Leitsatz
Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht kann nicht ohne weiteres bereits dann angenommen werden, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger steuerlich schlechter gestellt wird als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger. Auch ist eine über den gesetzlichen Wortlaut des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG hinausgehende Anwendung auf ähnliche Fälle nicht möglich, so dass der Steuerpflichtige die höhere Belastung zu tragen hat.
Sachverhalt
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und ist mit einer Französin verheiratet. Die Eheleute haben 3 Kinder. Der Kläger ist als nichtselbständiger Arzt tätig, seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Im Streitjahr hatte der Kläger bis zum 30.4.2000 im Inland gearbeitet, danach in Frankreich. Das Finanzamt nahm eine Besteuerung nach Steuerklasse III vor. Die vom Kläger eingereichte Steuererklärung mit dem Antrag auf Veranlagung wurde vom Finanzamt unter Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG (mindestens 90% inländische Einkünfte) wurde zurückgewiesen. Da die Voraussetzungen für eine Behandlung nach Steuerklasse III nicht vorlagen, erfolgte die Steuerfestsetzung nach Steuerklasse I, so dass es zu einem Nachforderungsbescheid kam. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein unter Hinweis auf einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht sowie Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. Gebietsfremde würden höher besteuert als Gebietsansässige und das einzige Unterscheidungsmerkmal eines sonst gleichen Falls sei die Ansässigkeit.
Entscheidung
Das FG Düsseldorf kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, die Klage sei unbegründet. Ein Verstoß der Vorschrift des § 1 Abs. 3 EStG gegen das europäisches Gemeinschaftsrecht ist nach Erkenntnis des Senats nicht gegeben. Vor allem spricht gegen diese Beurteilung die Auffassung des EuGH in seiner Entscheidung vom 14.9.1999 C - 391/97 (Frans Gschwind), in der der EuGH besonders deutlich gemacht hat, dass ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nur dann gegeben sei, wenn nicht der Ansässigkeitsstaat aufgrund der dort steuerpflichtigen Einkünfte viel besser in der Lage wäre, die persönlichen Umstände des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Steuerbelastung zu beeinflussen. Dies folgt im wesentlichen dem Grundgedanken, dass der Staat, der den größten Teil der Einkünfte besteuern kann, auch die Maßnahmen zu tragen hat, um die individuelle Umstände des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Der deutsche Gesetzgeber hält dies in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung stets dann für gegeben, wenn im Quellenstaat Deutschland mehr als 90% aller Einkünfte erzielt werden. Im vorliegenden Fall beträgt dieser Anteil nur knapp 42%, so dass für eine entsprechende Behandlung kein Grund gesehen wird.
Hinweis
Die Entscheidung des FG ist sachgerecht, da nicht jede Besserstellung in einem Staat gegenüber der Besteuerung im anderen Staat zum Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führt, sofern nicht gleichzeitig die Voraussetzung vergleichbarer Umstände in beiden Staaten gegeben ist. Sie verdeutlicht, dass eine abweichende Steuerfestsetzung mit dem Hinweis auf ein Diskriminierungsverbot nur dann zum Erfolg führen kann, wenn tatsächlich vergleichbare Lebensumstände und Sachverhaltsgestaltungen gegeben sind. Es ist daher erforderlich, die Sachverhalte exakt zu analysieren, um zu entscheiden, ob eine Diskriminierung vorliegt und eine Steueränderung angestrebt werden sollte. Der Hinweis des erkennenden Senats darauf, dass die EuGH-Entscheidung zum Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht bei der Mindestbesteuerung gem. § 50 Abs. 3 S. 2 EStG im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, da die Steuer im Wege des Lohnsteuerabzugsverfahren einbehalten wurde, mag jedoch nicht zu überzeugen. Zumindest in den Fällen, in denen die Gesamtsteuerbelastung des Klägers bei einer Veranlagung unterhalb von 25% läge, käme wohl eine Beurteilung als schädliche Diskriminierung zum Tragen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2002, 8 K 4619/02 L