Dr. Marco Möhrer, Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak
Die EU-Taxonomie zeichnet sich durch hohe Komplexität bei der Datenerhebung und diverse Auslegungsunsicherheiten aus. Zur Erleichterung der Taxonomie-Berichterstattung wird in der Praxis häufig die Anwendung des Wesentlichkeitskonzeptes diskutiert. Das Konzept der Wesentlichkeit ist insbesondere in der internationalen Rechnungslegung explizit in den entsprechenden Standards definiert (IAS 1.7 und IAS 8.5). Es ermöglicht gewisse Vereinfachungen bei Ansatz-, Bewertungs- oder Ausweisvorschriften und ist auch aus dem Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung – siehe CSRD (Stichwort: Doppelte Wesentlichkeitsanalyse) und IFRS Sustainability Disclosure Standards S1:17 – bekannt.
Sofern bestimmte Angabepflichten der EU-Taxonomie als unwesentlich deklariert werden können, entfiele der Aufwand zur Erfassung, Verarbeitung und Prüfung der entsprechenden Informationen, was die praktische Anwendung u. U. vereinfachen würde. Allerdings wird das Wesentlichkeitskonzept in den originären Gesetzestexten zur EU-Taxonomie nicht explizit erwähnt. Auch die Delegierten Verordnungen (siehe bspw. Delegierte Verordnung (EU) 2021/2178) deuten nur vereinzelt auf derartige Überlegungen hin (z. B. im Zusammenhang mit dem taxonomiekonformen OpEx-Anteil), während ein grundsätzliches Bekenntnis zur Wesentlichkeit fehlt. Vor diesem Hintergrund veröffentlichten verschiedene internationale Institutionen wie die ESMA, die PSF und der DRSC eigene Einschätzungen, inwiefern Wesentlichkeitsüberlegungen im Rahmen der EU-Taxonomie anwendbar sind. Deren Äußerungen wichen allerdings teilweise voneinander ab und haben zudem keinen unmittelbaren Verpflichtungscharakter.
Vor diesem Hintergrund ist das Ziel des vorliegenden Beitrags, die Anwendbarkeit von Wesentlichkeitsüberlegungen im Rahmen der Taxonomie-Berichterstattung zu diskutieren und Vorschläge für die Anwendung des Prinzips in der Praxis zu machen.