Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für Revisionsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Im PKH-Verfahren für das Revisionsverfahren hat eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision zu unterbleiben, wenn das FA die Revision eingelegt hat.
2. PKH für einen Rechtsstreit über Erbschaftsteuer ist nicht notwendigerweise deshalb zu versagen, weil der Erbe die Geldbeträge aus der Erbschaft seinen Kindern zugewendet hat.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114-115, 119
Tatbestand
Die Antragstellerin, Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde aufgrund Testaments Alleinerbin ihres verstorbenen Bruders. Zum Nachlaß gehörten Sparguthaben und Lebensversicherungen. Gegenüber dem beklagten Finanzamt (FA) machte die Klägerin Nachlaßverbindlichkeiten in Höhe von zunächst . . . DM geltend. Nach ihrer Auffassung waren nämlich als Nachlaßverbindlichkeiten die Kosten der Bestattung, Grabpflegekosten für 30 Jahre, Kosten für häusliche Pflege des Erblasser für 5 Jahre und Auslagenersatz (Stromkosten für 10 Jahre, Kosten für 10 Jahre betreffend häusliche Betreuung, PKW-Kosten und Wohnungskosten für 5 Jahre) abzugsfähig. Die Klägerin begründete dies damit, sie habe die Pflegeleistung für ihren Bruder, der im Haus ihres Ehemannes seinen ständigen Wohnsitz gehabt habe, aufgrund eines Dienstvertrags erbracht, wobei die Zahlung des Arbeitslohns durch Umwandlung des Lohns in ein Darlehen erfolgt sei. Zur Sicherung dieses Anspruchs sei das notarielle Testament abgeschlossen worden.
Am 29. Januar 1988 erließ das beklagte FA einen Erbschaftsteuerbescheid. Dabei behandelte es auch den Erwerb der Sparbücher als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr.4 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG). Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, sie habe die Sparguthaben vom Erblasser noch zu dessen Lebzeiten als Ersatz für Auslagen erhalten. Daraufhin setzte das FA mit Bescheid vom 28. März 1989 gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von . . . DM fest. Es sah nunmehr den Erwerb der Sparbücher als Schenkung unter Lebenden an. Bei der Festsetzung berücksichtigte das FA nur den Freibetrag für Pflege und Unterhaltsleistungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr.9 ErbStG in Höhe von 2000 DM. Gegen diesen Schenkungsteuerbescheid legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein.
Den Erbschaftsteuerbescheid änderte das FA im Hinblick auf den ergangenen Schenkungsteuerbescheid und setzte die Erbschaftsteuer mit Änderungsbescheid vom 15. März 1990 herab. Die Einsprüche gegen den Erbschaftsteuerbescheid und den Schenkungsteuerbescheid wies das FA als unbegründet zurück. Hiergegen richtete sich die Klage.
In der vor dem Finanzgericht (FG) durchgeführten mündlichen Verhandlung übergab der Vertreter des FA der Klägerin einen Bescheid vom 11.Juli 1991, mit dem der bisherige Schenkungsteuerbescheid aufgehoben wurde und der angegriffene Erbschaftsteuerbescheid dahin geändert wurde, daß die in Frage stehenden Sparguthaben in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer einbezogen wurden.
Die Klägerin beantragte, den geänderten Erbschaftsteuerbescheid nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens zu machen. Das Verfahren betreffend den Schenkungsteuerbescheid wurde vom FG abgetrennt.
Mit seinem Urteil gab das FG der Klage gegen den Erbschaftsteuerbescheid vom 11.Juli 1991 teilweise statt und setzte die Erbschaftsteuer herab. Die von der Klägerin gegenüber dem Erblasser ab 1. Januar 1981 erbrachten Pflege- und Unterhaltsleistungen seien in voller Höhe als Nachlaßverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr.3 ErbStG (Vorkosten des Erwerbs) abzugsfähig und nicht auf den Freibetrag von 2000 DM (§ 13 Abs. 1 Nr.9 ErbStG) beschränkt.
Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Dieses rügt Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr.9 ErbStG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Mit Schreiben vom 10. Januar 1992 ihres Prozeßbevollmächtigten beantragt die Klägerin, ihr Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihr als Vertreter den Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Dem Schreiben war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin beigefügt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist begründet. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen.
Der Antragstellerin ist für das Revisionsverfahren PKH zu bewilligen, soweit ihr Kosten nach Stellung des Antrags auf PKH entstehen.
In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Satz 2 ZPO). Im Streitfall hat daher eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision zu unterbleiben, weil das FA gegen die Entscheidung des FG Revision eingelegt hat.
Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen, auch eine Ratenzahlung kommt nicht in Betracht, da ihr Einkommen unter den in der Tabelle zu § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträgen liegt.
Nach ihren insoweit glaubhaften Angaben verfügt die Antragstellerin als Hausfrau über kein eigenes (nennenswertes) Einkommen.
Nach § 115 Abs. 2 hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Dabei ist § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entsprechend anzuwenden. Die Antragstellerin ist - zusammen mit ihrem Ehemann - Miteigentümerin je zur Hälfte des von ihr und ihrer Familie bewohnten als Zweifamilienhaus bewerteten Grundstücks. Angesichts des Einheitswerts des Grundstücks geht der Senat davon aus, daß es sich dabei um ein kleines Hausgrundstück i.S. des § 88 BSHG handelt. Der Miteigentumsanteil der Antragstellerin ist für die Aufbringung der Prozeßkosten nicht als verwertbar zu betrachten.
In die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist auch die Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Ehegatten nach § 1360a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) miteinzubeziehen. Angesichts der relativ niedrigen Einkünfte des Ehemannes der Antragstellerin erscheint das Bestehen eines derartigen zivilrechtlichen Anspruchs der Antragstellerin jedoch so zweifelhaft, daß ihr die PKH nicht deswegen versagt werden kann.
Der Antragstellerin ist die PKH auch nicht deswegen zu versagen, da sie - möglicherweise - die Beträge aus der Erbschaft ihren Kindern zugewendet bzw. für diese verwendet hat. Der Senat sieht darin jedenfalls keine selbstverschuldete Hilfsbedürftigkeit, die auf wirtschaftlich unvernünftiges Verhalten zurückzuführen wäre. Im übrigen besteht kein Anhalt dafür, daß die Antragstellerin sich durch diese Zuwendungen zielgerichtet ,,hilfsbedürftig" gemacht haben sollte für die spätere Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Die Bewilligung der PKH erfordert in der Revisionsinstanz auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten.
Der Antragstellerin ist daher für die Durchführung des Revisionsverfahrens als Revisionsbeklagte PKH zu gewähren. Die Bewilligung der PKH hat jedoch grundsätzlich keine rückwirkende Kraft. Die Bewilligung kann nur bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der formgerechte Antrag nebst den für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen vorlag (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Dezember 1989 VIII S 2/88, BFH/NV 1990, 320).
Fundstellen
Haufe-Index 418478 |
BFH/NV 1993, 322 |