Leitsatz
Abgeltungszahlungen für nicht in Anspruch genommenen Urlaub an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder an eine diesem nahe stehende Person stellen auch bei Fehlen von Vereinbarungen zu den Voraussetzungen der Zahlungen und trotz des gesetzlichen Verbots der Abgeltung von Urlaubsansprüchen in § 7 Abs. 4 BUrlG keine vGA dar, wenn betriebliche Gründe der Urlaubsinanspruchnahme entgegenstehen.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Eine Familien-GmbH, die ein Zahntechniker-Labor betreibt, hatte drei Geschäftsführer, die zugleich Gesellschafter waren. Sie beschäftigte zusätzlich bis zu fünf angestellte Zahntechniker, von denen einer der Schwager der Gesellschafter-Geschäftsführer war.
Letzterer sowie die drei Gesellschafter-Geschäftsführer erhielten von der Klägerin Abgeltungszahlungen wegen nicht genommenen Jahresurlaubs. Die Abfindungen an die Gesellschafter-Geschäftsführer erfolgten nach Maßgabe der gleich lautenden Geschäftsführeranstellungsverträge, welche bestimmten, dass die Geschäftsführer die Zeitpunkte der ihnen zustehenden Jahresurlaube von 30 Arbeitstagen entsprechend den Bedürfnissen der Geschäftsführung einrichten sollten. Stünden Interessen der Gesellschaft entgegen und könnten die Urlaube nicht genommen werden, ergäben sich Abgeltungsansprüche.
Entsprechende Gesellschafterbeschlüsse wurden jeweils am 1.12. der Streitjahre getroffen. Die Abgeltungen wurden Ende Dezember ausgezahlt. Vergleichbare Vereinbarungen mit dem angestellten Schwager wurden nicht festgestellt. Die weiteren angestellten Zahntechniker nahmen den ihnen zustehenden Urlaub in Anspruch.
Das FA sah in den Abgeltungen vGA. Urlaubsansprüche könnten bis zum 31.3. des jeweiligen Folgejahres geltend gemacht werden. Eine vorzeitige Abgeltung im Dezember des Urlaubsjahres sei nicht fremdüblich. Außerdem sehe § 7 Abs. 4 BUrlG ein arbeitsrechtliches Verbot von Urlaubsabgeltungen vor. Die Klägerin verwies demgegenüber auf ihre Auslastung infolge der Auftragslage; es sei nicht möglich gewesen, die Urlaube anzutreten.
Die Klage gegen die geänderten Steuerbescheide war erfolgreich (EFG 2003, 1499). Das FG sah die getroffenen Regelungen als klar und eindeutig an. Es bezog sich auf die BFH-Urteile vom 8.1.1969, I R 21/68 (BStBl II 1969, 327) und vom 10.1.1973, I R 119/70 (BStBl II 1973, 322). Arbeitsrechtliche Restriktionen gälten für Gesellschafter-Geschäftsführer danach nicht. Auch bedürfe es keiner weiteren und eingehenderen vertraglichen Festlegungen.
Entscheidung
Der BFH hat diese Rechtsposition vollinhaltlich bestätigt und eine vGA verneint. Im Einzelnen ergibt sich alles Notwendige aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Ein durchaus praxisrelevanter Sachverhalt:
Der Gesellschafter-Geschäftsführer kann seinen Urlaubsanspruch nicht realisieren, weil er zu viel zu tun hat und weil der Betrieb der GmbH ihn unabkömmlich sein lässt. Kann er dann ohne vGA-Gefahr eine Urlaubsabfindung kassieren?
Der BFH sagt: Grundsätzlich kann er das. Soweit und solange betriebliche Gründe der Urlaubsinanspruchnahme entgegenstehen, stellt die "Versilberung" des Urlaubsanspruchs einen ganz normalen betrieblichen Vorgang dar. Erforderlich ist es nicht einmal, dass eine derartige Abfindung im Anstellungsvertrag mit Brief und Siegel klar und eindeutig dokumentiert ist. Es genügt, wenn der Urlaubsanspruch als solcher vertraglich gesichert ist und wenn die besagten betrieblichen Hinderungsgründe zur Überzeugung des FG feststehen.
Dass Urlaubsabfindungen aus arbeitssschutzrechtlichen Erwägungen verboten und deshalb zivilrechtlich nichtig sind (vgl. § 7 Abs. 4 BUrlG), ist ebenfalls unbeachtlich; Gesellschafter-Geschäftsführer unterfallen nicht dem Regelungsbereich dieser Vorschrift. (Im Urteilsfall wurde sogar ein angestellter Verwandter der Gesellschafter-Geschäftsführer, der seinerseits dem Abgeltungsverbot unterworfen war, nicht anders behandelt als die Geschäftsführer, letztlich wohl aus Gründen einer betrieblichen Gleichbehandlung, wäre es doch recht seltsam gewesen, hätte man die Zuwendung bei diesem Angestellten als sog. nahe stehender Person als vGA qualifiziert, bei den Gesellschaftern selbst jedoch nicht.)
Fazit: Weitgehende Beratungs-Entwarnung. Lediglich der Urlaubsanspruch sollte vertraglich fixiert werden, ggf. auch die Möglichkeit der Urlaubsabgeltung aus betrieblichen Gründen. Diese sind dann gegenüber dem FA überzeugend darzutun.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.1.2004, I R 50/03