Leitsatz
Der Steuerpflichtige kann Unterhaltsaufwendungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 33a EStG als außergewöhnliche Belastung abziehen, wenn der Unterhaltsempfänger dem Grund nach gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltsberechtigung bzw. die Höhe des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs kommt es nicht an.
Normenkette
§ 33a Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger unterstützte seinen volljährigen Sohn, indem er für ihn die Wohnnebenkosten übernahm. Das FA wandte ein, der Sohn sei aufgrund seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch eine entsprechende Tätigkeit selbst abzusichern.
Entscheidung
Der BFH vertritt eine großzügigere Auffassung. Er lässt die potenzielle zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn für die Abziehbarkeit nach § 33a Abs. 1 EStG genügen. Den FÄ und FG wird damit die Prüfung erspart, ob der dem Grund nach gesetzlich Unterhaltsberechtigte im Einzelfall möglicherweise nicht unterhaltsbedürftig ist, weil ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zugemutet werden könnte.
Die Revision gegen das stattgebende FG-Urteil wurde daher zurückgewiesen.
Hinweis
Bis 1995 waren Unterhaltsaufwendungen abziehbar, wenn sie zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG erwachsen waren, d.h. außer rechtlichen Zwangsläufigkeitsgründen wurden auch aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufige Unterhaltszahlungen berücksichtigt. Seit 1996 sind nur noch Unterhaltsleistungen an eine dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigte Person abziehbar.
Bisher war nicht eindeutig geklärt, ob es für die Annahme einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltspflicht ankommt, d.h. auf die Höhe des im konkreten Fall zivilrechtlich geschuldeten Unterhalts unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen einerseits und der Bedürftigkeit des Unterstützten andererseits. Im Schrifttum wurde überwiegend eine konkrete Betrachtungsweise unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls gefordert, während nach der Verwaltungspraxis eine Prüfung, ob tatsächlich ein Unterhaltsanspruch besteht, nicht erforderlich ist, sodass eine potenzielle gesetzliche Unterhaltspflicht ausreicht (R 33a.1 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStR 2005).
Der BFH billigt nun ausdrücklich die Verwaltungsmeinung. Seit der Gesetzesänderung ab 1996 ist die Bedürftigkeit der unterstützten Person nicht mehr zu prüfen. Neben der Berücksichtigung des Vermögens des Unterstützten und der Anrechnung seiner eigenen Einkünfte und Bezüge wird die Abziehbarkeit der Unterhaltsaufwendungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte nur noch durch die sog. Opfergrenze begrenzt, wonach dem Leistenden angemessene Mittel für seinen Lebensbedarf verbleiben müssen. Für die typisierende Betrachtung spricht die Praktikabilität. Andernfalls müssten die FÄ schwierige unterhaltsrechtliche Zweifelsfragen beurteilen, z.B. ob der Unterstützte eine Arbeitsstelle finden und sich selbst unterhalten könnte oder ob er einen Anspruch auf eine weitere Ausbildung hat.
Anders ist es nur bei der Unterstützung nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Personen. Nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG kommt es hier noch darauf an, ob die Unterstützung notwendig und angemessen ist. Bei diesem Personenkreis ist daher nach wie vor konkret die Unterhaltsbedürftigkeit zu prüfen und anhand der von der Verwaltung geforderten detaillierten Angaben in amtlichen Bescheinigungen der Heimatbehörden nachzuweisen (BMF, Schreiben vom 15.9.1997, BStBl I 1997, 826, neu gefasst durch BMF, Schreiben vom 9.2.2006, BStBl I 2006, 217, jeweils unter Nr. 3).
Neben den Fällen der Unterstützung von Angehörigen im Ausland anerkennt der BFH aber auch in Inlandsfällen Ausnahmen, in denen auf das Bestehen einer konkreten gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht verzichtet werden kann. Eine Anrechnung von Ausbildungshilfen nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist z.B. nur möglich, wenn die Ausbildungshilfe Leistungen abdeckt, zu denen die Eltern konkret verpflichtet sind (BFH, Urteil vom 4.12.2001, III R 47/00, BFH-PR 2002, 170). Auch bei einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Unterhaltsansprüchen, z.B. wenn die Eltern ihre unverheiratete Tochter nach der Geburt eines Kindes unterstützen, ist konkret zu prüfen, ob die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber der Verpflichtung des Kindsvaters zurücktritt und damit der Anspruch auf Kindergeld nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG entfällt (BFH, Urteil vom 19.5.2004, III R 30/02, BFH-PR 2004, 429).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.5.2006, III R 26/05