Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB betreffend Abziehbarkeit von im Ausland geleisteten Schulgeldzahlungen und Studiengebühren
Leitsatz (NV)
Im Allgemeinen besteht kein Klärungsbedarf mehr, wenn eine Rechtsfrage bereits vom BFH geklärt worden ist. Aus dem Vortrag, die besonderen Umstände der Rechtssache begründeten deren grundsätzliche Bedeutung, ergibt sich noch nicht, dass an der Klärung der Rechtsfrage auch ein Interesse der Allgemeinheit besteht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragten die steuerliche Berücksichtigung der Schulgeldzahlungen für ihren Sohn A, der in den Streitjahren 1994 bis 1997 Schulen in Großbritannien besuchte, sowie von Studiengebühren, die für den Sohn B an die Universität Glasgow/Schottland gezahlt worden waren. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte das Schulgeld und die Studiengebühren weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es verwies auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (BFH-Urteile vom 11. Juni 1997 X R 144/95, BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621, und vom 16. Dezember 1998 X R 3/98, BFH/NV 1999, 918) und insbesondere das BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 74/95 (BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617), das zwischen den Beteiligten für den Veranlagungszeitraum 1992 ergangen ist. Auch wenn das Urteil die Kläger nicht zu überzeugen vermöge, habe der BFH hier doch ausführlich zu der streitigen Frage Stellung genommen. Schulgeld und Studiengebühren könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage und Abweichens des FG von der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung des BFH zu § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei aufgrund der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache erneut klärungsbedürftig.
Entscheidungsgründe
II. Nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften der FGO, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt wurde; danach ist das alte Recht anzuwenden.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 und Abs. 3 FGO a.F. liegen nicht vor.
Nach § 115 Abs. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH bzw. des BVerfG, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
1. Wird die Zulassung der Revision mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) begehrt, so muss in der Beschwerdeschrift eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und ―unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur― deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden.
Die Kläger tragen vor, es gehe um die Klärung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage, ob der Besuch einer ausländischen Schule nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerlich zu fördern sei, wenn für den Besuch bei pflichtgemäßer Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsaufgaben keine vertretbare Alternative bestehe und wenn das Kind sowohl die deutsche als auch die betreffende ausländische Staatsangehörigkeit besitze.
Im Allgemeinen besteht kein Klärungsbedarf mehr, wenn eine Rechtsfrage bereits vom BFH geklärt worden ist. In einem solchen Fall bedarf es besonderer Ausführungen zu den Gründen, warum diese Rechtsprechung bisher keine Klärung gebracht hat oder eine nochmalige höchstrichterliche Entscheidung notwendig erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 1998 III B 69/98, BFH/NV 1999, 645). Der BFH hat mit Urteilen in BFH/NV 1999, 918, vom 11. Juni 1997 X R 77/94 (BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615), in BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 und in BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621 entschieden, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erkennbar an schulrechtliche Begriffe anknüpft, die durch Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) vorgeprägt und in den Gesetzen der Bundesländer, welche die staatliche Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft regeln, konkretisiert sind, mit der Folge, dass Schulgeld als Sonderausgabe nur abziehbar ist, wenn eine Schule tatsächlich als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesschulrecht als allgemeinbildende Ergänzungsschule förmlich anerkannt ist. Um eine solche Schule handelt es sich im Streitfall nicht.
Im Hinblick auf diese Entscheidungen, von denen das Urteil in BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 im Übrigen zwischen den Beteiligten für den Veranlagungszeitraum 1992 ergangen ist, genügt die Beschwerde den dargestellten Darlegungsanforderungen nicht. Der bloße Hinweis darauf, das BFH-Urteil in BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 sei in der Literatur auf Kritik gestoßen, ist unzureichend. Die Kläger hätten zumindest dartun müssen, welche beachtlichen Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 2000 XI B 133/98, BFH/NV 2000, 841, Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 9, m.w.N.). Auch der Gesichtspunkt der doppelten Staatsangehörigkeit des Kindes wird bereits in der Entscheidung in BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 angesprochen.
Soweit die Kläger die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache als Grund dafür anführen, dass die Rechtsprechung des BFH zu § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erneut klärungsbedürftig sei, ergibt sich hieraus nicht, dass an der Klärung der Rechtsfrage ein Interesse der Allgemeinheit bestehe.
2. Die Beschwerde kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als die Kläger die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von der Entscheidung des BVerfG oder des BFH begehren. In der Beschwerdeschrift werden keine abstrakten tragenden Rechtssätze aus einem Urteil des BVerfG oder des BFH abstrakten entscheidungserheblichen Rechtssätzen aus dem FG-Urteil dergestalt gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar würde, wie es nach der ständigen Rechtsprechung zur schlüssigen Darlegung einer Abweichung erforderlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, und vom 12. März 1996 VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691; Gräber/Ruban a.a.O., § 115 Rz. 63).
Die Kläger führen an, das BVerfG habe in seinen Entscheidungen zum Familienlastenausgleich vom 10. November 1998 den staatlichen Spielraum erheblich eingeschränkt und die Eigenverantwortung der Eltern hervorgehoben. Die Eltern würden aber zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder gedrängt, wenn dem Staat dem BFH zufolge ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt werde, welche Privatschulen von ihm gefördert würden. Außerdem habe der VI. Senat des BFH entschieden, dass die Arbeit an einer Promotion und die Tätigkeit als Fremdsprachenassistent, die keine staatlich geregelte Ausbildung darstellten, als förderungswürdig anzuerkennen seien, soweit sie geeignet seien, den angestrebten Beruf vorzubereiten. Diese Voraussetzungen seien auch hinsichtlich des Schulbesuchs in England gegeben.
Die Kläger bezeichnen damit keine konkreten Rechtssätze aus dem FG-Urteil, die im Widerspruch zu Rechtssätzen in den Urteilen des BVerfG und des BFH stünden. Die genannten Entscheidungen des BVerfG und des BFH befassen sich mit der Frage, ob den Klägern ein Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibeträge oder auf Abzug von Kinderbetreuungskosten zusteht, nicht aber mit der vom FG zu entscheidenden Frage, unter welchen Umständen darüber hinaus Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule steuerlich berücksichtigungsfähig sind.
Fundstellen
Haufe-Index 762514 |
BFH/NV 2002, 1037 |