Besondere mediale Aufmerksamkeit (auch in der nicht-juristischen Presse) hat in dem Lieferkettenbereich die sog. EU-Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erfahren. Dazu nicht unwesentlich beigetragen haben dürfte auch der gleichermaßen seltene Umstand, dass eine bereits zwischen den Verhandlungsführern des EU-Parlaments und des EU-Rats gefundene Einigung einseitig wieder "aufgekündigt" wurde. Die Verabschiedung der Verordnung war letztlich nur möglich, indem ihr Anwendungsbereich erheblich entschärft wurde. Die Regelung in Art. 2 CSDDD, die den Anwendungsbereich der Verordnung festlegt, war daher wenig überraschend Gegenstand fortwährender umstrittener Änderungsvorschläge der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des EU-Rats. Nachdem das Gesetzesvorhaben zwischenzeitlich sogar gänzlich zu scheitern drohte, wurde es schließlich – wenn auch mit deutlichen Einschnitten – angenommen. Am 24.5.2024 wurde die Richtlinie formell verabschiedet. Sie ist am 25.7.2024 in Kraft getreten.
Die CSDDD regelt die Pflichten von Unternehmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in der Wertschöpfungskette sowie die damit zusammenhängende Haftung für Verstöße und die Verpflichtung zur Umsetzung eines Übergangsplan zur Ausrichtung auf eine nachhaltige Wirtschaft.
CSDDD wird durch ein Umsetzungsgesetz in Deutschland Wirkung entfalten
Als Richtlinie entfaltet die CSDDD grundsätzlich keine unmittelbaren Verpflichtungen gegenüber Privaten; sie richtet sich an die Mitgliedsstaaten und überlässt den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel hinsichtlich ihrer Umsetzung. Die CSDDD wird daher noch ein Umsetzungsgesetz in Deutschland nach sich ziehen, wobei davon auszugehen ist, dass insoweit das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz angepasst werden wird.
2.1 Unmittelbarer Adressatenkreis der CSDDD und Übergangsfrist
Welche Unternehmen zur Einhaltung der nachhaltigkeitsbezogenen Sorgfaltspflichten gehalten sind, regelt Art. 2 CSDDD. In persönlicher Hinsicht richtet sich die Richtlinie an europäische und drittstaatliche Unternehmen, die in und außerhalb der EU gegründet wurden. Voraussetzung ist das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte in Hinblick auf Arbeitnehmerzahl und Umsatz. Die Richtlinie unterscheidet dabei danach, ob
Der Gesetzgeber sieht eine Übergangsfrist vor, in der zunächst höhere Schwellenwerte gelten, die dann – ähnlich § 1 Abs. 1 S. 3 LkSG – über einen Zeitraum von 5 Jahren sukzessive herabgesetzt werden.
2.1.1 Endgültige Schwellenwerte deutlich höher als ursprünglich diskutiert
Unternehmen aus der EU
Nach dem 5-jährigen Übergangszeitraum (d. h. ab dem 26.07.2029) werden Unternehmen aus der Europäischen Union von der CSDDD erfasst, wenn sie im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss anzunehmen war bzw. angenommen wurde, durchschnittlich
- mehr als 1.000 Beschäftigte und
- einen weltweiten Nettoumsatz von über 450 Mio. EUR aufwiesen.
Soweit es für EU-Unternehmen auf die Beschäftigtenzahl ankommt, wird die Zahl der Teilzeitbeschäftigten jeweils – anders als nach dem deutschen LkSG – nicht nach Köpfen, sondern in Vollzeitäquivalenten berechnet. Leiharbeitnehmer und weitgehend auch andere Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen werden für die Berechnung den übrigen eingestellten Mitarbeitern gleichgestellt.
Unternehmen aus Drittstaaten
Für Drittstaatenunternehmen beträgt die maßgebliche Umsatzschwelle 450 Mio. EUR; hierbei ist allerdings nicht wie bei EU-Unternehmen der weltweite Umsatz, sondern nur der Umsatz innerhalb der Union ausschlaggebend. Anders als bei europäischen Unternehmen kommt der Beschäftigtenanzahl keine Relevanz zu; diese Einschränkung soll der Durchsetzbarkeit der Richtlinie dienen. Zudem wird nicht auf das letzte Geschäftsjahr mit Jahresabschlusspflicht bzw. Jahresabschluss, sondern auf das "Geschäftsjahr vor dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr" abgestellt.
Dessen ungeachtet liegen die Schwellenwerte für EU- und Drittstaatenunternehmen damit deutlich über denjenigen, die noch zuvor im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen wurden. So hatte die EU-Kommission etwa ursprünglich für Unionsunternehmen eine Umsatzgrenze von 150 Mio. EUR und 500 Mitarbeitern, während das EU-Parlament sogar Umsätze von (lediglich) 40 Mio. EUR und 250 Mitarbeitern als maßgebliche Schwellenwerte hatte annehmen wollen.
Unternehmen, die die Schwellenwerte nicht erreichen
Erreicht das jeweilige Unternehmen diese Schwellenwerte nicht, k...