Leitsatz
1. Die Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Gesellschafters oder einer Personengruppe vermittelt diesen grundsätzlich auch bei einer KG die erforderliche Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und damit die Möglichkeit, in der KG ihren Willen durchzusetzen. Trotz Mehrheitsbeteiligung kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Beherrschungsidentität zu verneinen sein.
2. Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung aus.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG, § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO
Sachverhalt
Die klagende GmbH & Co. KG war eine Immobiliengesellschaft innerhalb einer Unternehmensgruppe, die einer Betriebs-KG eine Immobilie vermietete. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war eine Holding, die mehr als die Hälfte der Anteile allerdings nur treuhänderisch hielt. Die Treugeber waren gegenüber der Holding weisungsbefugt und hatten nach dem Gesellschaftsvertrag sogar das Recht, selbst an Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und dort ihre Mitgliedschaftsrechte auszuüben. Komplementärin und Geschäftsführerin der Klägerin war eine 100%ige Tochter-GmbH der Holding. Für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte, zu denen auch die Kündigung des Mietvertrags mit der Betriebs-KG gehörte, war eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich.
Die Holding hielt über eine Kette von anderen 100%igen Kapitalbeteiligungen mittelbar sämtliche Kommanditanteile an der Betriebs-KG. Deren Komplementär-Kapitalgesellschaften wurden von einer Enkel-Kapitalgesellschaft der Holding beherrscht.
Das FA versagte der Klägerin die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, weil es infolge einer Betriebsaufspaltung von einer originär gewerblichen Tätigkeit der Klägerin ausging. Das FG teilte diese Auffassung (FG Köln, Urteil vom 17.10.2019, 6 K 832/16, Haufe-Index 13881268, EFG 2020, 1149).
Entscheidung
Die von der Klägerin erhobene Revision hatte Erfolg. Der BFH hielt die Voraussetzungen einer erweiterten Kürzung für gegeben. Mangels personeller Verflechtung habe keine Betriebsaufspaltung vorgelegen. Die Holding habe die Klägerin trotz ihrer Stellung als alleinige Kommanditistin nicht beherrscht, weil sie ihren Willen in Bezug auf die Nutzungsüberlassung der Immobilie nicht habe durchsetzen können. Da diesbezüglich die Gesellschafterversammlung zu beteiligen gewesen sei, hätte sich die Holding dort den Interessen ihrer Treugeber unterordnen müssen.
Hinweis
1. Formal betrifft das Urteil die Gewährung der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Wie die Leitsätze zeigen, liegt die eigentliche Bedeutung des Urteils aber in den Ausführungen zur personellen Verflechtung bei einer Betriebsaufspaltung.
2. Ist die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltende Gesellschaft Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, steht ihr die erweiterte Kürzung nicht zu. Denn Voraussetzung dafür ist eine ausschließlich vermögensverwaltende Tätigkeit des Grundstücksunternehmens, das nur aufgrund der Rechtsform als Gewerbebetrieb gilt. Die Tätigkeit des Besitzunternehmens einer Betriebsaufspaltung wird aber als originär gewerbliche Tätigkeit angesehen.
3. Im Urteilsfall war streitig, ob eine personelle Verflechtung vorlag. Dazu hätten Besitz- und Betriebsgesellschaft von derselben Person oder Personengruppe beherrscht werden müssen. Als beherrschende Person wäre allenfalls eine Holding in Betracht gekommen, die alleinige Kommanditistin der Immobilien-KG war und auch deren Komplementär-GmbH beherrschte. Allerdings hielt die Holding ihre KG-Anteile mehrheitlich für Treuhänder, die weisungsbefugt für die Gesellschafterversammlung waren und dort sogar auch selbst abstimmen konnten.
Der Gesellschaftsvertrag war nach Meinung des BFH dahingehend zu verstehen, dass die Holding wichtige Entscheidungen in Bezug auf die Immobilie, insbesondere die Auflösung des Mietverhältnisses, nicht hätte verhindern können, wenn der Wille der Treugeber darauf gerichtet gewesen wäre. Da die Rechtsprechung für eine personelle Verflechtung aber verlangt, dass die Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlage nicht gegen den Willen der beherrschenden Person oder Personengruppe beendet werden können darf, fehlte im Urteilsfall schon deshalb die personelle Verflechtung.
4. Aus diesem Grund nahm der BFH nicht zu der Frage Stellung, ob es an einer Beherrschung auch deshalb fehlte, weil die Holding nicht selbst Geschäftsführerin der Besitz-KG war, sondern nur mittelbar über eine Tochter-GmbH als Komplement...