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Von der Verpachtung ausgenommen war das 1 633 qm große Grundstück (Flurstück 176/5 Flur 5 der Gemarkung A), auf dem sich das Wohnhaus der Kläger befand. Der größere Teil des Grundstücks war als Nutz- und Ziergarten angelegt. Im Jahr 1984 wurde das Grundstück in ein bebaubares Flurstück 176/1 zu 500 qm und das Wohngrundstück 176/4 zu 1 133 qm aufgeteilt. Nach Angaben des Klägers erfolgte die Aufteilung, um Erschließungskosten für die X-Straße zu sparen, die an der rückwärtigen Seite des Grundstücks neu angelegt wurde. Das nunmehr an diese Straße angrenzende Flurstück 176/1 wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab 1. Januar 1985 als unbebautes Grundstück im Grundvermögen bewertet.
Am 22. Juli 1988 veräußerte der Kläger einen 34 qm großen Teil des Flurstücks 176/4 (das neu entstandene Flurstück 176/3) an die Stadt A zur Verbreiterung der Hauptstraße. Hierfür wurde kein Entgelt vereinbart; der Kläger erwarb jedoch am gleichen Tag von der Stadt A das an das Flurstück 176/1 angrenzende Flurstück 190/8 (68 qm) für 50 DM/qm, insgesamt 3 400 DM. Mit notariellem Vertrag vom 16. März 1989 übertrug der Kläger dann die Flurstücke 176/4 (1 099 qm), 176/1 (500 qm) und 190/8 (68 qm) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn, der sich dazu verpflichtete, dem Kläger ein unentgeltliches Wohnrecht in einem auf dem Grundstück noch zu errichtenden Bauobjekt einzuräumen.
Nach einer Betriebsprüfung erfaßte das FA für das abgeteilte Flurstück 176/1 einen Entnahmegewinn von 55 000 DM. Es erließ die angefochtenen Einkommensteuerbescheide mit der Begründung, dieses Teilstück sei kein zur Wohnung gehörender Grund und Boden i.S. des § 52 Abs.15 Satz 8 EStG.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Steuerbefreiung nach § 52 Abs.15 Satz 8 EStG erfasse nur das 1 099 qm große mit dem Wohnhaus bebaute Flurstück 176/4. Der nach dieser Vorschrift steuerfrei mit der Wohnung zu entnehmende Grund und Boden sei nach einer Regelung der Finanzverwaltung mit einer Fläche von 1 000 qm anzusetzen (Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 12. November 1986, BStBl I 1986, 528). Dies sei eine zutreffende Auslegung des Gesetzes.
Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 52 Abs.15 Satz 8 Nr.1 EStG. Die nach dieser Vorschrift steuerfreie Entnahme umfasse die Flurstücke 176/4, 176/1 und 190/8 zur Größe von insgesamt 1 667 qm, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Wohngebäude stünden. Den tatsächlichen Verhältnissen widerspreche es, jeder Wohnung eine gleichgroße oder annähernd gleichgroße Fläche Grund und Bodens zuzurechnen; auch die steuerfrei entnommene Wohnung selbst könne von der Größe her, je nach der Anzahl der Bewohner, völlig unterschiedlich sein. Im Streitfall bestehe jedoch Einigkeit darüber, daß die gesamte Fläche, soweit nicht bebaut, als Hausgarten benutzt worden sei. Selbst wenn man die Steuerbefreiung auf Hausgärten von 1 000 qm beschränkte, müßte die Vorentscheidung aufgehoben werden, weil nach Abzug der bebauten Fläche und der Zuwegungs- und Verkehrsfläche weniger als 1 000 qm für einen Hausgarten verblieben. Schließlich ergebe sich aus der Notwendigkeit einer Altenteilerwohnung, daß es der mit den Steuerbefreiungen des § 52 Abs.15 EStG verfolgten Zielsetzung des Gesetzgebers entspreche, im Streitfall die gesamte Grundstücksfläche von 1 667 qm in die Steuerbefreiung einzubeziehen. Denn hätte der Betrieb eine Altenteilerwohnung, so wäre auch insoweit der zugehörige Grund und Boden steuerfrei zu entnehmen. Nach dem Grundstücksübergabevertrag habe sich der Sohn aber verpflichtet, dem Kläger an dem noch zu errichtenden Gebäude ein Wohnrecht zu bestellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Nach § 52 Abs.15 Satz 8 Nr.1 EStG bleibt ein Entnahme- oder Veräußerungsgewinn außer Ansatz, wenn nach dem 31. Dezember 1986 die bis dahin zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende "Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden entnommen oder veräußert" werden, bevor sie von Gesetzes wegen deshalb als entnommen gelten, weil der Steuerpflichtige die Nutzungswertbesteuerung abgewählt hat oder diese mit dem Veranlagungszeitraum 1998 abgelaufen ist (§ 52 Abs.15 Satz 2 und 6 EStG).
Im Streitfall besteht Einigkeit darüber, daß die Übertragung der drei Flurstücke 176/4, 176/1 und 190/8 auf den Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge beim Kläger zu einer Entnahme gemäß § 4 Abs.1 Sätze 1 und 2 EStG geführt hat (zur Entnahme durch Schenkung vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. August 1983 VIII R 15/80, BFHE 139, 79, BStBl II 1983, 736, und vom 26. November 1987 IV R 171/85, BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490). Auch die Höhe des Entnahmegewinns ist unstreitig. Dieser Entnahmegewinn ist jedoch, entgegen der Revision, nicht in vollem Umfang steuerfrei.
Zu Recht haben FA und FG die steuerfreie Entnahme auf das 1 099 qm große Flurstück 176/4 beschränkt, auf dem sich in den Streitjahren die Wohnung der Kläger befand. Die ebenfalls entnommenen Flurstücke 176/1 und 190/8 sind kein "dazugehörender Grund und Boden" i.S. des § 52 Abs.15 Satz 8 EStG.
Der unbestimmte und daher auslegungsbedürftige Rechtsbegriff des zur Wohnung "dazugehörenden Grund und Bodens" findet sich in verschiedenen Vorschriften des EStG. So etwa mit der gleichen Bedeutung wie in der für den Streitfall einschlägigen Vorschrift des § 52 Abs.15 Satz 8 EStG auch in § 52 Abs.15 Satz 6 und Satz 9 zweiter Halbsatz EStG, aber ebenso in § 14a Abs.2 Sätze 1 und 2 EStG und in § 6 Abs.1 Nr.4 Satz 4 EStG i.d.F. des Wohnungsbauförderungsgesetzes (WoBauFG) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505). In allen Fällen geht es um die Entnahme von Gebäuden, die steuerrechtlich gegenüber dem bebauten Grund und Boden selbständige Wirtschaftsgüter sind.
Eine nähere Bestimmung dieses Rechtsbegriffs ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesbegründungen. Mit dem FG ist der Senat allerdings der Überzeugung, daß der Gesetzgeber mit dem Begriff des dazugehörigen Grund und Bodens nicht die bebaute Fläche gemeint haben kann. Dies hätte sich klarer und eindeutiger formulieren lassen. Andererseits kann ausgeschlossen werden, daß der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht einräumen wollte, den Umfang des dazugehörigen Grund und Bodens selbst zu bestimmen. Dies würde bei einer steuerpflichtigen Entnahme zur Begrenzung auf die bebaute Fläche und bei Steuerfreiheit zu einer möglichst großen Ausdehnung des Umgriffs führen. Tatsächlich bestand für den an dem Gesetzentwurf zum Wohneigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) beteiligten Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Anliegen, daß der Landwirt "im Einzelfall den zum Wohnhaus gehörenden Grund und Boden bis auf die bebaute Fläche begrenzen" könne (BTDrucks 10/5208 S.35), weil man ursprünglich offenbar von einer steuerpflichtigen Entnahme ausging. Auf dieses Petitum eingehend, war der Finanzausschuß der Auffassung, daß der Landwirt die Entnahme des zum Wohnhaus gehörenden Grund und Bodens im Wege realer Grundstücksteilung bis auf die für die bebaute Fläche baurechtlich notwendige Größe begrenzen könne (BTDrucks 10/5208 S.38 rechte Spalte). Aber auch der Gedanke einer Ausrichtung an den baurechtlichen Mindest- und Höchstmaßen für Baugrundstücke (s. § 9 Abs.1 Nr.3 des Baugesetzbuches --BauGB--) ist nicht ausdrücklich in die Gesetzesfassung eingegangen. Der Gesetzgeber hat es vielmehr Verwaltung und Rechtsprechung überlassen, den Begriff des dazugehörigen Grund und Bodens näher zu bestimmen. Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt sich jedenfalls entnehmen, daß der vor der Entnahme bestehende Nutzungs- und Funktionszusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung gewesen ist.
Entgegen der Revision bestimmt sich der Umfang des zur steuerfrei entnommenen Wohnung dazugehörigen Grund und Bodens nicht ausschließlich nach dem vor der Entnahme bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Der Nutzungs- und Funktionszusammenhang eines Hausgartens mit der Wohnung des Landwirts mag zwar einen Anhaltspunkt für die Bestimmung des zugehörigen Grund und Bodens liefern und in diesem Sinne sehen die zu diesem Begriff ergangenen Verwaltungsanweisungen in Anlehnung an die bewertungsrechtlichen Regelungen vor, daß ein Hausgarten bis zur Größe von 1 000 qm zu den Hof- und Gebäudeflächen zählt. Das zu § 52 Abs.15 EStG ergangene BMF-Schreiben in BStBl I 1986, 528, 530 verweist insoweit auf Abschn.133a Abs.4 Sätze 2 und 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1986/1990. Dies ist indessen eine Nichtbeanstandungsgrenze, nicht aber eine Regelung, die einen Anspruch auf Entnahme weiterer 1 000 qm Grund und Bodens neben der mit der Wohnung bebauten Fläche begründet. Diese Regelung deutet vielmehr darauf hin, daß der Gesetzgeber mit der Einbeziehung des dazugehörigen Grund und Bodens den Umfang der für die künftige Wohnungsnutzung erforderlichen und üblichen Zubehörflächen bestimmen wollte. In der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs.1 Nr.4 WoBauFG vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) wird dies mit der klarstellenden Beifügung "in angemessenem Umfang dazugehörender Grund und Boden" dahingehend verdeutlicht, "daß Grund und Boden nur in dem für die Vermietung angemessenen Umfang entnommen werden" dürfe (BTDrucks 11/5970 S.36). Keinesfalls wollte der Gesetzgeber die Entnahme weiterer neben der entnommenen Wohnung bebaubarer Grundstücke begünstigen. Andernfalls hätte es nicht der detaillierten Regelungen für die unterschiedlichsten Tatbestände in § 52 Abs.15 EStG bedurft.
Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß die Entnahme der Parzellen 176/1 und 190/8 nicht begünstigt ist. Diese Flurstücke sind selbständig bebaubar. Dies war eine der Voraussetzungen ihrer Abtrennung von dem Wohngrundstück, wobei dahinstehen kann, daß diese Teilung --wie die Kläger vorgetragen haben-- nur zu dem Zweck erfolgt ist, Erschließungskosten zu sparen. Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, daß die Abtrennung des Flurstücks 176/1 dazu geführt hat, daß ein verkehrsfähiges Grundstück entstanden ist. Mag es auch nach der Entnahme weiterhin als Hausgarten genutzt werden, so ist diese Nutzung jedoch nicht zwingend geboten. Ein Grundstück von 1 099 qm entspricht durchaus der für Wohngebäude üblichen Größe oder überschreitet diese gar.
Die Revision hat hiergegen u.a. eingewandt, eine steuerfreie Entnahme müsse im gleichen Umfang möglich sein wie eine steuerpflichtige Entnahme. Im Unterschied zur Entnahme nach § 52 Abs.15 Satz 8 EStG richtet sich der Umfang einer steuerpflichtigen Entnahme nach der objektiv bestimmbaren Nutzungsänderung eines Wirtschaftsguts, das bis dahin zum notwendigen Betriebsvermögen gehört hat. Im Streitfall fehlt es indessen an einer solchen Nutzungsänderung.
Fundstellen
Haufe-Index 65832 |
BFH/NV 1997, 83 |
BStBl II 1997, 50 |
BFHE 181, 333 |
BFHE 1997, 333 |
BB 1997, 86 (Leitsatz) |
DB 1997, 206-207 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 62-64 (Kurzwiedergabe) |
DStRE 1997, 89 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 124-125 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 152-153 (Leitsatz) |
StE 1997, 122 (Leitsatz und Gründe) |