Rz. 9
Eine direkte Änderung des § 315d HGB ist nicht vorgesehen, allerdings wird der § 289f HGB, auf den verwiesen wird, geändert: Aufgrund des breiten Begriffsverständnisses der Richtlinie hinsichtlich Nachhaltigkeit, welche auch die Dimension der (Corporate) Governance umfasst, werden künftig i. R. d. Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur ökologische und soziale Aspekte, sondern im größeren Umfang auch Elemente der Corporate Governance abgebildet.
Das neue Verständnis des Nachhaltigkeitsterminus drückt sich auch in den Offenlegungsanforderungen der verpflichtend anzuwendenden europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) aus, die am 22.12.2023 mittels delegierten Rechtsakt erlassen wurden.
Offenlegungsanforderungen zu einzelnen Modalitäten der Corporate Governance finden sich im ESRS 2 (Allgemeine Angaben) sowie im themenspezifischen Governance-Standard G1 (Unternehmensführung, engl.: Business Conduct).
Im ESRS 2 (Allgemeine Angaben) wurden Offenlegungsanforderungen zur Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane (ESRS 2 GOV-1), zu der Zusammenarbeit und Informationsversorgung dieser Organe (ESRS 2 GOV-2), zu der Integration der nachhaltigkeitsbezogenen Leistung in die Vergütungssysteme (ESRS 2 GOV-3), zur Erklärung der Sorgfaltspflicht (ESRS 2 GOV-4) sowie zum Risikomanagement und internen Kontrollen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS 2 GOV-5) statuiert. Der ESRS G1 (Unternehmensführung) beinhaltet ferner Vorgaben zur Offenlegung bestimmter Informationen zum Business Conduct (Geschäftsgebaren) des Unt. Nach diesem Standard haben Unt Angaben zu den Themen Unternehmenskultur, Schutz von Hinweisgebern ("Whistleblower"), Tierschutz, Politisches Engagement und Lobbyismus, Lieferantenmanagement inkl. Zahlungspraktiken sowie zur Vermeidung und Aufdeckung von Korruption und Bestechung zu machen.
Insb. die Offenlegungsanforderungen des ESRS 2 GOV-1 sowie ESRS 2 GOV-2 weisen hierbei eine hohe inhaltliche Nähe zu den bereits bestehenden handelsrechtlichen Vorschriften auf, die in der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung zu erfüllen sind. Der Hintergrund ist, dass sich die einzelnen Berichtsvorgaben des ESRS 2 mitunter nicht nur auf Elemente der Corporate Governance beziehen, die einen unmittelbaren Nachhaltigkeitsbezug aufweisen, sondern auch auf allgemeine Governance-Aspekte, die allerdings für das Verständnis des Nachhaltigkeitsberichts notwendig sind. Unt haben zu evaluieren, wie sie mit diesem Umstand am besten umgehen. Um unnötige Berichtsdoubletten und hiermit zusammenhängend unnötigen Erstellungsaufwand möglichst zu vermeiden, bietet es sich an, die Informationen, die nach ESRS 2 GOV-1 sowie ESRS 2 GOV-2 offenzulegen sind, mit dem Angaben in der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung zu konsolidieren und im Nachhaltigkeitsbericht auf die (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung zu verweisen. Die Aufnahme von Informationen in den Nachhaltigkeitsbericht mittels Verweis in andere Elemente der Unternehmensberichterstattung (sog. "incorporation by reference") ist grundsätzlich nach ESRS 1.119 ff. möglich. Im ESRS 1.119 wird hierbei klargestellt, dass ein Verweis auch auf die Angaben in der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung möglich ist, und zwar unabhängig davon, ob die (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung als gesonderter Abschnitt des (Konzern-)Lageberichts oder gesondert auf der Homepage des Unt veröffentlicht wurde. Bei Nutzung eines Verweises i. S. d. ESRS 1.119 ff. wäre die jeweilige Offenlegungsanforderung, die nach den ESRS anzuwenden ist, erfüllt und die entsprechenden Informationen müssten nicht erneut im Nachhaltigkeitsbericht wiederholt werden. Bei der Nutzung eines Verweises sind allerdings die Vorgaben des ESRS 1.119 ff. zu beachten.
Bei der Aufnahme von Information mittels Verweis in die (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung können insb. die Bestimmungen des ESRS 1.120 Herausforderungen darstellen. So ist u. a. Voraussetzung für einen Verweis, dass der andere (Teil-)Bericht vor oder gleichzeitig mit dem (Konzern-)Lagebericht veröffentlicht wurde und die Angaben denselben technischen Digitalisierunganforderungen ("Tagging") wie der Nachhaltigkeitsbericht unterliegen. Eine Barriere stellt die Anforderung des ESRS 1.120 d) dar, welche verlangt, dass die Informationen, auf die verwiesen wird, auch mind. die gleiche Prüfungssicherheit wie die Angaben im Nachhaltigkeitsbericht aufweisen. Anders als die (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung ist der Nachhaltigkeitsbericht allerdings künftig inhaltlich mit begrenzter Prüfungssicherheit von einem Wirtschaftsprüfer zu prüfen.
Sofern ein Unt in dem vorliegenden Fall von der Möglichkeit eines Verweises Gebrauch machen möchte, um so die Erstellungskosten der Unternehmensberichterstattung zu senken, sind die betroffenen Angaben in der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung entsprec...