Leitsatz
1. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch Übertragung einer nicht handelbaren Wandelschuldverschreibung ein Anspruch auf die Verschaffung von Aktien eingeräumt, wird ein Zufluss von Arbeitslohn nicht bereits durch die Übertragung der Wandelschuldverschreibung begründet.
2. Im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts durch den Arbeitnehmer fließt diesem ein geldwerter Vorteil grundsätzlich erst dann zu, wenn dem Arbeitnehmer durch Erfüllung des Anspruchs das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien verschafft wird.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 und 2 EStG , § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war Vorstandsvorsitzender einer AG. Diese gab Wandelschuldverschreibungen ausschließlich an Prokuristen und Vorstandsmitglieder der AG aus. Die Schuldverschreibungen berechtigten zum Umtausch in junge Aktien der AG zu einem bestimmten Preis. Im Streitjahr 1991 übte der Kläger sein Wandlungsrecht für alle auf ihn übertragenen Wandelschuldverschreibungen aus und verkaufte die infolge der Wandlung ausgegebenen 2000 jungen Aktien sofort zu einem Preis von 740 DM je Aktie. Abzüglich eines Zuzahlungspreises von 265 DM je Aktie erzielte der Kläger einen Erlös von 950.000 DM.
Das FA berücksichtigte den genannten Betrag als geldwerten Vorteil im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit; es gewährte jedoch den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG. Gegen die Besteuerung wandte sich der Kläger u.a. mit der Behauptung, bereits die Übertragung der Wandelschuldverschreibung bewirke einen Zufluss von Arbeitslohn. Die Verschaffung der jungen Aktien habe mit dem Arbeitsverhältnis nichts mehr zu tun. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Hinsichtlich der Vorteilsbewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG wies der BFH noch darauf hin, dass als geldwerter Vorteil die Differenz zwischen dem (Börsen-)Preis der Aktien am Verschaffungstag und den Erwerbsaufwendungen des Klägers anzusetzen sei (vgl. BFH, Urteil in BFH-PR 2001, 336). Da der Kläger die jungen Aktien sofort nach Ausübung des Wandlungsrechts verkauft habe, könne davon ausgegangen werden, dass der Tag der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht mit dem Verkaufstag übereinstimme und der in der Abrechnung der X-Bank genannte Preis dem (Börsen-)Preis der Aktien am Verschaffungstag entsprochen habe.
Hinweis
1. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH eine schon lang erwartete Entscheidung zum Zufluss von Arbeitslohn beim Einsatz von Wandelschuldverschreibungen (als Vergütungsinstrument für Arbeitnehmer) getroffen. Für diejenigen, die die bisherige Rechtsprechung aufmerksam verfolgt hatten, kommt das Ergebnis nicht überraschend. Denn der BFH konnte sich in weiten Teilen seiner Urteilsbegründung auf bereits gesicherte Rechtsgrundsätze berufen.
2. Arbeitslohn, der – wie im Streitfall – nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH begründet allerdings der (bloße) Anspruch auf eine Leistung noch keinen (gegenwärtigen) Zufluss von Arbeitslohn. Ein Zufluss ist vielmehr regelmäßig erst mit der Erfüllung des Anspruchs zu bejahen. Ein Vorteil ist also dem Arbeitnehmer erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. So ist mit der Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, der Zufluss eines geldwerten Vorteils i.d.R. noch nicht verwirklicht. Folglich fließt bei dem Versprechen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen Gegenstand zuzuwenden, Arbeitslohn nicht bereits mit der wirksamen Zusage, sondern erst in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum verschafft.
3. Ausgehend von dieser gesicherten Rechtsprechung hatte der BFH demzufolge bereits in verschiedenen Urteilen (vgl. u.a. Urteil vom 20.6.2001, VI R 105/99, BFH-PR 2001, 336, m.w.N.) ausgesprochen, dass der Zufluss eines geldwerten Vorteils nicht schon dann zu bejahen ist, wenn einem Arbeitnehmer eine nicht handelbare Option eingeräumt wird, um Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis zu erwerben. Der Zufluss wird vielmehr erst bejaht, wenn die Option ausgeübt wird (sog. Endbesteuerung).
4. Bei Wandelschuldverschreibungen (insbesondere bei Wandelanleihen) tritt indessen als Besonderheit hinzu, dass der Arbeitnehmer mit der Zeichnung der Schuldverschreibung ein besonderes Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber (hier: AG) begründet. Dieses Rechtsverhältnis beinhaltet eine Kapitalüberlassung mit einer – häufig geringen – Verzinsung. Zudem ist das – für die Vergütung der Arbeitnehmer entscheidende – Umtauschrecht grundsätzlich untrennbar mit der Schuldverschreibung verbunden.
5. Aufgrund der erwähnten Besonderheiten wurde insbesondere in der Literatur die Meinung vertreten, dass bei der Verwendung von Wandelanleihen (-schuldverschreibungen) als Vergütungsinstrument – anders als bei sto...