Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmängel: Ablehnung einer Vertagung, Sachaufklärungspflicht, Prozessfürsorgepflicht; Anforderungen an ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
Leitsatz (NV)
1. Eine ordnungsgemäße Rüge zur Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der Ablehnung einer Vertagung einer mündlichen Verhandlung erfordert Ausführungen dazu, welches weitere Vorbringen nicht möglich war und inwiefern dieses zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.
2. Es bleibt der Einschätzung des FG als Tatsacheninstanz vorbehalten, welche Maßnahmen es am besten zur Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts für geeignet hält. Ein Anspruch auf Vorabinformation über die in der mündlichen Verhandlung zu klärenden Sachverhalte und die Fragen hierzu besteht grundsätzlich nicht.
3. Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist nicht mehr klärungsbedürftig.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 3, § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 19.01.2006; Aktenzeichen 8 K 525/03 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Voraussetzungen hierfür sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Nach Ablauf der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde können keine weiteren Rügen mehr erhoben werden, sondern allenfalls noch ordnungsgemäß gerügte Zulassungsgründe ergänzt werden (BFH-Beschluss vom 22. April 2005 III B 58/04, BFH/NV 2005, 1589).
2. Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind weder ausreichend dargelegt worden noch dem Grunde nach gegeben.
a) Die Ablehnung der Vertagung der mündlichen Verhandlung kann zwar eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) darstellen. Zur ordnungsgemäßen Rüge dieses Verfahrensmangels gehört jedoch nicht nur die substantiierte Darlegung, wozu sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht hat äußern können, sondern auch Ausführungen dazu, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs nach einer Vertagung der mündlichen Verhandlung noch zusätzlich vorgetragen hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2001 VI B 138/99, nicht veröffentlicht --n.v.--) und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2006 I B 165/05, BFH/NV 2007, 52). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der angebliche Verstoß --wie im Streitfall-- nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 14).
Danach verletzt die abgelehnte Vertagung nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Es ist nicht ersichtlich, welches zusätzliche Vorbringen des Klägers eine andere Entscheidung des Finanzgerichts (FG) hätte bewirken können. In der Beschwerdebegründung hat der Kläger zwar ausgeführt, dass das FG ihm Gelegenheit hätte geben müssen, zu den erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Unstimmigkeiten zwischen den Aufzeichnungen im Fahrtenbuch und den eingereichten Belegen innerhalb einer einzuräumenden Frist Stellung zu nehmen, weil er sich angesichts des Zeitablaufs von fünf bis sechs Jahren nicht mehr "aus dem Stand heraus" an die Einzelheiten hätte erinnern können; hierzu hätte nach seiner Auffassung die mündliche Verhandlung vertagt werden müssen. Gleichzeitig räumt er aber die in der mündlichen Verhandlung festgestellten Mängel im Wesentlichen ein. Die Eintragungen im Fahrtenbuch seien insoweit lückenhaft, als z.B. Umwege zu einer Tankstelle an mehreren Tagen (4. April, 28. Mai, 13. September, 5. November, 10. Dezember, 19. Dezember 2000) und eine Inspektionsfahrt während seines Urlaubs (am 17. April 2000) nicht eingetragen worden seien. Die Fahrt vom 7. April 2000 (zur Lackreinigung) sei versehentlich unter dem 8. April 2000 erfasst worden; die Fahrt vom 13. Oktober 2000 habe keine Mehrkilometer verursacht. Zu den vom FG weiter beanstandeten Fahrten vom 28. März, 27. Juni und 13. Juli 2000 sind im Beschwerdeverfahren keine Ausführungen mehr gemacht worden.
Wie schon in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gesteht der Kläger zu, dass er das Fahrtenbuch nicht mit der allergrößten Akribie geführt habe. Anders als das FG wertet er die festgestellten Mängel als geringfügig. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass das FG unter Berücksichtigung seiner Darlegungen im Beschwerdeverfahren zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, ist allein eine vom FG abweichende materiell-rechtliche Beurteilung der Mängel des Fahrtenbuchs nicht geeignet, einen Verfahrensfehler zu begründen.
b) Das FG hat auch seine Pflichten zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und zur Prozessfürsorge (§ 76 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Nach diesen Vorschriften erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen, wobei der Vorsitzende darauf hinzuwirken hat, dass u.a. ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt werden. Wie das Gericht den von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Sachverhalt aufklärt, steht in seinem Ermessen (Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 20). Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann hierzu eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FGO) oder --wie im Streitfall-- das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 FGO). Der Kläger hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, bereits vorab über die in der mündlichen Verhandlung zu klärenden Sachverhalte und die Fragen hierzu informiert zu werden. Es bleibt der Einschätzung des FG als Tatsacheninstanz vorbehalten, welche Maßnahmen es am besten zur Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts für geeignet hält.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sind ebenfalls nicht erfüllt.
a) Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist inzwischen nicht mehr klärungsbedürftig. Der BFH hat in mehreren Entscheidungen geklärt, welche Form und welche Angaben ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erfordert (BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; vom 16. März 2006 VI R 86/04 und VI R 88/04, n.v.). Da der BFH im Urteil in BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408 das vom Kläger zitierte FG-Urteil aufgehoben hat, besteht diesbezüglich kein Klärungsbedarf mehr.
b) Soweit der Kläger geltend macht, es sei noch nicht geklärt, welche Folgerungen aus einem Fahrtenbuch mit nur geringfügigen Mängeln zu ziehen seien, ist diese Rechtsfrage im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Das FG hat nicht nur einzelne und z.T. auch unbestrittene Mängel des Fahrtenbuchs festgestellt, sondern auch, dass es unter den gegebenen Umständen äußerst unwahrscheinlich ist, dass der Kläger seinen Porsche Boxster zu keiner Privatfahrt verwendet haben will. An diese Würdigung ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, weil sie weder gegen Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze verstößt. Der BFH ist nicht befugt, eine eigene Tatsachen- oder Beweiswürdigung an die Stelle der Würdigung des FG zu setzen (BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 VI B 65/04, BFH/NV 2005, 1554). Das vom Kläger zitierte Urteil des FG Köln vom 27. April 2006 10 K 4600/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1664), gegen das Revision eingelegt wurde (Az. des BFH VI R 38/06), betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. In dem vom FG Köln entschiedenen Fall geht es um die Frage, ob eine nicht aufgezeichnete Tankfahrt pro Jahr bzw. fünf nicht aufgezeichnete Tankfahrten pro Jahr zu einer Verwerfung des Fahrtenbuchs führen.
c) Die Rechtsfrage, ob ein nicht ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nur für die Monate, für die Mängel festgestellt worden sind, zum Ansatz einer Nutzungsentnahme nach der 1-v.H.-Regelung führt, ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn nachdem keinerlei Privatfahrten eingetragen wurden und Privatfahrten --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich sind, steht nicht fest, für welche Monate das Fahrtenbuch tatsächlich ordnungsgemäß sein soll.
4. Aus den vorgenannten Gründen kommt auch eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 1707896 |
BFH/NV 2007, 915 |